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hinwies, daß mit dem Wagen kein Reh, sondern ein Mensch angefahren worden war. Erst als er ein paar Spezialisten anforderte, kam Licht in die Sache. Es dauerte nur eine knappe Stunde, bis die Männer alles herausgefunden hatten, was sich rekonstruieren ließ.

      »Und?« fragte Karl Huber ungeduldig. »War es nun ein Reh?«

      »Höchstens ein zeibeiniges«, antwortete einer der Männer, dann zeigte er vor, was er und seine Kollegen gefunden hatten. »Mit diesem Wagen wurde eine Frau angefahren. An der Innenseite der Stoßstange haben wir zwei lange dunkle Haare gefunden, und die Blutspuren weisen eindeutig die Blutgruppe Null negativ auf.«

      Karl Huber fuhr zu Jakob herum. »Sie haben den Namen Ihres Auftraggebers noch nicht genannt, und Sie müssen es auch nicht tun, wenn Sie Angt haben. Ich kenne den Besitzer dieses Autos, und ich denke, Sie kennen ihn auch. Sie müssen also nur sagen, ob er der Mann, der Sie um die Reparatur gebeten hat, war.«

      Jakob nickte. »Ich habe keine Angst – jetzt jedenfalls nicht mehr. Herr Bergmann senior hat mich gebeten, die Schäden an dem Wagen zu beseitigen.«

      »Damit haben wir ihn am Haken«, erklärte Karl Huber. »Mein lieber Mann, der kann sich auf etwas gefaßt machen.«

      Er machte auf dem Absatz kehrt, verließ die Werkstatt und kümmerte sich sofort um einen Haftbefehl, obwohl er wußte, wie schwierig es war, am Freitagabend so etwas zu bekommen. Doch Huber war lange genug Polizist, um das zu erreichen, und so stand er um neun Uhr abends vor der Bergmann-Villa und klingelte.

      Der Butler Johann öffnete, und seinem wie immer unbewegten Gesichtsausdruck war nicht anzusehen, ob er über den abendlichen Besucher überrascht war. Martin Bergmann dagegen zeigte seinen Unmut über die späte Störung nur zu deutlich.

      »Was erlauben Sie sich, um diese Zeit…«, begann er wütend, doch Karl Huber unterbrach ihn mit unerschütterlicher Ruhe.

      »Herr Bergmann, Sie sind verhaftet.«

      Sekundenlang war Martin Bergmann sprachlos.

      »Sind Sie verrückt, oder ist heute der 1. April?« brachte er endlich hervor und versuchte dabei, sich in einen Scherz zu retten.

      »Weder das eine noch das andere«, entgegnete Huber gelassen. »Ich verhafte Sie wegen schweren Eingriffs in den Straßenverkehr, Fahrerflucht und schwerer Körperverletzung.«

      *

      Rainer Bergmann wurde vom Telefon geweckt. Schlaftrunken torkelte er auf den Flur und meldete sich.

      »Huber, Polizeiinspektion Steinhausen«, gab sich der Anrufer zu erkennen. »Tut mir leid, daß ich Sie an einem Samstag so früh aus den Federn holen muß, Herr Bergmann, aber… könnten Sie bitte sofort hierherkommen? Es ist außerordentlich wichtig.«

      »In einer Viertelstunde bin ich bei Ihnen«, versprach Rainer.

      »Was ist los, Liebling?« wollte Anke wissen, die nun ebenfalls aufgewacht war.

      »Die Polizei«, antwortete Rainer. »Vermutlich haben sie denjenigen gefunden, der den Steinhausener Bach vergiftet hat.«

      Doch Rainer erwartete weit schlimmere Nachrichten, und das ahnte er bereits, als Karl Huber ihn in einen ruhigen Nebenraum brachte.

      »Hier können wir uns ungestört unterhalten«, meinte er.

      Rainer setzte sich auf den angebotenen Stuhl und spürte dabei, wie er innerlich zu vibrieren begann. Er fühlte, daß ihn das, was er gleich erfahren würde, auch persönlich stark bewegen würde.

      Währenddessen überlegte Karl Huber fieberhaft, wie er das, was geschehen war, seinem Gegenüber möglichst schonend beibringen könnte. Immerhin ging es ja schließlich um Rainers Vater. Doch seine Mitteilungen ließen sich nicht in schöne Worte kleiden.

      »Herr Bergmann, leider war ich gestern abend gezwungen, Ihren Vater zu verhaften«, erklärte Huber leise. »Er sitzt in München in Untersuchungshaft.«

      Obwohl Rainer geglaubt hatte, längst keine innere Beziehung zu seinem Vater mehr zu haben, traf ihn diese Mitteilung doch sehr schwer. Er hatte das Gefühl, als würde der Boden unter seinen Füßen zu schwanken beginnen.

      »Nein«, stammelte er. »Das ist… nein…«

      »Herr Bergmann«, sprach Huber vorsichtig weiter. »Es geht nicht nur um die Vergiftung des Steinhausener Baches. Das ergab sich erst zusätzlich, als im Zuge der Verhaftung die Fingerabdrücke Ihres Vaters genommen wurden.«

      Verständnislos starrte Rainer den Polizeibeamten an. »Aber… ich dachte, deswegen hätte man ihn…«

      »Nein, Herr Bergmann.« Huber zögerte. »Ich glaube, Sie sind mit den Scheiblers gut bekannt.«

      Rainer fühlte, wie ihm ein eisiger Schauer über den Rücken rann. Natürlich hatte er inzwischen von Stefanies Unfall und dessen tragischen Folgen gehört, aber er weigerte sich zu glauben, was Karl Huber da andeutete.

      »Mein Vater soll das getan haben?« Heftig schüttelte er den Kopf. »Nein, Herr Huber! Mein Vater mag herrschsüchtig und in gewisser Weise auch kaltblütig sein, aber Unfall mit Fahrerflucht… nein, das kann ich einfach nicht glauben.«

      »Die Beweislast ist leider er-drückend«, entgegnete Huber. »Und… Ihr Vater bestreitet den Vorwurf auch gar nicht.«

      Da vergrub Rainer das Gesicht in den Händen. Minutenlang war er nicht fähig, auch nur ein Wort zu sagen.

      »Darf ich… ihn besuchen?« fragte er, als er sich endlich wieder zum Sprechen aufraffen konnte.

      Karl Huber nickte. »Natürlich dürfen Sie das, aber… bitte, fahren Sie nicht selbst nach München. Sie haben sicher einen Freund, der Sie begleiten kann.«

      Rainer nickte mechanisch, dann stand er auf und verließ die Polizeiinspektion. Er hatte das Gefühl, in einem schrecklichen Alptraum zu stecken. Irgendwann fand er sich vor Wolfgangs Wohnung wieder, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen war.

      Erika öffnete die Tür und erschrak vor Rainers bleichem Gesicht.

      »Um Gottes willen, was ist denn passiert?« stieß sie hervor.

      »Wo ist Wolfgang?« wollte Rainer wissen, ohne auf ihre Frage einzugehen.

      »In der Klinik«, antwortete Erika. »Soll ich ihn anrufen?«

      Doch Rainer schüttelte den Kopf. »Nicht nötig.« Er machte auf dem Absatz kehrt und ging die Straße wieder hinunter. Irgendwann stand er dann vor der Villa von Dr. Daniel und drückte auf den Klingelknopf neben dem Schildchen Privat.

      »Rainer! Meine Güte, wie sehen Sie denn aus?« fragte Dr. Daniel erschrocken, als er dem jungen Mann gegenüberstand.

      Da schluchzte Rainer auf. »Herr Dr. Daniel, bitte… helfen Sie mir. Ich war bei Wolfgang, aber der hat Dienst, und… mein Vater sitzt in Untersuchungshaft… seit gestern abend… o Gott… es ist so schrecklich…«

      Beruhigend legte Dr. Daniel einen Arm um Rainers bebende Schultern und begleitete ihn ins Haus. Dann schenkte er ihm einen Cognac ein.

      »Trinken Sie das erst einmal, Rainer«, erklärte er. »Ein Cognac kann in manchen Fällen die beste Medizin sein.«

      Rainer gehorchte, aber der Alkohol zeigte nur mäßige Wirkung. In seinem Innern herrschte immer noch Aufruhr.

      »Es ist also doch Ihr Vater, der für die Vergiftung des Baches verantwortlich ist«, vermutete Dr. Daniel, als er Rainer gegenübersaß.

      Der nickte. »Ja, aber… das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Er war es auch… meine Güte… er war es, der Steffi…« Er brachte den Satz nicht zu Ende.

      Entsetzt starrte Dr. Daniel ihn an. »Wie bitte?« Dann schüttelte er den Kopf. »Rainer, das kann doch nur ein Irrtum sein!«

      »Ich fürchte, nein«, flüsterte Rainer. »Aber ich muß erst mit meinem Vater sprechen, und da Wolfgang keine Zeit hat…« Er zögerte. »Würden Sie mich nach München begleiten?«

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