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und ich haben uns gestern noch lange über die ganze Geschichte unterhalten«, erklärte er. »Und wir haben auch damit gerechnet, daß du so reagieren würdest, aber sieh mal, Rainer, es geht hier nicht nur um dich, sondern auch um Anke…« Er wurde unterbrochen, als die kleine Claudia auf wackligen Beinchen auf ihn zukam und ihn glücklich anstrahlte.

      »Na, du kleiner Spatz«, meinte Wolfgang lächelnd, dann nahm er das Mädchen auf den Schoß, doch hier blieb Claudia nicht lange sitzen. Mit aller Macht versuchte sie sich aufzurichten, damit sie Wolfgangs dichte Locken mit ihren kleinen Patschhändchen erreichen konnte. Und noch bevor Dr. Metzler reagieren konnte, hatte Claudia es bereits geschafft. Sie verkrallte ihre Fingerchen in seinen dunklen Haaren, zog kräftig daran und jauchzte dabei vor Vergnügen.

      »Au, du kleiner Grobian«, erklärte Wolfgang und versuchte, sich aus Claudias kräftigem Griff zu befreien, doch das stellte sich als gar nicht so einfach heraus. Anke mußte ihm zu Hilfe kommen.

      »So was kannst du doch nicht machen, Mäuschen«, meinte sie, während sie ihre Tochter auf den Arm nahm. »Oder willst du Wolfgang von hier vergraulen?«

      Claudia jauchzte fröhlich, was sich nach einem eindeutigen »Ja« anhörte.

      »Danke für deine Gastfreundschaft«, lachte Wolfgang, dann wandte er sich Rainer wieder zu. »Aber um auf das zurückzukommen, was ich vorhin gesagt habe: Es geht nicht nur um dich, sondern auch um Anke. Sie braucht diesen Urlaub – ganz davon abgesehen, daß du ihn ebenfalls bitter nötig hast. Deshalb habe ich einen Vorschlag für euch. Wartet mit eurer Fahrt in die Dolomiten, bis Erika und ich von der Hochzeitsreise zurück sind. Wir werden nur zwei Wochen weg sein, und diese Wartezeit hält Robert in Ankes Zustand noch für unbedenklich. Sie sollte sich halt vorher von ihm untersuchen lassen. Und solange ihr beide weg seid, werden Robert und ich deinem Vater schon auf die Finger schauen.«

      Doch Rainer schüttelte den Kopf. »Das ist nicht so einfach, Wolfgang. Du kennst meinen Vater gut genug, um zu wissen, daß er sich nicht auf die Finger schauen läßt. Und dreinreden läßt er sich schon gar nicht. Wenn er in der Firma wirklich Unfug treiben würde, könntet ihr doch nichts dagegen tun.«

      »Da kennst du uns aber schlecht. Notfalls zwingen wir ihn, das Werk zu schließen, bis du wiederkommst.«

      Rainer seufzte. »Ich habe ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache.«

      »Noch haben wir Zeit, es uns zu überlegen«, mischte sich Anke ein, dann sah sie Wolfgang an. »Geht ihr erst mal auf eure Hochzeitsreise. Alles andere wird sich danach schon finden.«

      *

      Dr. Daniel freute sich sehr, als er am darauffolgenden Samstagnachmittag unverhofften Besuch von Rainer, Anke und der kleinen Claudia bekam.

      »Ich hoffe, Sie sind uns nicht böse, daß wir Sie einfach so überfallen«, meinte Rainer.

      »Das will ich aber überhört haben!« verwahrte sich Dr. Daniel, dann nahm er die kleine Claudia auf den Arm. »Na, du? Machst du deiner Mami und deinem Papi nachts immer noch solchen Kummer?«

      Claudia strahlte ihn an und versuchte, nach seinem dichten blonden Haar zu greifen, doch Dr. Daniel kannte diese Vorliebe der Kleinen bereits.

      »Nein, mein Spatz, mit mir machst du das nicht«, wehrte er ab. »Wolfgang hat mir die reinsten Schauermärchen über dich erzählt, aber mir scheint, er hat nicht übertrieben.«

      Lächelnd nahm Anke die Kleine wieder an sich. »Wolfgang mußte letzten Sonntag tatsächlich ein paar Haare lassen. Was unsere Claudia in die Finger bekommt, läßt sie nämlich freiwillig nicht mehr los«, meinte sie.

      Dr. Daniel lachte, dann streichelte er zärtlich über das runde Pausbäckchen der Einjährigen.

      »Wolfgang darfst du ruhig öfter bei den Haaren ziehen«, erklärte er. »Der ist mit meinem Sohn so streng, daß es ihm nicht schadet, wenn er auch mal dafür bestraft wird.«

      Claudia jauchzte fröhlich auf.

      »Und dir macht das obendrein noch Spaß«, stellte Dr. Daniel fest, dann bat er seine Besucher ins Wohnzimmer.

      »Hier ist schön aufgeräumt«, erklärte Anke. »Ich fürchte, das wird sich gleich ändern, wenn ich Claudia erst mal loslasse.«

      »Das macht überhaupt nichts«, entgegnete Dr. Daniel. »Ich habe selbst Kinder, und die waren auch mal klein.«

      Claudia verstand diese Worte offenbar als Aufforderung, in der Villa mal gehörige Unordnung zu schaffen. Schließlich gab es hier unzählig viele Schubladen, die erforscht und ausgeräumt werden mußten. Und obwohl Anke verzweifelt versuchte, ihrer Tochter Einhalt zu gebieten, herrschte in Dr. Daniels Wohnzimmer bald ein mittleres Chaos, doch das schien den Arzt wirklich nicht zu stören. Er unterhielt sich sehr angestrengt mit Rainer, und natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die beiden auf Martin Bergmann zu sprechen kamen.

      »Was an Wolfgangs Hochzeit geschehen ist, tut mir sehr leid«, beteuerte Rainer.

      »Sie konnten da ja wirklich nichts dafür«, entgegnete Dr. Daniel energisch. »Und was Ihr Vater für ein Mensch ist, wissen wir alle. Außerdem sind Sie nicht für sein Handeln verantwortlich.«

      »Das hat Wolfgang auch gesagt«, seufzte Rainer. »Wissen Sie, Herr Dr. Daniel, ich konnte meinen Vater nie lieben, aber ich habe ihn doch respektiert. Viele Jahre lang habe ich sogar zu ihm aufgeblickt, aber jetzt…« Er schüttelte den Kopf. »Er hat als Vorbild versagt – schon damals, als er Anke vorgeschlagen hat, Claudia gegen einen Jungen einzutauschen. Und seine Drohung, die er bei der Hochzeit ausgestoßen hat, hat nur bewirkt, daß ich jetzt gar keine Achtung mehr vor ihm haben kann.« Er blickte zu Boden. »Aber es ist noch etwas anderes. Ich… ich habe Angst. Ich habe Angst, daß er seine Worte irgendwie wahrmacht.«

      »Nein, Rainer, das wird er nicht«, entgegnete Dr. Daniel ruhig. »Er haßt alles, was Metzler heißt, und irgendwie mußte er seiner Wut Luft machen. Aber ich glaube nicht, daß er seine Worte ernstgemeint hat. Und weil wir gerade bei diesem Thema sind – ich bin mit Wolfgang einer Meinung, daß Sie Ihren Urlaub so antreten sollten, wie Sie ihn geplant hatten. Wolfgang und ich werden mit Ihrem Vater schon fertig.«

      *

      Mit einem tiefen Seufzer ließ sich Sibylle Wogand auf den gemütlichen Wohnzimmersessel fallen.

      »Also, weißt du, Herbert, ich bin wirklich froh, daß wir nächste Woche von hier wegziehen«, erklärte sie. »Heute hat Dr. Seidl gesagt, daß er bei mir wieder eine Ausschabung vornehmen müsse. Das wäre dann in diesem Jahr schon die zweite.«

      Herbert Wogand runzelte die Stirn. »Ich habe dir bereits vor einem Vierteljahr geraten, den Arzt zu wechseln. So viele Ausschabungen – das kann doch nicht gut sein.«

      Sibylle zuckte die Schultern. »Dr. Seidl sagt, das mache nichts, und es wäre bei Zwischenblutungen nun mal so üblich.«

      »Ich weiß nicht so recht«, wandte Herbert ein. »Damit wird doch nur das Symptom bekämpft, aber nicht die Ursache.«

      »Das habe ich ihm auch gesagt, aber er hat sich nicht weiter dazu geäußert.« Sie schüttelte den Kopf. »Eigentlich verstehe ich das gar nicht. Dr. Seidl ist normalerweise so ein gewissenhafter Arzt, aber hier… ich weiß nicht recht. Irgendwie behandelt er meine Zwischenblutungen so sorglos.« Sie dachte einen Moment nach. »Andererseits hat er ja sicher Erfahrung auf diesem Gebiet. Vielleicht gibt es wirklich keine andere Möglichkeit, als jedesmal eine Ausschabung vorzunehmen.«

      »Das werden wir ja sehen, wenn du zu einem anderen Arzt gehst.«

      Sibylle seufzte. »Hoffentlich gibt es in diesem kleinen Dorf überhaupt einen guten Gynäkologen.«

      Da nahm Herbert sie liebevoll in die Arme. »Mach dir darüber mal keine Sorgen. Steinhausen ist zwar keine Großstadt, aber es gibt dort sogar eine kleine Klinik. Und selbst wenn du am Ort keinen guten Arzt finden solltest, dann ist es nicht weit bis München. Und da hast du ja die große Auswahl.«

      Sibylle lächelte. »Da hast du auch wieder recht. Und wer weiß? Vielleicht treten

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