Скачать книгу

daß doch fraglos eine Laterna Magika dabei mitgewirkt haben müsse.

      Mein Freund war schon in sein Kofferbett gestiegen und rief mir jetzt zu:

      „Trommler, wenn du diesem Weiberkopf mit so einfachen Deutungen beikommen willst, wirst du nie ans Ziel gelangen. Glaube mir! – Da – horch, ein Auto!!“

      Ich hörte seine Lagerstatt knacken und sprang gleichfalls aus dem Bett. Im dunklen standen wir am Fenster und beobachteten, wie die Polizei nun tatsächlich in das leere Haus eindrang.

      Dann wurden auch die beiden Fenster des Mordzimmers hell. Was sich in dessen vorderem Teile abspielte, sahen wir ganz genau. Der Ofen lag jedoch zu weit nach hinten, um ihn von hier in den Gesichtskreis zu bekommen. Immerhin war es recht aufregend, gerade für uns, die Kriminalpolizei bei der Arbeit zu belauschen.

      Tory gab allerlei Erläuterungen dazu: „Jetzt zeichnen sie die Spuren im Staub ab, jetzt photographieren sie soeben den Toten und das Zimmer mit Blitzlicht, jetzt heben sie die Leiche vom Haken …“

      Als ich ihn fragte, woher er denn all das so genau wisse, meinte er:

      „Die Methode, nach der sie arbeiten, ist bei einem im geschlossenen Raume verübten Morde stets dieselbe. Ich war oder bin noch mit dem Berliner Kriminalkommissar Haßfeld eng befreundet, einem Verbindungsbruder von mir und früheren Juristen, der mich in die Geheimnisse seines Berufs recht genau eingeführt hat. Ich habe ja stets für alles das Interesse gehabt, was ein wenig über den Rahmen des Alltäglichen hinauslugte.“

      Ich hätte am liebsten laut ein doppeltes ‚Na!‘ als Ausdruck meiner Zweifel an diesem Interesse ausgestoßen. Aber Tory war mein Gast. – Wo sollte er, der doch nur allzu sehr in Äußerlichkeiten aufging, für Dinge sich erwärmen können, die so ganz außerhalb des Kreises seiner wahren Neigungen lagen?! Denn Neigungen hatte er, abgesehen von seinem Streben, stets in allem den tadellos erzogenen und angezogenen Sohn einer alten Patrizierfamilie hervorzukehren, tatsächlich und zwar mancherlei: Musik, Theater, überhaupt schöne Künste! Und hier verachtete er alles Oberflächliche, Seichte. Ein Beweis, daß er durchaus nicht das war, was man als ersten Eindruck von ihm empfing: blasiert, übersättigt!

      Wie gesagt, ich machte also hinter seine Behauptung, daß alles Außergewöhnliche, auch die praktische kriminalistische Tätigkeit, ihn interessiere, ein großes Fragezeichen. – –

      Als wir dann wieder unsere Lagerstätten aufgesucht hatten, überlegte ich mir so verschiedenes, woran ich jetzt erst dachte.

      Tory hatte in diesen letzten Stunden doch eigentlich bewiesen, daß er nicht nur schnell und scharf mit seinen Gedanken das Richtige traf, sondern hatte auch eine Unternehmungslust und Kaltblütigkeit gezeigt, um die er zu beneiden war. Schon allein die Vorbereitungen zu unserem Eindringen in das leere Haus verrieten genug, mehr noch aber sein Verhalten im Wohnzimmer selbst und die Art, wie er dann die Polizei herbeirief.

      Rundschrift hatte ich schreiben müssen! Diese Schriftart war ganz unpersönlich. Dann hatte er auch aus einer Lage Papier einen ganz neuen Bogen herausgenommen, hatte mich gewarnt, ja nicht mit den Fingerspitzen beim Schreiben das Papier zu berühren! Er fürchtete eben, daß die Fingerabdrücke mich und uns beide verraten könnten. –

      Ich schlief schwer ein über all diesen Gedanken, zumal ich den Morgen herbeisehnte, wo ich Tory noch so allerlei fragen wollte.

      6. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Als die Meller, meine Aufwartefrau, mich weckte, war es bereits halb neun Uhr.

      Ich fuhr hoch über dem energischen Klopfen, schaute wild um mich.

      Ich hatte soeben geträumt, daß wir den Mörder in die Vase eingesiegelt hatten, daß er darin erstickt war und wir uns auf diese Weise selbst eines Todschlags schuldig gemacht hatten.

      Dann sah ich draußen den Sonnenschein auf den Dächern glänzen, sah den blauen Himmel, – sah aber auch die zerbrochenen Scheiben des Mordzimmers da drüben, hinter denen sich Gestalten bewegten: Kriminalbeamte!

      Da standen mit einem Male mit greifbarer Deutlichkeit all die Ereignisse der verflossenen Nacht vor meinem inneren Auge. Eine ganze Reihe von Bildern war’s, die blitzschnell sich abrollten. Das ganze Drama im leeren Hause …! –

      Ich rief jetzt: „Schon gut, Frau Meller! Bin schon munter!“ Und dann noch lauter: „He – Tory – – aufstehn! Aufstehn!“

      Die Tür nach der Kammer war nur angelehnt.

      Keine Antwort. – Nochmals brüllte ich mit Donnerstimme: „Tory – Tory!“

      Ich hätte mir diese Lungenanstrengung sparen können. Mein Freund war nicht mehr zu Hause, war bereits unterwegs. – Wohin und zu welchem Zweck, erfuhr ich sehr bald. –

      Die Meller ist so etwa das launenhafteste alte Weiblein, das ich kenne. Ihre Stimmung ist von winzigen Kleinigkeiten abhängig. – Mir ist sie in übler Laune am liebsten, denn dann – – schweigt sie …!

      Heute ging ihr Mundwerk wie ein Propeller mit höchster Tourenzahl.

      Natürlich war das Thema der Tote im Hause gegenüber. Der ganze Pfeffergang wußte bereits, was sich dort abgespielt hatte. Und die Meller wohnte auch im ‚Pfeffer‘.

      Ich war einfach platt, was Frau Fama inzwischen bereits aus den Vorgängen, so weit diese in die Öffentlichkeit gedrungen sein konnten, gemacht hatte …!!

      Mehr als einmal mußte ich lächeln, wenn die Meller mir schilderte, wie der Mörder selbst auf der Polizeiwache erschienen war und in die Wachtstube hineingerufen hätte: Ich hab’ ihn in Nummer neun aufgehängt …!!‘

      Ich tat natürlich der Meller gegenüber so, als ob wir, Tory und ich, die ganze Geschichte verschlafen hätten und nichts davon wüßten. –

      Was Tory und die Meller anbetrifft – ich glaube dies hier erwähnen zu müssen! –, so konnte mein Freund sich rühmen, von meiner Aufwartefrau wie ein Heiliger verehrt zu werden. Ob diese Anbetung den Trinkgeldern galt, die Tory dem Weiblein bei seinen Besuchen oft und reichlich spendete, oder ob seine äußere Aufmachung ihr imponierte, will ich nicht näher untersuchen.

      Kurz, die Meller liebte ihn, wagte nie, an ihm ihre Launen auszulassen, was mir gegenüber häufiger vorkam.

      Als sie gehört und gesehen hatte, daß Tory unser Gast geworden und die Kammer bezogen hatte, bekam ich so verschiedenes versetzt: ‚Warum ich den Herrn Ruhnau denn nicht gleich in der Küche einquartiert hätte …?! Dort sei’s doch noch ungemütlicher!!‘ – und ähnliches mehr.

      * * *

      Viktor Ruhnau war um sieben Uhr munter geworden, hatte sich leise angekleidet, sich rasiert, parfümiert, die Nägel poliert, und war dann davongeschlichen.

      Im linken Nebenhause stieg er gleich darauf die Treppen empor. Auch hier war es dunkel wie in tiefer Nacht. Stinkende Petroleumlämpchen standen auf den Treppenabsätzen, deren Licht jedoch nicht genügte, um die Türschilder der Wohnungsinhaber und Visitenkarten der ‚möblierten Herren‘ entziffern zu können.

      Auch dieses Haus hatte eine Mansarde, in der die verwitwete Frau elektrische Straßenbahnoberkontrolleur Schmitz wohnte.

      Bei der Schmitz klingelte Ruhnau zuerst an, obwohl hier keine Visitenkarte an der Tür hing.

      Die Witwe war daheim. Viktor fragte, ob er ein bescheidenes Zimmer haben könne, das er für einen Freund mieten solle.

      „Bedaure. Ich habe nur eins, das ich möbliert abgebe. Und das ist besetzt,“ lautete die Antwort.

      „Hm – ich habe aber gehört, Ihr Neffe will ausziehen,“ meinte Viktor. „Es ist doch ein Ausländer, nicht wahr?“

      „Ausziehen? – Nein! – Ausländer – ja!!“

      „So, – also stimmt’s wirklich.

Скачать книгу