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sich Rainer und Anke Bergmann schließlich doch, nach Südtirol zu fahren, und sie ließen die kleine Claudia wie besprochen bei Stefanie und Gerrit Scheibler zurück, obwohl sie plötzlich wieder Bedenken bekamen.

      »Ihr müßt euch wirklich keine Sorgen machen«, beteuerte Stefanie. »Ich werde auf Claudia aufpassen, als wäre sie mein eigenes Kind.«

      Das glaubten Rainer und Anke ihr unbesehen, doch ein Rest von Unbehagen blieb, und so traten sie ihre Reise nur sehr zögernd an, während Stefanie ganz glücklich war, zwei kleine Kinder um sich zu haben. Sie war mit Leib und Seele Mutter und freute sich jetzt schon auf ihr zweites Baby.

      Allerdings konnten zwei so kleine Kinder auch ganz schön anstrengend sein.

      »Wird es dir wirklich nicht zuviel?« fragte Dr. Scheibler besorgt, als er aus der Klinik kam und Stefanie todmüde zu Hause vorfand. »Deine Schwester würde dir sicher helfen, wenn du sie bitten würdest…«

      Stefanie winkte ab. »Die wird nicht mal mit Raimo und Tommy richtig fertig.« Sie lächelte. »Die zwei sind allerdings auch richtige Lausebengel.«

      Dr. Scheibler nickte. »Den Eindruck habe ich auch. Und soweit ich es bisher mitbekommen habe, werden weder Geli noch Jochen richtig mit den beiden fertig.«

      Stefanie nickte. »Geli und Jochen können sich den Zwillingen gegenüber nicht durchsetzen. Der einzige, dem sie widerspruchslos gehorchen, ist Wolfgang. Eigentlich komisch, nicht wahr? Immerhin ist er ja nur ihr Onkel.«

      »Das schon, aber Wolfgang besitzt eine Autorität, die niemandem so leicht verborgen bleibt. Es ist in der Klinik ganz genauso. Ein Wort von ihm, und alles spurt.« Er lehnte sich auf seinem Sessel zurück. »Stefan hat erst heute wieder eine Lektion in Sachen Gehorsam bekommen. Manchmal tut mir der Junge richtig leid. Andererseits war mei-ne Assistenzzeit unter Professor Thiersch genauso schlimm. Aber ich glaube, nur so lernt man wirklich etwas.«

      »Kann schon sein«, murmelte Stefanie.

      Liebevoll nahm Dr. Scheibler sie in den Arm. »Meine Güte, ich langweile dich ja richtig mit diesem Unsinn.«

      »Du langweilst mich überhaupt nicht, Gerrit«, entgegnete Stefanie. »Es ist nur… ich bin schrecklich müde. Claudia und Daniela haben mich heute ziemlich geschafft.«

      »Es wird ja doch ein bißchen viel für dich. Immerhin bist du auch noch schwanger.«

      Stefanie lächelte. »So schlimm ist das nicht. Sicher, abends bin ich ziemlich geschafft, aber die zwei sind so herzig. Ich glaube, Claudia wird mir ganz entsetzlich fehlen, wenn Anke und Rainer sie erst wieder abholen.«

      »Bis dahin sind es noch ein paar Tage. Und anschließend treten wir unsere verspätete Hochzeitsreise an.« Er küßte sie zärtlich. »Ich freue mich schon.«

      »Ich freue mich auch«, murmelte Stefanie und kuschelte sich in seine Arme. Sie genoß es, bei ihm Wärme und Geborgenheit zu finden, doch dann wurde sie von der Müdigkeit übermannt.

      Als sie am nächsten Morgen erwachte, lag sie in ihrem Bett und hatte keine Ahnung, wie sie dorthin gekommen war. Auf dem Nachttisch lag ein Zettel von ihrem Mann.

      Du hast so gut geschlafen, daß ich Dich nicht wecken wollte. Ich liebe Dich, Gerrit.

      Mit einem zärtlichen Lächeln betrachtete Stefanie die Zeilen, dann legte sie den Zettel so vorsichtig, als wäre er aus edelstem Porzellan, in die Schublade ihres Nachttisches. Diesen kleinen Liebesbrief würde sie ewig aufbewahren.

      Dann sprang sie voller Elan aus ihrem Bett, duschte und sah schließlich nach den beiden Kindern. Claudia schlief noch, während Daniela hingebungsvoll mit ihren Zehen spielte. Lautlos zog sich Stefanie wieder zurück, doch es dauerte nicht lange, bis aus dem Kinderzimmer lauter Protest kam.

      »So, ihr zwei, jetzt gehen wir einkaufen«, erklärte Stefanie, während sie zuerst Claudia, dann Daniela wusch, wickelte und anzog. Anschließend holte sie den Zwillingswagen, den ihre Schwester ihr geliehen hatte, und setzte die beiden Mädchen hinein.

      Es war ein schöner Spaziergang von dem kleinen Häuschen am Ortsrand, in dem Gerrit und sie ihre Wohnung hatten, bis zum Steinhausener Supermarkt. Der Einkauf war rasch erledigt, dann machte sich Stefanie auf den Heimweg. Auf den schmalen Gassen herrschte kaum Verkehr, und so sah Stefanie den dunklen Wagen bereits von weitem kommen. Sie wußte, wem diese Limousine gehörte, und hätte ihr wohl keine Bedeutung beigemessen, wenn der Wagen nicht plötzlich auf den Gehsteig gefahren wäre und nun direkt auf sie und die beiden Kinder zugehalten hätte.

      Entsetzt starrte Stefanie der riesigen Limousine entgegen. Sekundenlang war sie zu keiner Bewegung fähig, weil sie das, was sie sah, für ein Trugbild hielt. Solche Szenen gab es doch nur in überdrehten Fernsehkrimis, aber nicht in einem friedlichen Ort wie Steinhausen.

      Und dann begriff Stefanie plötzlich, daß das, was sie vor sich sah, alles andere als ein Trugbild war. Wenn sie nicht blitzschnell reagierte, dann würde dieser Wagen sie und die Kinder überfahren, denn er raste mit unverminderter Geschwindigkeit halb auf dem Gehsteig, halb auf der Straße auf sie zu.

      Mit voller Wucht stieß Stefanie den Kinderwagen von sich, so daß er über die Straße und in eine leicht abschüssige Einfahrt rollte. Daniela und Claudia waren zuerst vor Schreck stumm, dann begannen sie laut zu weinen. Das steigerte sich noch, als der Kinderwagen gegen das Garagentor prallte und mit einem heftigen Ruck stehenblieb.

      Währenddessen hatte auch Stefanie versucht, sich in Sicherheit zu bringen, doch dazu war es schon zu spät gewesen. Sie wurde von dem Wagen erfaßt, knallte gegen die Windschutzscheibe und wurde dann über das Autodach hinweg auf die Straße geschleudert. Blutüberströmt blieb sie liegen. Daß die beiden kleinen Mädchen in der gegenüberliegenden Einfahrt noch immer aus vollem Hals brüllten, hörte sie nicht mehr.

      Der Autofahrer, der die dunkle Limousine gesteuert hatte, blieb sekundenlang stehen, dann gab er Gas und fuhr davon, während sich die Blutlache, in der Stefanie lag, immer weiter ausbreitete.

      *

      In der Steinhausener Waldsee-Klinik herrschte ausnahmsweise ein sehr ruhiger Vormittag. Das änderte sich erst, als Martha Bergmeier, die als Sekretärin und Mädchen für alles hier tätig war, einen alarmierenden Anruf erhielt.

      »Oh, mein Gott«, stieß sie hervor, dann drückte sie sofort auf den Knopf, der sie direkt mit Dr. Metzlers Büro verband.

      »Herr Chefarzt!« rief sie, kaum daß er sich gemeldet hatte. »Ihre Schwester ist verunglückt.«

      Dr. Metzler hielt sich nicht lange mit der Frage auf, um welche seiner beiden Schwestern es sich handelte. Er warf den Hörer auf die Gabel, stürzte aus seinem Büro und ließ sich von Martha die Adresse geben, wo der Unfall passiert war. Keine zwei Minuten später war er im Krankenwagen mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs.

      An der Unfallstelle hatte sich bereits eine Menschenmenge angesammelt, doch dem Krankenwagen wurde bereitwillig Platz gemacht. Dr. Metzler sprang heraus, bevor der Wagen richtig zum Stehen gekommen war, und kniete neben seiner Schwester nieder. Sekundenlang war er nur besorgter Bruder, und dabei schnürte ihm die Angst förmlich die Kehle zu, doch dann brach der Arzt in ihm wieder durch. Vorsichtig, aber dennoch mit der gebotenen Gründlichkeit und vor allem auch Schnelligkeit, untersuchte er die verletzte Stefanie, dann wies er die beiden Sanitäter an, sie auf die Trage zu legen.

      »Wir müssen schnellstens in die Klinik«, erklärte er an einen der Sanitäter gewandt. »Geben Sie durch, daß der OP vorbereitet wird.«

      Der Mann beeilte sich, Dr. Metzlers Aufforderung nachzukommen. Währenddessen stieg der Chefarzt schon in den Krankenwagen und bemühte sich um Stefanie.

      »Die Kinder sind bei mir«, drang eine weibliche Stimme an sein Ohr.

      Er nickte knapp. »Ich kümmere mich darum, sobald ich Zeit habe.«

      »Nicht nötig«, entgegnete die Frau. »Ich komme mit den beiden Mädchen in die Klinik.«

      Wieder nickte Dr. Metzler, dann schlugen die Türen zu. Das Martinshorn jaulte auf, während der Wagen, so schnell

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