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teures Zeiss–Trieder–Binokle und ‚zog‘ vorzüglich, wie ich schon von einer anderen Gelegenheit her wußte.

      Ich stellte die Linsen ein auf den hellen, großen Fleck da drüben. Immer deutlicher wurden die Umrisse, die Einzelheiten … Dann entfuhr meinen Lippen ein halblautes „Ah – Donnerwetter!“

      „Siehst du ‚sie‘ jetzt auch?“ fragte Tory gespannt.

      „Ja!“

      Was ich sah …?! – Ah – es war so seltsam, so unheimlich, daß ich plötzlich einen Eiseshauch über meinen Leib hinlaufen spürte …

      Da drüben, offenbar in jenem Zimmer, schwebte frei in der Luft ein in weißlichem Licht schimmernder Frauenkopf. Die Teile des Gesichts waren kaum zu erkennen; aber die Frisur sprach für ein weibliches Haupt. Und in dieser Frisur strahlte etwas heller, – sicher ein Haarschmuck aus edlen Steinen. Auch um den Hals trug das unheimliche Ding eine Kette aus Brillanten oder dergleichen. Die Umrisse des Kopfes zeichneten sich klar in der Dunkelheit ab. Je länger ich hinschaute, desto überzeugter war ich, daß es sich um das Haupt einer Frau handelte.

      Das ganze wirkte tatsächlich mehr als eigenartig, ging einem etwas auf die Nerven.

      Ich ließ das Glas sinken …

      „Was bedeutet das, Tory?“

      „Wenn ich’s wüßte …!! Ich hab’s soeben ganz zufällig entdeckt. Ich holte mir aus meinem Dachkammersalon Zigaretten, stellte mich hier ans Fenster und überlegte mir, wonach der Fremde heute Nachmittag wohl so eifrig aus seiner Bodenluke ausgespäht haben könnte. Da fiel mir drüben der Lichtschein auf …“

      Ich schaute nochmals durch den Krimstecher …

      Plötzlich krallte sich Viktors Hand um einen Arm …

      „Hast du’s gesehen?“ fragte er aufgeregt.

      „Ja. Es ist so, als ob sich jemand an dem schwebenden Frauenkopf zu schaffen macht, ihn durch seinen Körper teilweise oder auch ganz verdunkelt …“

      Ich sprach schnell, flüsternd … Das Glas ließ ich nicht von den Augen.

      Tory öffnete den einen Fensterflügel, lehnte sich weit hinaus …

      „Gib mir das Glas,“ sagte er.

      Er griff danach. Aber – er nahm es mir nicht ab …

      An unsere Ohren war ein Schrei gedrungen – ein geller Angstruf aus menschlicher Kehle …

      Und – kein Zweifel! – Der Schrei war aus dem leeren Hause gekommen.

      „Hast du’s gehört?“ flüsterte ich.

      „Natürlich …! – Ah!! Nochmals …! – Ein solcher Ruf entschlüpft nur einem Menschen in höchster Todesangst, Karl!“ raunte Tory mir überstürzt zu. „Dort drüben geschieht etwas, das furchtbar sein muß …“

      Ich hob wieder den Krimstecher … Blickte hindurch, lauschte …

      Matt schimmerte der Frauenkopf. Aber kein Schatten verdunkelte ihn mehr …

      Und alles blieb still …

      Nur die Nachtgeräusche der schlafenden Stadt trafen unser Ohr – verworren, leise …

      Nach einer Weile sagte Tory:

      „Ich möchte mal in das leere Haus eindringen, Karl – gleich, sofort! Etwas hat sich dort soeben abgespielt – etwas Schreckliches …! Es muß so sein. Der Schrei war so furchtbar.“

      Ich glaubte nicht richtig verstanden zu haben.

      „Eindringen – in das leere Haus?“ meinte ich zögernd.

      „Ja – komm’!“ Und Tory zog mich mit sich in mein Arbeitszimmer, wo nicht nur die Gaslampe über dem Sofatisch, sondern auch meine Arbeitslampe auf dem Schreibtisch brannte.

      Die Lichtfülle tat mir wohl. – Ich schaute Tory an und versuchte zu lächeln.

      „Wie ein Spuk war das eben,“ sagte ich unsicher. „Ein Gespensterhaus …!! Und es ist gerade zwölf Uhr – Mitternacht – Geisterstunde …!!“ Der ironisch scherzende Ton gelang mir aber nicht ganz.

      Tory lächelte nicht, sah im Gegenteil sehr ernst aus.

      „Die Geschichte eignet sich nicht zum Spotten,“ meinte er nachdenklich und reckte die Worte unbewußt. „Besitzt du eine Laterne, Karl, und vielleicht einen Nachschlüssel oder aber ein Stück Eisendraht von vielleicht drei Millimeter Stärke …?“ –

      So kam es, daß wir eine Viertelstunde später leise die Mansarde verließen, auf die Straße hinaustraten und dem Hause gegenüber lautlos wie Diebe zuhuschten.

      Ich erkläre ganz offen, das Unternehmen war nicht nach meinem Geschmack! Durchaus nicht! Wenn ich auch in meinen Romanen ähnlich aufregende Geschehnisse gern bis ins Kleinste ausspinne und manchmal im Gruseligen förmlich schwelge und mich in dem Gedanken freue, daß dem Leser so etwas die Haare zu Berge stehen werden bei der Lektüre, zwischen Phantasie und Wirklichkeit ist doch ein gewaltiger Unterschied! – Das spürte ich heute so recht! – Am Schreibtisch bin ich ein Held – in jener Nacht war ich’s nicht!

      Ich bewunderte Tory. Der benahm sich so, als ob ihm die Worte Angst oder Grauen total unbekannt waren. – Von dieser Seite hatte ich ihn noch nie kennen gelernt. Ich hatte ihn sehr unterschätzt; das sah ich jetzt ein. Die blasierte Ruhe war doch wohl bei ihm zum Teil Maske … Er wurde mir plötzlich interessant. Aber auch unbegreiflich. Er hatte so geschickt aus dem starken Draht mit Feile und Kneifzange in kurzem ein paar Dietriche hergestellt …!! – Wo hatte er diese Fertigkeit gelernt …?! – Ich sollte mich noch mehr wundern! –

      Der Pfeffergang war still und einsam. Kein Mensch zu sehen. Die nächste Laterne war zehn Schritte entfernt und hatte nur einen halben Glühstrumpft, so daß die Lichtquelle recht mäßig war.

      Bürgersteige gab es hier nicht. Der Magistrat hatte den Pfeffergang nicht lieb, tat nichts für die enge Gasse, in der die Hälfte der Häuser abbruchreif war.

      Zu der Tür des leeren Hauses führten drei Steinstufen empor. Die Tür war mit eisernen Ziernägeln beschlagen und hatte einen Drücker von ehrwürdiger Größe.

      Tory begann im dunkeln mit den Dietrichen im Schlüsselloch zu arbeiten.

      Alles umsonst. Kein Schnappen eines Riegels verriet, daß die Dietriche faßten.

      Tory wurde ungeduldig. – Es tröpfelte. Bald kam der Regen in dichten Strömen herab.

      Es war eine Eingebung des Augenblicks, die mich nach dem Drücker greifen ließ …: „Vielleicht ist die Tür überhaupt offen …?!“

      Wir hatten diese Möglichkeit noch gar nicht in Erwägung gezogen.

      Tory sagte leise: „Ich verd… Esel!“ – Das war für den feinen Viktor eine unerhörte Selbstbeschimpfung …!! Aber, sie war auch so etwas berechtigt!

      Denn – die Tür öffnete sich jetzt ohne Mühe …!! Knarrte nicht einmal. Benahm sich so, als wären ihre Angeln noch letztens liebevoll mit Öl behandelt worden.

      Wir schlüpften in den Flur, Tory drückte die Tür wieder zu, und ich schaltete die elektrische Taschenlampe ein, die er mir aber sehr bald abnahm, um damit den sehr schadhaften Fliesenboden des Hausflurs zu beleuchten.

      Stumm deutete er auf eine Spur, die aus feuchten, kaum noch wahrnehmbaren Flecken bestand und die von der Tür nach der Treppe zu verlief, wo sie sich verlor.

      „Ein Beweis, daß vor uns schon ein Mensch in dieses Haus eingedrungen ist …!!“ flüsterte er mir zu.

      Mir wurde immer unbehaglicher zu Mut. Am liebsten hätte ich ihn gebeten, die alte Baracke wieder zu verlassen.

      Draußen hörte das Rauschen des Regens auf – ganz plötzlich.

      Und in demselben Augenblick wurde irgendwo in den oberen Räumen des leeren Hauses

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