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also. Meine Fantasie verselbstständigte sich sofort. Der Typ sauste auf einem Surfbrett über die Wellen und einzelne goldene Strähnen seiner braunen Haare leuchteten in der untergehenden Abendsonne …

      »Cassian? Ist das nicht irgend so ein komischer Heiliger?«, witzelte Tyler und holte mich aus meiner kitschigen Traumwelt wieder zurück in die Realität der Schulcafeteria und meiner kalten Nudeln.

      »Na den Eindruck eines Heiligen macht er auf mich aber nicht.« Sandra lächelte wissend.

      »Stimmt. Dazu ist er viel zu sexy«, seufzte Kathy verzückt, während Sandra jetzt ein Gesicht machte wie eine Katze, die drauf und dran war, eine Maus zu verspeisen. »Oh ja, das ist er.«

      Ihr dummes Gequatsche ärgerte mich und ich war offenbar nicht die Einzige, der es so ging, denn Doug schnaubte verächtlich: »Na so toll ist der Kerl ja nun auch wieder nicht.«

      »Genau. Soll erst mal zeigen, ob er es sportlich draufhat«, unterstützte Tyler seinen Kumpel und Dougs Miene hellte sich augenblicklich auf. Vielleicht stellte er sich ja gerade vor, wie er den Neuen auf dem Footballfeld in die Mangel nahm?

      »Also sagt, was ihr wollt, nett ist er auf jeden Fall. Er hat mir nämlich für Celia was zu trinken gegeben, als es ihr so mies ging.«

      Bei Kathys Worten fiel mir fast die Gabel aus der Hand. Die Flasche war von IHM gewesen?

      In meinen Ohren hallte der warme, beruhigende Klang seiner Stimme wider. »Sie sollte vielleicht etwas trinken.«

      Er war garantiert nicht wütend auf mich gewesen. Das war jetzt endgültig klar und aus irgendeinem Grund war ich froh darüber.

      »Ist doch total süß von ihm, nicht?« Kathys Gesicht hatte einen verträumten Ausdruck angenommen. Wahrscheinlich stellte sie sich gerade vor, an meiner Stelle auf dem Fußboden zu liegen.

      Ha, wenn sie wüsste, wie ätzend das gewesen war.

      Doug ließ wieder sein abfälliges Schnauben hören, doch bevor er etwas sagen konnte, ertönte der Schulgong und beendete unsere Mittagspause.

      Abby und ich brachten unsere Tabletts gemeinsam weg, denn wir hatten als nächstes Bio, und auf dem Weg zu unserem Unterricht fragte ich mich, ob dieser Cassian wohl auch da sein würde.

      Er war es nicht. Auch in Englisch traf ich ihn nicht, den letzten beiden Stunden, und so verging der restliche erste Schultag ohne weitere spektakuläre Ohnmachtsanfälle.

      Allerdings konnte ich so auch nicht feststellen, wie ich reagieren würde, wenn ich Cassian Beckett wiedersah. Ich musste mich bis morgen gedulden.

      Nach der Schule verabschiedete ich mich von Doug und Tyler, mit denen ich die letzten Stunden gehabt hatte, und lief zu Abby, die schon auf dem Schulparkplatz auf mich wartete. Kathy, die sie normalerweise immer mitnahm, da sie praktisch Nachbarn waren, wollte gemeinsam mit Sandra nach Hanlay zum Einkaufen fahren. Natürlich hatten sie auch Abby und mich gefragt. Doch mir war heute nicht nach einer ihrer ausgedehnten Marathon-Shoppingtouren und Abby musste später noch arbeiten.

      Als mein alter Ford wenig später vor Abbys Haus hielt, stieg sie nicht gleich aus.

      »Ist bei dir alles okay?« Sie sah mich prüfend an.

      »Klar doch.«

      »Ist schon komisch, dass du einfach so umfällst.«

      Ich fühlte mich unwohl unter ihrem Röntgenblick und zuckte betont gleichgültig die Achseln. »Vielleicht hatte ich ja wirklich Hunger und hab’s nur nicht gemerkt.«

      Doch ich konnte ihr ansehen, dass ich sie nicht überzeugte.

      »Und? Was hältst du von dem Neuen?«

      Ich hoffte, wenigstens jetzt cool zu wirken. »Was Kathy erzählt, scheint er ganz okay zu sein.«

      »Meinst du?« Wieder sah sie nicht so aus, als wäre sie meiner Meinung. »Erinnerst du dich noch, was ich in den Karten gesehen habe?«

      »Na klar.« Ich grinste. »Vielleicht ist ja dieser Cassian der geheimnisvolle Fremde, in den ich mich verliebe.«

      »Möglich … wer weiß. Aber da war noch was anderes.« Sie betrachtete ihre schwarz lackierten Fingernägel. Der Lack an ihrem kleinen Finger löste sich bereits.

      »Irgendwas wird passieren.«

      »Passieren?«

      »Ja.« Sie sah auf. »Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, weil ich noch nicht so viel Erfahrung mit den Karten habe. Vielleicht irre ich mich ja auch, aber ich glaube, es ist doch besser, wenn du es weißt.«

      »Wenn ich was weiß?«

      »Da war nicht nur dieser eine Typ. Da war noch jemand. Und vor dem musst du dich unbedingt vorsehen.«

      Ich fröstelte, obwohl die Heizung in meinem Auto auf vollen Touren lief.

      »Und … vielleicht ist das ja auch dieser Cassian. Ich hab ihn nur in Geschichte kurz gesehen, aber irgendwie das Gefühl gehabt, dass mit ihm was nicht stimmt.« Sie verzog das Gesicht. »Ich weiß auch nicht.«

      Obwohl ich noch immer keine Erklärung für den seltsamen Vorfall hatte, erschien mir das, was Abbys da sagte, doch zu absurd. »Du spinnst. Er ist ein ganz normaler Junge aus Kalifornien. Was sollte mir denn ein neuer Schüler schon antun wollen? Also, wenn du mich fragst, liest du eindeutig zu viele von deinen komischen Büchern. Sag jetzt bloß noch, du hältst ihn für einen Vampir?« Ich hatte es lustig gemeint, doch meine Freundin verstand diesmal offensichtlich keinen Spaß.

      »Sei nicht albern. Natürlich tue ich das nicht«, erwiderte sie kühl und hatte es plötzlich sehr eilig auszusteigen. Sie reagierte nicht einmal mehr auf mein »Wir sehen uns morgen in der Schule!«

      Na super, jetzt hatte ich wegen dieses blöden Typen auch noch Stress mit meiner besten Freundin. Wütend ließ ich den Motor aufheulen und legte die Strecke nach Hause in neuer persönlicher Bestzeit zurück. Nur gut, dass ich unterwegs nicht Sheriff Baileys Streifenwagen begegnete.

      Das Haus meiner Grandma lag etwas außerhalb von Eagle Lake. In unmittelbarer Nachbarschaft gab es nur noch ein Haus. Es stand mitten im Wald und war seit dem Tod des alten Mr. Warner vor ein paar Jahren unbewohnt, weil seine Kinder irgendwo in Texas lebten.

      Ich fuhr an der Einfahrt vorbei und sah aus reiner Gewohnheit auf die Seite, obwohl ich das Haus von dieser Stelle aus gar nicht sehen konnte. Es galt unter den Jugendlichen als Mutprobe, dorthin zu gehen, da es in dem Haus angeblich spukte. Auch heute durchfurchten Wagenspuren den matschigen Weg und da es den ganzen Tag geregnet hatte, musste erst vor Kurzem jemand dort hochgefahren sein.

      Ein lautes Hupen hinter mir ließ mich zusammenfahren. Ohne es zu merken, hatte ich angehalten.

      Entschuldigend hob ich die Hand und fuhr weiter.

      Als ich die Eingangstür aufschloss, empfing mich ein köstlicher Duft. Rasch stellte ich meinen Rucksack auf die Treppe, wusch mir in der Gästetoilette die Hände und ging in die Küche.

      Grandma deckte den Tisch und als ich ihr zur Begrüßung einen Kuss auf ihre faltige Wange drückte, lächelte sie.

      »Wie war der erste Schultag, Liebes?«

      »Och wie immer, Gran«, schwindelte ich schnell. Sie sollte sich keine Sorgen machen und eigentlich war ja auch nicht wirklich etwas passiert.

      Seitdem meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, lebte ich bei der Mum meines Dads. Und ich hatte echt Glück. Sie war kein bisschen streng und ich hatte Freiheiten, die meine Freundinnen nicht hatten.

      Aber nicht nur dafür liebte ich sie. Ihre Kochkünste waren eindeutig auch ein Grund. Interessiert spähte ich durch die Glasscheibe des Backofens. »Hmmh, Gemüselasagne, super! Ich sterbe vor Hunger.«

      »Dann ist es ja gut, dass sie in einer Minute fertig ist.«

      Als wir am Tisch saßen, erkundigte sie sich nach meinen Plänen für den Abend. Da ich wusste, dass sie

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