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meinem Briefkasten sah ich etwas Helles schimmern. Ich schloß auf. Es war ein an Tory gerichteter Brief ohne Marke, also durch einen Boten oder vom Absender persönlich überbracht.

      Die Adresse sah sehr zierlich aus. Eine Damenhandschrift, – – wahrhaftig, – von der Link!! Auch Tory erkannte die Schrift sofort wieder.

      In dem Umschlag lag ein sauber geschnittener Zettel. Darauf stand ohne Anrede:

      Das Schriftstück ist mir soeben mit der Post anonym zugesandt worden.

      Tory benahm sich jetzt sehr komisch, – rannte nämlich einfach davon, indem er mir zugibt: „Halte nur deinen gewohnten Mittagsschlaf! Auf Wiedersehen!“ –

      Ich schlief wirklich bis drei Uhr. Als ich dann in mein Schlafzimmer ging, um mir das Haar überzubürsten, rief Tory mir aus seiner Kammer zu:

      „Trommler – ich bin ihr auf der Spur!!“

      Er trat mir in Hemdsärmeln entgegen, hatte auch ein wenig geruht, nachdem er durch den Geheimweg in seine Kammer gelangt war.

      „Wem bist du auf der Spur?“

      „Der Madonna natürlich! Oder dachtest du an die Link?! Was die anbetrifft, da war’s doch nach ihrem Briefe klar, daß sie mit dem Schneiderlein unter einer Decke steckt! Woher sonst meine Adresse, mein Name?! Und beide hatte ich dem Meister Bunke angegeben! – Also nun zur Madonna!“ Er rieb sich vergnügt die Hände. „Die Link hatte zum Glück den Umschlag aufbewahrt, in dem ihr das Schreiben der Steuerbehörde wieder zugegangen war. Sie hat mir sogar den Umschlag geschenkt, obwohl ich so unhöflich war, ihr gegenüber anzudeuten, daß Meister Bunke ihr Vertrauter wäre, daß sie nur von ihm erfahren haben könnte, daß ich mich nach einer jungen Dame, so und so aussehend, bei ihm erkundigt hätte. Sie wies diesen Verdacht natürlich entrüstet zurück, ebenso wie ich ihr Ansinnen zurückwies, ihr mitzuteilen, was denn mit dem Schreiben der Steuerbehörde von der Person, die es ihr nun wieder zurückgeschickt hatte unternommen worden sei. –

      Daß die Madonna hier als die ‚Person‘ in Frage kam, – dies zu kombinieren, dazu reichte es bei der Link nicht!“

      Tory zeigte mir jetzt den Umschlag. Die Marke war in Heubude abgestempelt. Das ist ein kleiner Badeort an der alten Weichsel, mitten im Kiefernwalde gelegen, von dem aus man in fünfzehn Minuten am Ostseestrande ist.

      „Sie wohnt in Heubude, Karl, – ganz sicher! Ich fahre noch heute hin,“ meinte er. „Um vier Uhr geht ein Dampfer.“

      „Na – so ganz sicher scheint mir das doch nicht. Der Brief kann dort auch nur zur Post gegeben sein, um die Link als Empfängerin zu täuschen.“

      „Nein! – Bedenke doch, die Madonna ahnt ja nicht, daß jemand die verbindenden Fäden bereits herausgefunden hat, fühlt sich ganz sicher! In Heubude wohnen eine Menge Leute! Wie sollte die Link gerade sie unter den Hunderten herausfinden, und – die Hauptsache! – weshalb sollte die Link überhaupt nach ihr suchen?! –

      So wird die Madonna kalkulieren, indem sie eben überzeugt ist, daß Katzenstein nicht ahnt, daß sie sich falsch legitimiert hat.“

      „Gut – fahre nach Heubude! – Aber – was wird aus der Schmitz?! Du wolltest doch zu ihr als Kaffeegast.“

      „Bitte, – übernimm du das, Karl. Tu’ mir den Gefallen. Aber – sei schlau! – Ich möchte von der Schmitz erfahren, ob Tompson hier mit jemandem verkehrt hat. Und – wenn möglich, – schau’ dich in seinem Zimmer genauer um.“

      „Ich wäre sofort bereit, Tory! Du vergißt nur, daß die Schmitz mich von Ansehen sicher kennt. Im Pfeffergang kennen sich alle Leute.“

      „Hm!! – Nein,– es geht nicht. Du hast ganz recht. Auf diese Weise könnte die Polizei auf uns aufmerksam werden, die sich doch früher oder später bei der Schmitz einfinden wird, sei es nun, daß die Witwe das Verschwinden ihres Mieters anmeldet, sei es, daß auf andere Art festgestellt wird, wer der Tote ist. Und steht die Polizei erst mit der Schmitz in Verbindung, so wird sie die Frau Oberkontrolleur natürlich gehörig über Tompson ausholen, und dann müßte herauskommen, daß du für den angeblichen Engländer Interesse gehabt hast.“

      „Sehr gut gefolgert, Tory. – Ich kann diesen Gedanken auch weiter ausspinnen. Zuvor eine Frage. Hast du der Schmitz deinen Namen genannt?“

      „Nein. Ich wußte das zu umgehen.“

      „Trotzdem kann die Polizei auf uns hingewiesen werden, lieber Tory, – denn die Witwe braucht uns beide nur mal zusammenzusehen, so ist die Geschichte schon faul! Mich erkennt sie dann als ihren Hausnachbarn wieder und dich als den Freund Tompsons, der in Berlin mit ihm zusammengewesen sein will. Erfährt dies die Kriminalpolizei, sitzen wir schon fest!! Dann kommt sicherlich ein Beamter zu mir, – und wie willst du dann dein Interesse für Tompson erklären, – he?!“

      „Verflixt! Diesmal bist du der Schlauere! Eigentlich dürften wir uns gar nicht mehr außerhalb des Hauses zusammen zeigen!! – Üble Sache, wahrhaftig!!“

      „Nein – wir dürfen es wirklich nicht!“ meinte ich jetzt infolge meiner eigenen, soeben angestellten Schlußfolgerungen ernstlich besorgt, indem mir die Lahore-Vase als Schreckgespenst vorschwebte, die wir gestohlen hatten. „Vergiß die Vase nicht, Tory!! Sie kann uns teuer zu stehen kommen, falls die Polizei irgendwie erfährt, daß sie im Mordzimmer aufbewahrt wurde.“

      Tory hatte sein Monokel aus dem Auge genommen und reinigte es mit dem seidenen Taschentuch.

      „Halt – ich hab’s!“ rief er dann plötzlich. Und er lächelte mich triumphierend an. „Ich reise einfach ab, Trommler, – mit einem leeren Koffer …“ –

      10. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Viktor Ruhnau hatte seinen Schlachtplan fix und fertig, als er in die Taxe stieg und sich nach dem Hauptbahnhof bringen ließ. Er wußte, daß er den Spion täuschen mußte, der ihn fraglos diesmal nicht so leicht entschlüpfen lassen würde.

      Der Mann war wirklich wieder da und – folgte dem Taxameter auf einem Zweirad. –

      Viktor löste am Schalter dann eine Fahrkarte nach Dirschau, gab seinen Koffer auf und ging in den Wartesaal zweiter Klasse, der drei Eingänge hat. Zwei liegen nebeneinander, der dritte ihnen gegenüber.

      Als der Spion den Wartesaal betrat, war Ruhnau durch die dritte Tür schon wieder draußen und eilte nun schleunigst den Durchgang entlang nach den Vorortzügen auf den Zoppoter Bahnsteig, stieg hier in einen Zug, der aber erst nach zehn Minuten abgehen sollte, und verließ ihn wieder kurz vor der Abfahrt, um durch die Sperre und den Fahrkartenverkaufsraum für den Vorortverkehr dann unbemerkt auf die Straße zu gelangen.

      Ein zweiter Taxameter brachte ihn zu Isidor Katzenstein.

      Das alte Männchen schüttelte verwundert den weißen Kopf, als der elegante junge Herr allerlei Aufträge erteilte, die dann auch sofort prompt ausgeführt wurden, nachdem Viktor ihm mitgeteilt hatte, daß und weshalb er in einer Verkleidung nach Heubude hinausmüsse. – –

      Katzensteins Wohnzimmer wurde zur Schauspielergarderobe. Vor dem großen Spiegel machte Viktor seine ersten Versuche, einen anderen Menschen aus sich herzustellen. Auch hier nützte ihm seine Freundschaft mit Kommissar Haßfeld sehr viel, der ihm gezeigt hatte, wie man am leichtesten und unauffälligsten sein Äußeres verändert.

      Ruhnaus natürliches Geschick zu allen Dingen half über die Schwierigkeiten hinweg. Und Katzenstein und Frau Rebekka spielten die Kritiker. Endlich waren sie und auch Viktor selbst zufrieden. –

      Mit dem Sechsuhrdampfer fuhr dann ein älterer sehr bescheiden gekleideter Mann, der einen Pappkarton und einen altehrwürdigen Regenschirm bei sich hatte, mit nach Heubude. Er sah aus wie ein im Dienst ergrauter Kanzlist, trug eine große Brille mit grauen, runden Gläsern, hatte langes, graues Haar und einen schlecht gepflegten, kurz gehaltenen Vollbart

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