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      »War die eigentlich jemals mit Termin beim Chef?« knurrte sie mißmutig, dann schüttelte sie den Kopf. »Also, manche dieser Damen können sich einfach alles herausnehmen. Ich würde nicht ständig unangemeldet beim Arzt auftauchen.«

      Die Sprechstundenhilfe Sarina von Gehrau lächelte. »Sie würden wohl vieles nicht machen, was unsere Patientinnen so Tag für Tag einfällt, nicht wahr?«

      Gabi errötete tief. Sie hatte nicht bemerkt, daß Sarina in den Vorraum gekommen war, denn sonst hätte sie sich zu diesem Vergleich nicht hinreißen lassen. Andererseits wußte Sarina ja ganz genau, wie gern sich Gabi mit den Patientinnen des Chefs verglich und wie gut sie selbst dabei meistens abschnitt.

      Jetzt holte sich Sarina die Karteikarte von Stefanie Metzler und meldete sie bei Dr. Daniel an. Der Arzt runzelte besorgt die Stirn.

      »Sie war aufgeregt, sagten Sie?«

      Sarina nickte. »Ja, Herr Doktor, sehr sogar. Ich habe ja nur vom Nebenraum aus mitbekommen, wie sie mit Gabi gesprochen hat, aber an ihrer Stimme konnte man unschwer heraushören, wie nervös sie war.«

      »Schicken Sie sie herein«, entschied Dr. Daniel und stand gleichzeitig auf, um Stefanie ein paar Schritte entgegenzugehen.

      Im nächsten Augenblick trat die hübsche junge Frau ein, und ein Blick in ihr Gesicht zeigte Dr. Daniel, daß Sarina nicht übertrieben hatte. Stefanie war buchstäblich am Boden zerstört.

      »Na, Steffi, was ist denn los?« fragte Dr. Daniel in väterlichem Ton, während er beruhigend ihre Hände ergriff und festhielt. »Hast du Probleme mit Gerrit? Oder ist es einfach nur Angst vor der Hochzeit?«

      Heftig schüttelte Stefanie den Kopf. »Keines von beiden, Herr Dr. Daniel. Ich glaube, ich bin schwanger!« platzte sie heraus, dann entzog sie ihm eine Hand und fuhr sich damit über die Stirn. »Das kann doch gar nicht sein, oder? Daniela ist erst ein halbes Jahr alt. Da kann ich doch nicht schon wieder…« Sie stockte.

      »Setz dich erst mal, Steffi«, bat Dr. Daniel, dann nahm auch er Platz.

      »Ich stille Daniela ja noch«, fuhr Stefanie fort, bevor Dr. Daniel weitersprechen konnte. »Und es heißt immer, stillen wäre so wie Empfängsnisverhütung.«

      »Das stimmt«, antwortete Dr. Daniel. »Allerdings nur, solange du dein Baby mindestens fünfmal pro Tag anlegst. Das heißt, als du noch voll gestillt hast, kam das praktisch einer Empfängnisverhütung gleich. Aber vor gut einem Monat hast du angefangen abzustillen, und ich habe dir damals schon gesagt, daß du von diesem Zeitpunkt an verhüten mußt, wenn du nicht gleich wieder schwanger werden willst.«

      »Ich habe seit der Geburt nicht ein einziges Mal meine Tage gehabt«, begehrte Stefanie auf.

      »Das tut nichts zur Sache. Du bekommst deine Tage erst, wenn wieder ein Eisprung erfolgt. Wann das passiert, kann niemand vorhersagen.« Dr. Daniel erhob sich. »Jetzt wollen wir aber erst mal sehen, ob sich dein Verdacht überhaupt bewahrheitet.«

      Stefanie seufzte. »Bestimmt, Herr Doktor. Es ist genauso wie bei Daniela. Ich spüre, daß ich wieder schwanger bin.«

      Dr. Daniel, der das Zimmer gerade verlassen wollte, drehte sich an der Tür noch einmal um.

      »Wäre das denn so schlimm?« wollte er wissen. »Ich meine… immerhin wirst du Gerrit nächste Woche heiraten und…«

      »Ich weiß, was Sie sagen wollen«, fiel Stefanie ihm ins Wort. »Und Sie haben auch vollkommen recht. Ein zweites Kind wäre eigentlich kein Problem, aber… so schnell… irgendwie hatte ich noch gar keine Zeit, mich ein bißchen zu erholen. Ich stille noch – wenn auch nicht mehr voll, aber…« Sie seufzte noch einmal. »Und nun schon wieder eine Schwangerschaft…«

      Dr. Daniel streckte eine Hand aus. »Komm mit, Steffi. Jetzt wollen wir erst mal sehen, ob dein Gefühl dich nicht vielleicht doch getrogen hat.«

      Ergeben folgte Stefanie ihm ins Labor.

      »Fräulein Sarina, nehmen Sie bitte einen Schwangerschaftstest vor«, bat er seine junge Sprechstundenhilfe. »Das Ergebnis bringen Sie dann bitte gleich zu mir ins Sprechzimmer.«

      »Ist in Ordnung, Herr Doktor«, entgegnete Sarina, dann wandte sie sich mit einem freundlichen Lächeln Stefanie zu. »Sie kennen das Spielchen ja noch vom letzten Mal.«

      »Ja, es ist noch nicht so lange her«, seufzte Stefanie.

      Sie nahm von Sarina den Becher entgegen und ging auf die Toilette, dann kehrte sie in Dr. Daniels Sprechzimmer zurück. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis Sarina eintrat.

      »Positiv«, erklärte sie und legte den Teststreifen vor Dr. Daniel auf den Tisch.

      »Tja, Steffi, das bedeutet, daß dein Verdacht tatsächlich richtig war«, meinte Dr. Daniel und sah seine junge Patientin dabei prüfend an. »Wie wird es jetzt weitergehen?«

      Sie zuckte die Schultern. »Ich werde das Baby natürlich bekommen, das ist keine Frage.« Mit einer fahrigen Handbewegung strich sie eine Strähne ihres langen dunklen Haares zurück. »Nur… wie Gerrit reagieren wird…«

      »Soll ich ihn ein bißchen vorbereiten?« fragte Dr. Daniel.

      Stefanie nickte. »Da wäre ich Ihnen sehr dankbar.« Sie senkte den Kopf. »Das sieht ja aus, als hätte ich vor meinem zukünftigen Mann Angst.«

      »Unsinn, Steffi«, wehrte Dr. Daniel energisch ab. »Das hat mit Angst überhaupt nichts zu tun. Dieses zweite Baby war noch nicht geplant, und ich glaube, es wird auch für Gerrit ein kleiner Schock sein.«

      *

      Während Stefanie Metzler noch bei Dr. Daniel gewesen war, hatte sich das Wartezimmer allmählich gefüllt. Die Empfangsdame Gabi Meindl war schier am Verzweifeln. Anscheinend hatten sich sämtliche Frauen aus Steinhausen und Umgebung hier in der Praxis verabredet – und das ohne Termin.

      Und schon wieder klingelte es an der Tür.

      »Wenn die auch nicht angemeldet ist, dann kriege ich einen Schreikrampf«, knurrte Gabi in sich hinein, während sie den Türöffner betätigte.

      »Guten Tag, Fräulein Meindl«, grüßte Anke Bergmann mit einem freundlichen Lächeln. »Ich habe für halb zehn einen Termin.«

      »Sie kommen auch bestimmt pünktlich dran«, versprach Gabi, »obwohl im Wartezimmer eine wahre Invasion zu herrschen scheint.«

      »Montags ist bei Dr. Daniel ja meistens die Hölle los«, meinte Anke. »Aber ich hab’s nicht eilig.«

      »Das hört man in meinem Beruf nur selten«, entgegnete Gabi. »Die meisten Patientinnen möchten schon fertig sein, bevor sie die Praxis überhaupt betreten.«

      Anke mußte lachen. »Lassen Sie sich den restlichen Vormittag über nicht mehr so stressen, Fräulein Meindl.«

      »Ich werd’s versuchen«, meinte Gabi, dann sah sie Anke neugierig nach, die jetzt das Wartezimmer betrat.

      »Die hat sich um hundertachtzig Grad gedreht«, erklärte sie ihrer Kollegin Sarina von Gehrau. »Wenn ich daran denke, wie ängstlich und verschüchtert sie war, als sie das erste Mal die Praxis betreten hat. Und dann die ewigen Probleme zu Hause.« Gabi winkte ab. »Ich weiß nicht mehr, wie oft sie bei Dr. Daniel Rat und Hilfe gesucht hat.«

      »Ich glaube, sie hat es nicht leicht mit ihrem Schwiegervater«, erwiderte Sarina nachdenklich. »Nach allem, was ich bisher so gehört habe, muß dieser Martin Bergmann ein ekelhafter Mensch sein.«

      »Das können Sie laut sagen«, bekräftigte Gabi. »Ich kenne ihn ja auch nur flüchtig, aber allein die Geschichten über die CHEMCO sprechen schon Bände.«

      »Das Chemiewerk ist ja vielen ein Dorn im Auge«, entgegnete Sarina. »Ich finde übrigens auch, daß es überhaupt nicht hierher nach Steinhausen paßt. So ein hübscher Ort und dann dieses häßliche Werk mittendrin.«

      Gabi zuckte die Schultern. »Gegen die CHEMCO wird man wahrscheinlich nichts ausrichten können, dazu

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