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er genüßlich an seiner Pfeife und war mit sich und der Welt höchst zufrieden.

      Doch dieser Frieden wurde gestört, als der Butler Johann hereintrat.

      »Gnädiger Herr, Ihr Sohn…«, begann er, doch weiter kam er gar nicht, denn Rainer hatte keine Geduld abzuwarten, bis der Butler ihn angemeldet hatte.

      Mit langen Schritten trat er in den Salon, dann blieb er anklagend vor seinem Vater stehen. Der Blick, mit dem er ihn betrachtete, war feindselig.

      »Warum hast du das getan?« fuhr er ihn an.

      Martin Bergmann zuckte gelassen die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«

      »O doch, Vater, das weißt du ganz genau. Du hast den Steinhausener Bach vergiftet.«

      Martin Bergmann erhob sich mit einem Ruck und funkelte seinen Sohn wütend an.

      »Fängst du jetzt auch noch mit diesem Unsinn an?« brauste er auf. »Dein verehrter Dr. Daniel war vorgestern schon bei mir! Glaubst du denn allen Ernstes, ich hätte es nötig, unschuldige Leute zu vergiften?«

      Sekundenlang wurde Rainer schwankend. Tat er seinem Vater vielleicht unrecht? Leitet einer seiner Angestellten womöglich das vergiftete Wasser in den Steinhausener Bach, um Vater und Sohn noch mehr zu entzweien? Oder auch nur, um Martin Bergmann in Verruf zu bringen? Vielleicht sogar, um die CHEMCO zu vernichten?

      »Vater, ich komme gerade aus dem Werk«, erklärte Rainer so ruhig, wie es ihm angesichts dieser ganzen Tragödie möglich war. »Ich habe eine Tonne entdeckt, die bis obenhin mit Wasser gefüllt ist, und dieses Wasser weist eine Arsenkonzentration auf, die ein ganzes Dorf vernichten könnte. Durch eine Zeitschaltuhr wird einmal täglich eine gewisse Menge dieses Wassers in den Steinhausener Bach geleitet.«

      Martin Bergmann nickte anerkennend. »Ganz schön raffiniert.« Dann verfinsterte sich sein Blick. »Und dir fällt nichts Dümmeres ein, als deinen eigenen Vater zu verdächtigen?« Er wies mit einer Hand zur Tür. »Raus!«

      Rainer zögerte einen Moment, dann kam er der Aufforderung nach. Im Augenblick wußte er wirklich nicht, was er glauben sollte. War sein Vater tatsächlich unschuldig?

      Unschlüssig saß Rainer wenig später in seinem Auto und wußte nicht, wohin er sich nun wenden sollte. Er ließ den Motor an und verließ erst mal das Bergmannsche Grundstück. Und wie von selbst fand er den Weg zur Villa von Dr. Daniel.

      Der Arzt kam ihm schon entgegen, als er das Auto verließ.

      »Wolfgang hat mir alles erzählt«, meinte er, während er mit einer beinahe väterlichen Geste einen Arm um Rainers Schultern legte. »Kommen Sie ins Haus.«

      »Herr Dr. Daniel, es ist anders«, erklärte Rainer, als er dem Arzt in dessen Wohnzimmer gegenübersaß. »Ich glaube… mein Vater ist unschuldig.« Er schüttelte den Kopf. »Ich… ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Vater… er hat nicht einfach nur behauptet, daß er mit dieser Sache nichts zu tun hat. Er war sichtlich entsetzt, weil ich überhaupt auf den Gedanken gekommen bin, er hätte das alles veranlaßt. Und…« Er zuckte die Schultern. »Eigentlich hätte mein Vater keinen Grund, so etwas zu tun. Er wollte ja nur Wolfgang und Ihnen schaden, aber mit dieser Wasservergiftung hätte er Ihnen doch gar nichts antun können.«

      Das war genau die Frage, die auch Dr. Daniel immer wieder beschäftigt hatte. Was hatte Martin Bergmann eigentlich damit erreichen wollen? Und er hatte bis zu diesem Moment keine Antwort darauf gefunden.

      »Es wäre naheliegender, daß eine der Angestellten das getan hat«, fuhr Rainer fort. »Um meinen Vater in Verdacht zu bringen oder einfach nur, um der CHEMCO zu schaden.«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn, dann nickte er. »Sie haben recht, Rainer. Und wer käme dafür in Frage?«

      Rainer zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich dachte immer, alle meine Leute wären zuverlässig. Ich könnte Ihnen keinen einzigen nennen, an dem ich zweifeln würde.«

      Nachdenklich rieb sich Dr. Daniel das Kinn. »Ist vor kurzem jemand entlassen worden? Dann könnte es nämlich eine Art Rache sein.«

      »Was in den vergangenen vierzehn Tagen passiert ist, weiß ich noch nicht, aber ich selbst habe jedenfalls keine Entlassungen vorgenommen. Dazu hätte ich auch keinen Grund gehabt.«

      »Eine ziemlich undurchsichtige Sache«, meinte Dr. Daniel, dann sah er Rainer an. »Waren Sie schon bei der Polizei?«

      »Nein, aber ich glaube, dorthin werde ich gleich morgen früh gehen«, erklärte Rainer. »Bis dahin bleibt das Werk geschlossen, denn gleichgültig, wer das getan hat – derjenige ist jetzt gewarnt und könnte versuchen, irgendwelche vielleicht noch vorhandenen Spuren zu beseitigen.« Er stand auf. »Dieser Urlaub war doch ein Fehler. Wäre ich nicht weggefahren, dann wäre das nicht passiert. Aber ich verspreche Ihnen, daß alle, die zu Schaden gekommen sind, ausreichend dafür entschädigt werden. Ich weiß, daß Geld kein Ersatz für mögliche Gesundheitsschäden ist, aber anders als finanziell kann ich das, was geschehen ist, nicht mehr ausgleichen. Und was den vergifteten Bach betrifft… ich werde tun, was in meiner Macht steht.« Er senkte den Kopf. »Natürlich wird es eine Weile dauern, bis das Wasser wieder gefahrlos getrunken werden kann, aber…« Er stockte.

      Da stand Dr. Daniel ebenfalls auf und legte beide Hände auf Rainers Schultern. »Sie und Ihre Frau hatten diesen Urlaub bitter nötig. Und für das, was geschehen ist, wird Ihnen niemand die Schuld geben. Machen Sie sich also keine Vorwürfe.«

      *

      Die Sprechstunde bei Dr. Daniel hatte gerade begonnen, als ein junger Mann die Praxis betrat und einen eiligen Brief für den Arzt abgab. Die Empfangsdame Gabi Meindl zögerte nicht lange und brachte das Schreiben unverzüglich ins Sprechzimmer.

      Dr. Daniel brauchte nur einen einzigen Blick darauf zu werfen, um zu wissen, daß es sich um den Laborbericht über die Gewebeproben von Sibylle Wogand handelte. Und obwohl er wußte, daß der Befund eigentlich auf keine bösartige Erkrankung hinweisen konnte, war er doch ein bißchen nervös, als er den Umschlag öffnete.

      Rasch überflog er die Zeilen, dann griff er nach dem Telefonhörer und bat Gabi, ihn mit Frau Wogand zu verbinden. Der Anruf wurde schon Sekunden später durchgestellt.

      »Frau Wogand, hier Daniel«, gab sich der Arzt zu erkennen. »Ich habe gerade den Laborbericht bekommen. Sie müssen sich keine Sorgen machen, der Befund war negativ.«

      »Negativ?« wiederholte Sibylle gedehnt. »Aber das bedeutet doch etwas Schlechtes.«

      Dr. Daniel lächelte. »Nein, Frau Wogand, in diesem Falle wäre positiv etwas Schlechtes gewesen, denn das hätte bedeutet, daß sich bösartige Zellen in den Gewebeproben befunden hätten. Ein negativer Befund heißt, daß das Gewebe frei von Krebszellen ist.«

      »Das klingt ziemlich verwirrend«, meinte Sibylle. »Ein negativer Befund ist für mich also positiv.«

      Jetzt mußte Dr. Daniel lachen. »So ähnlich, ja. Aber ich kann mir schon vorstellen, daß das für einen Laien nicht so leicht verständlich ist. Wenn Sie möchten, dann können Sie auch gern zu mir in die Praxis kommen, damit wir den Befund noch mal ausführlich besprechen.«

      »Ach, ich glaube, das ist nicht nötig«, entgegnete Sibylle. »Wenn Sie sagen, daß alles in Ordnung ist, dann kann ich mich darauf bestimmt verlassen.«

      »Auf jeden Fall, Frau Wogand. Sehen Sie, diese Wucherungen waren – wie ich schon vermutet hatte – gutartig. Und daß es bei Ihnen trotzdem immer wieder zu Zwischenblutungen kam, lag daran, daß Ihr Gynäkologe einen Teil dieser Wucherungen mit der Kürette… also bei der Ausschabung nicht erreicht hat.«

      »Aber jetzt sind sie doch alle weg, oder?«

      »Ja, Frau Wogand. Ich habe aus Ihrer Gebärmutter alles entfernt, was nicht hingehört. Aber in Zukunft sollten Sie regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen kommen.«

      »Heißt das, daß diese Wucherungen wieder auftreten werden?« fragte Sibylle erschrocken.

      »Nicht unbedingt«, entgegnete

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