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Bergmanns Heimkehr kaum noch erwarten konnte. Sein Gefühl sagte ihm nämlich, daß Wolfgang mit seinem Verdacht recht hatte. An der Vergiftung des Steinhausener Bachs waren die CHEMCO und vor allen Dingen Martin Bergmann bestimmt nicht unschuldig.

      *

      Währenddessen war Dr. Metzler schon unterwegs zu dem kleinen Haus am Ortsrand von Steinhausen, das Rainer und seine Frau Anke bewohnten. Doch schon als er aus seinem Auto stieg, erkannte er, daß das Haus noch immer leerstand. Er mußte allerdings nicht lange warten, denn kaum fünf Minuten später bog Rainers Auto plötzlich in die Einfahrt.

      Mit langen Schritten ging Dr. Metzler auf den Wagen zu und öffnete gleich selbst die Tür.

      »Rainer, gut, daß du endlich da bist«, stieß er hervor.

      Das junge Ehepaar erschrak zutiefst.

      »Ist etwas mit Claudia?« fragte Anke atemlos.

      Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis Dr. Metzler begriff, wie sein Überfall auf Rainer und Anke wirken mußte.

      »Nein, mit der Kleinen ist alles in Ordnung«, beeilte er sich dann zu versichern. »Ich wollte euch auch gar nicht erschrecken, aber…« Er zögerte. »Vielleicht sollten wir erst mal ins Haus gehen. Dann können wir uns in Ruhe unterhalten.«

      Rainer stellte lediglich die Koffer im Hausflur ab, dann bat er seinen Freund ins Wohnzimmer.

      »Also, Wolfgang, setz dich und erzähl, was passiert ist«, bat er, während er ebenfalls Platz nahm.

      »Es geht um die CHEMCO«, begann Dr. Metzler, »daß heißt, so genau weiß ich das eigentlich noch gar nicht, aber ich vermute es zumindest.« Er atmete tief durch. »Ich fürchte, ich muß von vorn beginnen, sonst hast du keine Ahnung, wovon ich spreche.«

      Rainer nickte. »Dieser Meinung bin ich auch.«

      »Vor ein paar Tagen kam es in Steinhausen zu mehreren Arsenvergiftungen«, erzählte Dr. Metzler. »Fünfundzwanzig, um genau zu sein.«

      »Oh, mein Gott«, stöhnte Rainer auf.

      »Glücklicherweise konnten wir alle Betroffenen retten, obwohl es zumindest bei zwei vierzehnjährigen Mädchen ziemlich böse ausgeschaut hat. Wir brauchten eine Weile, bis wir herausfanden, woher die Vergiftung kam, doch inzwischen steht eindeutig fest, daß der Steinhausener Bach die Vergiftungsquelle ist.«

      »Und der läuft hinter der CHEMCO vorbei«, murmelte Rainer, dann sah er seinen Freund an. »Gibt es Beweise gegen das Werk?«

      Dr. Metzler schüttelte den Kopf. »Die Ermittlungen der Polizei laufen zwar auf Hochtouren, aber seltsamerweise hat man deinen Vater von Vernehmungen weitgehend ausgeschlossen. Vor zwei Tagen hat Robert versucht, mit ihm zu sprechen, aber du kennst deinen alten Herrn ja. Er hat natürlich abgestritten, etwas mit der Wasservergiftung zu tun zu haben, und das Gegenteil konnten wir ihm noch nicht beweisen.«

      Rainer nickte, dann stand er auf. »Ich fahre sofort ins Werk hinüber.«

      Auch Dr. Metzler erhob sich. »Darf ich mitkommen?«

      »Selbstverständlich, Wolfgang«, stimmte Rainer zu, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen. »Ich habe vor dir keine Geheimnisse.«

      Als die beiden Männer das Chemiewerk erreichten, mußten sie feststellen, daß Martin Bergmann bereits nach Hause gefahren war. Auch von den Werksarbeitern war niemand mehr da. Rainer warf einen Blick auf die Uhr.

      »Eigentlich kein Wunder, daß niemand mehr hier ist«, meinte er. »Es ist immerhin schon gleich sieben Uhr. Aber um so besser. Dann können wir uns wenigstens ungestört umsehen.«

      Rainer zögerte auch nicht lange, sondern steuerte einen ganz bestimmten Raum an.

      »Was wird hier gemacht?« wollte Dr. Metzler wissen und betrachtete dabei die vielen Fässer, die überall herumstanden.

      »Das ist so etwas wie die Mülltonne der CHEMCO«, antwortete Rainer. »Hier werden giftige und ungiftige Chemikalien entsorgt – natürlich streng nach den Vorschriften.«

      »Solange du das Werk leitest«, schränkte Dr. Metzler ein.

      Rainer nickte. »Das fürchte ich allerdings auch.« Und dann entdeckte er etwas, was sofort seine Aufmerksamkeit erregte, obwohl es so unscheinbar war, daß Wolfgang es nie und nimmer bemerkt hätte.

      »Hilf mir, Wolfgang«, bat Rainer. »Ich muß aus diesem Behälter eine Probe entnehmen. Der war vor meiner Abreise nämlich noch nicht da.«

      Doch Hilfe war gar nicht nötig, denn die Hundert-Liter-Tonne, die so unschuldig an der Wand lehnte, war bis obenhin voll, was Rainers Verdacht allein schon bestätigte. Trotzdem nahm er eine genaue Analyse der Flüssigkeit vor.

      »Er hat es tatsächlich getan«, murmelte Rainer bestürzt, als er das Ergebnis vorliegen hatte.

      Fassungslos starrte Dr. Metzler ihn an. »Du meinst… absichtlich?«

      »Das kann gar kein Versehen sein«, entgegnete Rainer niedergeschlagen, dann legte er Wolfgang das Ergebnis seiner Analyse vor. »Die Arsenkonzentration des Wassers, das diese Tonne enthält, ist so hoch, daß ein ganzes Dorf damit getötet werden könnte.«

      Dr. Metzler fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. »Glaubst du… daß er das wollte?«

      Rainer zögerte, dann schüttelte er den Kopf. »Ich denke nicht, denn sonst hätte er den Inhalt der Tonne auf einmal in den Bach gekippt. So aber muß täglich eine bestimmte Menge nach draußen geflossen sein.« Er suchte das Rohr ab, das an der Tonne befestigt war und von hier aus offensichtlich ins Freie führte.

      »Meine Güte, was geht in diesem Menschen bloß vor?« murmelte er fassungslos, dann wies er auf eine Verschlußklappe. »Schau mal, Wolfgang, dieser Verschluß läßt sich nur elektrisch öffnen, und mit Hilfe einer Zeitschaltuhr, die er hier hinten befestigt hatte, konnte er jeden Tag eine bestimmte Menge des vergifteten Wassers in den Bach leiten.«

      Wie zum Beweis für seine Worte hörten die beiden Männer in diesem Moment ein leises Klicken, dann rauschte Wasser aus der Tonne durch das Rohr und plätscherte gut hörbar in den draußen vorbeifließenden Bach. Nach einer Minute war der Zauber vorbei.

      »Meine Güte«, brachte Dr. Metzler mühsam hervor.

      Rainer hatte das Gefühl, einen Alptraum zu erleben, trotzdem sprach er so ruhig, als würde er das Ganze nur als Außenstehender betrachten.

      »Er hat wirklich an alles gedacht. Die Uhr ist so befestigt, daß sie nicht zu sehen ist – abgesehen davon, daß diese unscheinbare Tonne den Männern, die hier jeden Tag arbeiten, wohl gar nicht aufgefallen ist. Und das giftige Wasser wird immer dann in den Steinhausener Bach geleitet, wenn niemand mehr im Werk ist.«

      Dr. Metzler sah ihn an, und der Blick seiner sonst so sanften rehbraunen Augen war dabei zwingend.

      »Rainer, was wirst du jetzt tun?« wollte er wissen.

      Der junge Mann zog den Stecker heraus. Damit war fürs erste die Stromversorgung unterbrochen; die Verschlußklappe würde sich also nicht mehr öffnen.

      »Das habe ich nicht gemeint«, entgegnete Dr. Metzler hart.

      Rainer nickte. »Ich weiß genau, was du meinst. Und keine Angst, Wolfgang, mein Vater muß sich für das, was er getan hat, verantworten – zuerst vor mir und dann vor Gericht.«

      In diesem Moment bekam Wolfgang Mitleid. Er legte eine Hand auf den Arm seines Freundes.

      »Rainer, ich… ich weiß nicht, was ich sagen soll«, meinte er. »Es tut mir leid – nicht wegen deines Vaters, aber… um deinetwillen.« Er zuckte die Schultern. »Ich habe ihn gehaßt, seit mein Vater in der CHEMCO ums Leben gekommen ist, aber… er ist dein Vater, und ich kann mir wahrscheinlich nicht einmal vorstellen, wie es jetzt in dir aussehen muß.«

      »Mach dir um mich keine Gedanken, Wolfgang«, wehrte Rainer ab, dann drehte er sich um. »Wenn du nichts dagegen hast, dann fahre ich dich jetzt nach Hause. Ich habe noch etwas Dringendes

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