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Dienst in der Klinik übernehme in der Zwischenzeit ich.«

      Dr. Scheibler sah ein, daß weiterer Widerspruch zwecklos war. Und Dr. Daniel hatte ja auch vollkommen recht. Seit der Operation an Stefanie, bei der er sich noch einigermaßen unter Kontrolle gehabt hatte, spürte er direkt, wie seine Nerven am Boden schleiften. Er nickte ergeben.

      »In Ordnung, Robert. Eine Stunde Ruhe tut mir vielleicht wirklich ganz gut.«

      Dr. Daniel warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Vor drei Uhr nachmittags will ich Sie in der Klinik nicht sehen.«

      »Robert…«

      »Ende der Diskussion, Gerrit. Und ich warne Sie, wenn Sie nicht freiwillig liegenbleiben, dann bekommen Sie von mir ein Beruhigungsmittel.«

      Dr. Daniel wartete, bis Gerrit im Bett lag, dann fuhr er zur Waldsee-Klinik.

      »Sag mal, Wolfgang, was ist eigentlich passiert?« wollte er von Dr. Metzler wissen. »Aus Gerrit ist ja kein Wort herauszubringen.«

      Wolfgang nickte. »Das glaube ich gern. Er wäre heute um ein Haar Witwer geworden.« Er wischte sich über die Augen. Wie sehr die ganze Sache auch ihn mitnahm, wollte er nicht eingestehen. »Und dabei weiß er das Schlimmste noch gar nicht.« Mit einem eigenartigen Blick sah er Dr. Daniel an. »Es war Absicht. Stell dir vor, Robert, irgend jemand hat Steffi absichtlich mit dem Auto angefahren.«

      »Oh, mein Gott«, stöhnte Dr. Daniel. »Bist du sicher?«

      »Nein, aber der ganze Unfallhergang deutet darauf hin, und die beiden Polizeibeamten, die vorhin bei mir waren, schließen eine vorsätzliche Handlung auch nicht aus.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Wolfgang, das… das kann ich nicht glauben. Wer würde so etwas tun?« Er überlegte. »Es kann doch auch ein Betrunkener gewesen sein.«

      »Diese Möglichkeit besteht«, räumte Dr. Metzler ein. »Aber ich habe ein Gefühl, das mich nicht losläßt. Ich spüre, daß es Absicht war. Ich spüre es einfach.«

      *

      Sibylle und Herbert Wogand wohnten noch nicht einmal zwei Wochen in Steinhausen, als die lästigen Zwischenblutungen bei Sibylle wieder auftraten. Mit sehr gemischten Gefühlen ging sie am nächsten Morgen zu dem einzigen Gynäkologen am Ort und hoffte inständig, daß dieser nicht auch nur eine Ausschabung machen würde.

      Gabi Meindl schickte wieder einmal einen Stoßseufzer zum Himmel.

      »Warum können sich die Patientinnen nicht anmelden?« beklagte sie sich bei Sarina von Gehrau. »Es ist doch wirklich nicht so schwierig, nach einem Telefonhörer zu greifen und einen Termin zu vereinbaren.«

      »Ach, kommen Sie, Gabi, heute ist sowieso nicht viel los«, wandte Sarina ein.

      »Hier geht es ums Prinzip«, belehrte Gabi ihre Kollegin. »Schließlich führen wir den Terminkalender nicht aus Zeitvertreib.«

      »Vielleicht ist es ja ein Notfall«, meinte Sarina. »Die Frau machte auf mich einen sehr niedergeschlagenen Eindruck.«

      Gabi zuckte die Schultern. »Besonders gern kommt doch keine zum Frauenarzt.«

      Da lächelte Sarina. »Sind Sie da so sicher? Ich habe immer den Eindruck, daß einige der Damen sogar ausgesprochen gern zu Dr. Daniel kommen.«

      »Zu ihm vielleicht schon.« Gabi seufzte schwärmerisch. »Er ist ja auch ein ganz wundervoller Mann.«

      Hätte Sibylle Wogand diese Worte gehört, sie wäre vielleicht nicht ganz so nervös gewesen, als sie von der Sprechstundenhilfe ins Ordinantionszimmer begleitet wurde. Doch schon ein erster Blick auf den großen schlanken Arzt mit den gütigen blauen Augen weckte Vertrauen in ihr.

      Jetzt reichte er ihr die Hand, während er einen raschen Blick auf die neue Karteikarte warf, die Sarina auf seinen Schreibtisch gelegt hatte.

      »Guten Tag, Frau Wogand«, grüßte er lächelnd, dann bot er ihr Platz an, bevor auch er sich wieder setzte. »Nun, was führt Sie zu mir?«

      Sibylle atmete tief durch. »Ich habe schon wieder Zwischenblutungen, Herr Doktor.« Sie senkte den Kopf. »Wahrscheinlich muß ich weiter ausholen. Mein Mann und ich sind vor kurzem aus Hannover hierher gezogen. Ich hatte diese Zwischenblutungen auch dort schon öfter, und mein Frauenarzt hat dann jedesmal eine Ausschabung vorgenommen. Die letzte vor einem knappen halben Jahr.« Erst jetzt sah sie Dr. Daniel wieder an. »Muß das denn wirklich immer sein?«

      »Das läßt sich nicht so einfach beantworten, Frau Wogand«, entgegnete Dr. Daniel. »Unbestritten ist, daß eine Ausschabung immer noch die beste bekannte Möglichkeit ist, um die Ursache für Zwischenblutungen oder andere Beschwerden im Innern der Gebärmutter herauszufinden. Allerdings haben Wissenschaftler in Amerika inzwischen ein anderes Verfahren entwickelt, mit dem unter Umständen wesentlich bessere diagnostische und therapeutische Erfolge erzielt werden können. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Hysteroskopie. Dabei wird das Innere der Gebärmutter mit Hilfe eines speziellen Endoskop untersucht.«

      Sibylle runzelte die Stirn. »Ich kann mir nicht helfen, aber das klingt nach einer schmerzhaften Methode.«

      Dr. Daniel lächelte. »Ist es aber nicht, Frau Wogand. Eine Hysteroskopie wird in Narkose oder zumindest unter örtlicher Betäubung durchgeführt. Der Vorteil gegenüber der Ausschabung liegt darin, daß man bei der Hysteroskopie die Gebärmuterschleimhaut genau betrachten kann. Dabei werden krankhafte Veränderungen sofort entdeckt und können dann unter Sichtkontrolle behandelt werden.«

      »Und… so etwas könnten Sie bei mir auch machen?« fragte Sibylle vorsichtig.

      Dr. Daniel nickte. »Selbstverständlich, Frau Wogand. Allerdings nicht hier in der Praxis. Sie müßten dazu in die Waldsee-Klinik kommen.«

      In Sibylles Gesicht stand Abwehr. »Ins Krankenhaus? Ich weiß nicht so recht…«

      Beruhigend lächelte Dr. Daniel sie an. »Keine Sorge, Frau Wogand, Sie müssen nicht in der Klinik bleiben. Es ist nur für ein paar Stunden. Wir können auch gleich einen Termin vereinbaren.« Er holte seinen Terminkalender und blätterte. »Vielleicht am Dienstagfrüh. Neun Uhr. Geht das?«

      Sibylle zögerte, dann nickte sie. »Ja.« Sie schwieg einen Moment. »Und… wie lange muß ich dann bleiben?«

      »Vielleicht bis zum frühen Nachmittag – jenachdem, wie Sie die Narkose vertragen«, meinte Dr. Daniel. »Im allgemeinen behalte ich Patientinnen nach einer Narkose noch zwei bis drei Stunden zur Beobachtung in der Klinik, aber das ist eigentlich nur eine reine Vorsichtsmaßnahme.«

      Sibylle lächelte. »Mir scheint, Sie nehmen es mit Ihrer Arbeit sehr genau. Mein früherer Gynäkologe war gut, aber im Vergleich mit Ihnen scheint er mir doch bei weitem nicht so verantwortungsbewußt gewesen zu sein.«

      Unwillkürlich errötete Dr. Daniel. Er ließ sich nicht gern loben, denn das, was er tat, war für ihn nur eine Selbstverständlichkeit.

      »Es freut mich, daß Sie offenbar so viel Vertrauen zu mir haben«, meinte er. »Und das, obwohl wir uns heute erst kennengelernt haben.«

      Und dabei war sich Dr. Daniel nicht bewußt, wie leicht man zu ihm Vertrauen fassen konnte.

      *

      Als Stefanie erwachte, saßen ihr Mann und ihr Bruder bei ihr am Bett.

      »Was ist… passiert?« brachte Stefanie mühsam hervor.

      Zärtlich streichelte Dr. Scheibler ihr Gesicht. »Du hattest einen schlimmen Unfall, Liebes.«

      »Kannst du dich daran erinnern?« hakte Dr. Metzler nach, weil er es einfach nicht mehr erwarten konnte, endlich die Wahrheit zu erfahren.

      Schwach schüttelte Stefanie den Kopf. »Es ist… alles dunkel…«

      Der Schrecken fuhr den beiden Ärzten in alle Glieder. Sollte Stefanie durch dieses Unglück ihr Augenlicht wieder verloren haben? Schließlich war sie nach einem Unfall mit Chemikalien als Fünfjährige erblindet, und erst eine schwierige Operation vor etwas

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