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und betrat schließlich die Kirche. Er wartete, bis das Hüsteln und Füßescharren hinter ihm verstummt war, dann erst drehte er sich um. Was er sah, ließ sein Herz höher schlagen. Normalerweise war seine Kirche nur bei der Christmette oder am Ostersonntag so gut gefüllt wie heute.

      Und so begann Hochwürden Wenninger voller Elan eine seiner bildhaften Predigten über Sinn und Zweck der Ehe, und dann nahm er den beiden Brautpaaren das Ehegelöbnis ab.

      »Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen«, schloß er in feierlichem Ton, dann beugte er sich ein wenig vor. »Die Herren dürfen ihre jeweilige Braut jetzt küssen.«

      Und dabei betrachtete er das Quartett so voller Stolz, als hätte er nicht nur die Trauung vollzogen, sondern die jungen Paare höchstpersönlich zusammengebracht. Bei der anschließenden Hochzeitsfeier freute er sich vor allem über das gute Essen, obwohl seine Haushälterin Gerdi Schuster ihn ja auch nicht gerade hungern ließ.

      Die Feier war auf dem Höhepunkt, als sich die Tür plötzlich öffnete und Martin Bergmann hereintrat. Augenblicklich verstummte jedes Gespräch.

      »Meine Güte, was will denn der hier?« raunte Stefan Daniel seinem Vater zu.

      Dr. Daniel zuckte die Schultern.

      »Keine Ahnung«, gab er ebenso leise zurück. »Aber vielleicht ist er gekommen, um zwischen sich und Wolfgang endlich Frieden zu schaffen.«

      Stefan schüttelte den Kopf. »Du glaubst sogar beim Satan noch an das Gute, Papa. Schau dir den alten Bergmann doch an: Sieht so ein Mann aus, der Frieden schließen will?«

      Da mußte Dr. Daniel seinem Sohn zustimmen. Martin Bergmanns Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, daß er in sehr gefährlicher Mission unterwegs war.

      Jetzt hatte er den Brauttisch erreicht und starrte Wolfgang Metzler feindselig an.

      »Was ich dir zum heutigen Tag wünsche, Metzler, kannst du dir an fünf Fingern ausrechnen«, stieß er haßerfüllt hervor.

      Wolfgang stand auf, und seine unbeschreibliche Ausstrahlung zeigte sogar bei Martin Bergmann ihre Wirkung. Unwillkürlich trat der einen Schritt zurück, aber trotzdem blickten seine Augen kalt und unversöhnlich.

      »Etwas Gutes wird es sicher nicht sein«, entgegnete Wolfgang jetzt so ruhig, wie es ihm angesichts des Hasses, den Martin Bergmann ihm entgegenbrachte, möglich war. »Seit mein Vater in der CHEMCO sterben mußte, weil die Sicherheitsvorkehrungen unter aller Kritik waren, kam von Ihnen noch nie etwas Gutes über meine Familie. Und ich denke nicht, daß sich das jemals ändern wird.«

      »Dieses Kompliment kann ich zurückgeben, Metzler«, entgegnete der alte Bergmann eisig. »Du hast meinen Sohn gegen mich aufgehetzt, aber ich schwöre dir, daß ich dir das irgendwann heimzahlen werde.«

      »Ich mußte Rainer nicht gegen Sie aufhetzen«, widersprach Dr. Metzler ruhig. »Er hat selbst gemerkt, was für einen zweifelhaften Charakter Sie haben. Der Vorschlag, den Sie seiner Frau im Wochenbett unterbreitet haben, sprach schließlich Bände.«

      »Alles Unsinn!« brauste Martin Bergmann auf. »Du allein bist an allem schuld, Metzler! Wenn du Rainer nicht gegen mich aufgehetzt hättest, dann hätten er und Anke meinen Rat befolgt! Sie hätten ihre Göre gegen einen Sohn eingetauscht und…«

      »Das sind doch Hirngespinste, Herr Bergmann«, mischte sich Dr. Daniel jetzt ein. »Ihre Schwiegertochter und Ihr Sohn hätten Claudia niemals gegen einen Jungen eingetauscht, abgesehen davon, daß ein solcher Tausch ohnehin nur in Ihrer Phantasie funktionieren würde. Die Realität sieht völlig anders aus. Und wenn Sie schon jemandem Vorwürfe deswegen machen wollen, dann wenden Sie sich an mich. Ich habe Rainer nämlich von dieser Ungeheuerlichkeit, die Sie sich erlaubt haben, unterrichtet und nicht Wolfgang. Zu jenem Zeitpunkt wußte er von alldem noch gar nichts.«

      Martin Bergmann fuhr zu ihm herum. »Sie und dieser verdammte Metzler – ihr habt euch gesucht und gefunden! Aber ich werde euch beide vernichten! Verlaßt euch darauf!«

      Damit stürzte er aus dem Festsaal und ließ eine bedrückte Hochzeitsgesellschaft zurück.

      »Wir sollten uns von Herrn Bergmann die Stimmung nicht verderben lassen«, meinte Dr. Daniel, obwohl es auch ihm schwerfiel, nach der Drohung, die Martin Bergmann ausgestoßen hatte, diese Worte auszusprechen.

      Allmählich kamen die vorher geführten Gespräche wieder in Gang, dann begann die Band zu spielen, doch nur sehr zögernd füllte sich die Tanzfläche.

      »Dieser Auftritt war wieder mal typisch für ihn«, meinte Dr. Daniel. »Ich bin ja bloß froh, daß Rainer das nicht mitbekommen hat.«

      »Ich auch«, stimmte Wolfgang zu. »Wenn er und Anke sich nicht angeboten hätten, auf Steffis Baby aufzupassen, dann…« Er ließ den Satz offen und seufzte. »Allerdings fürchte ich, daß sich die Geschichte schnell herumgesprochen haben wird. Spätestens morgen weiß Rainer, was sich sein Vater wieder einmal geleistet hat.«

      Dr. Daniel schüttelte fassungslos den Kopf. »Allmählich scheint er wirklich jeglichen Realitätssinn zu verlieren. Was denkt er sich überhaupt dabei, solche Drohungen auszusprechen?«

      Wolfgang sah ihn an. In seinem Gesicht spiegelte sich Besorgnis. »Du nimmst diese Drohungen hoffentlich ernst, Robert.«

      »Nein, Wolfgang, ich nehme sie nicht ernst«, entgegnete Dr. Daniel ruhig. »Vor ein paar Jahren hätte man Martin Bergmann vielleicht noch fürchten müssen, aber jetzt…«

      »Täusch dich nicht in ihm«, fiel Dr. Metzler seinem Freund ins Wort. »Dieser Mann ist gefährlich – gerade weil er jeglichen Realitätssinn verloren hat. Ich fürchte, er weiß nicht mehr, was Recht oder Unrecht ist, und gerade das macht ihn zu einer tödlichen Gefahr.«

      *

      Als Rainer Bergmann vom Auftritt seines Vaters erfuhr, war er wie vor den Kopf gestoßen.

      Sein Haß bringt ihn noch einmal um«, erklärte er kopfschüttelnd.

      »Er hat diese Drohungen doch nicht etwa ernst gemeint, oder?« fragte Anke.

      Rainer seufzte. »Ich fürchte schon. Und wenn ich ihm jetzt die Leitung der CHEMCO übergebe, dann hat er auch die Möglichkeit dazu.« Zärtlich nahm er seine Frau in die Arme. »Liebling, ich glaube, wir müssen unseren Urlaub ins Wasser fallen lassen. Ich kann Wolfgang und Dr. Daniel keiner solchen Gefahr aussetzen – von Steinhausen selbst einmal ganz zu schweigen. In seinem blindwütigen Haß wäre mein Vater fähig, das ganze Dorf zu zerstören.«

      »Wenn doch nur Herr Wenger endlich aus dem Krankenhaus käme«, meinte Anke.

      »Das würde uns auch nicht viel nützen«, entgegnete Rainer. »Wenger kann nach einem komplizierten Beinbruch nicht gleich wieder voll einsteigen.« Er küßte seine Frau. »Es tut mir so leid, Anke. Wir hätten uns diesen Urlaub wirklich verdient.«

      Anke nickte traurig. Sie hatte sich ja auch schon so auf diese zwei Wochen ungestörten Zusammenseins mit Rainer gefreut.

      In diesem Moment klingelte es an der Tür.

      »Bleib nur, Liebes, ich mache schon auf«, erklärte Rainer, dann ging er hinaus und öffnete die Tür. »Wolfgang, das ist aber eine Überraschung. Ich dachte, ihr wäret schon auf Hochzeitsreise.«

      Dr. Metzler schüttelte den Kopf. »Wir fliegen erst morgen.« Prüfend sah er Rainer an. »Ich nehme an, du hast es schon erfahren.«

      Der junge Mann nickte. »Der Auftritt meines Vaters ist ja Tagesgespräch in Steinhausen.« Er seufzte. »Es tut mir leid, Wolfgang. Wenn ich auch nur geahnt hätte, daß er so etwas vorhat, dann hätte ich es verhindert.«

      »Unsinn, Rainer. Du bist nicht für die Worte und Taten deines Vaters verantwortlich. Allerdings… ich fürchte, daß er seine Drohung warhmachen wird.«

      »Dieser Meinung bin ich auch«, stimmte Rainer ernst zu. »Gerade habe ich mit Anke darüber gesprochen. Wir werden unseren Urlaub abblasen. Ich kann es nicht verantworten, meinem Vater in dieser Situation die CHEMCO zu übergeben.«

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