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abgekühlt.

      Ich starrte wieder auf meine Buchseiten, ohne wirklich zu lesen. Jetzt hatte ich Gewissheit. Ich hatte ihn angesehen und war nicht ohnmächtig geworden. Es war also alles nur ein eigenartiger Zufall gewesen. Aber wenn es so war, warum war ich dann nicht einfach nur umgekippt, sondern hatte diese schrecklichen Sachen erlebt? Und würde es vielleicht doch wieder passieren, wenn ich ihm direkt in die Augen sah? Ohne Sonnenbrille dazwischen?

      Etwas nervös setzte ich mich nach der Mittagspause im Klassenzimmer neben Kathy auf meinen Platz.

      Cassian Beckett betrat hinter Mrs. Brewster den Raum, schloss auf ihre Bitte hin die Tür und ging zu seinem Platz, ohne jemanden anzusehen. Wieder hingen ihm seine braunen Haare in den Augen und ich fragte mich, wie lange er sich wohl Direktor Wilcoxs Anweisungen noch widersetzen konnte.

      Die ganze Mathematikstunde über wartete ich, dass er sich umdrehte, doch ich wartete vergeblich. Er blickte nur stur nach vorn. Beim ersten Klingeln sprang er auf und war schneller nach draußen verschwunden, als ich hätte Piep sagen können. Wahrscheinlich wollte er zu Angelina und eigenartigerweise störte mich dieser Gedanke.

      Am Samstagvormittag half ich Grandma bei ihrem üblichen wöchentlichen Hausputz und sah mir abends mit der Clique einen Horrorfilm im Kino an. Abby trafen wir erst im Krugers, allerdings hatte sie zu viel zu tun, um mit uns abzuhängen.

      Den Sonntagvormittag verschlief ich komplett und wurde erst wach, als Grandma wegen des Mittagessens an meine Tür klopfte.

      Am Nachmittag regnete es wieder und ich nutzte das schlechte Wetter, um Hausaufgaben zu machen.

      Doch kaum hatte ich mein Mathematikbuch aufgeschlagen, kam mir erneut der Neue in den Sinn. Ich ärgerte mich noch immer, dass ich ihn in der Mittagspause so angestarrt hatte, obwohl er sich, kaum ein paar Tage an der Eagle High, schon eine der Schulschönheiten geangelt hatte. Auch wenn Angelina die Intelligenz eines Sandwiches hatte, musste sogar ich zugeben, dass sie zumindest hübsch war. Ernüchtert sah ich an mir herunter. Nein, mit ihr konnte ich eindeutig nicht mithalten.

      Aber wollte ich das denn? Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden. Quatsch! Nein! Energisch klappte ich mein Heft auf und begann die erste Aufgabe zu lösen.

      »Was ist denn mit der los?« Verständnislos starrte Abby Angelina hinterher, die heulend den Flur runterrannte.

      »Ich hab doch bloß gefragt, ob alles in Ordnung ist.«

      »Offenbar nicht.« Ich öffnete meinen Schrank und nahm ein Buch heraus.

      »Denkst du, es ist wegen Beckett?« Abby war noch nicht durch mit dem Thema, während sie hektisch an ihrem Schrankschloss herumfummelte. »Könnte doch sein, oder? Am Freitag ist sie wegen ihm noch total happy und heute …«

      »… ist sie vollkommen fertig, weil Beckett sie abgeschossen hat.« Kathy war plötzlich neben ihrem Schrank aufgetaucht und Abby fuhr zusammen.

      »Mensch, musst du dich so anschleichen«, schimpfte sie und zerrte noch hektischer an ihrem Schloss.

      Kathy hielt es für überflüssig, sich bei ihr zu entschuldigen. »Stellt euch vor, Beckett ist jetzt mit Eva Beal zusammen. Muss wohl schon am Freitag nach der Schule passiert sein. Is’ ja auch kein Wunder, so hohl wie Angelina ist. Na jedenfalls wurde er am Samstagabend mit Eva im Underground gesichtet und es soll echt heiß zwischen den beiden gewesen sein.«

      »Ach wirklich?« Ich bemühte mich, gelangweilt zu klingen.

      Na klasse, der Typ ließ ja offenbar nichts anbrennen.

      »Warte mal, Abby, so kriegst du das nie auf.« Ich musste mich ablenken, also schob ich sie beiseite, bevor sie ihrem Schrank einen weiteren wütenden Fußtritt verpassen konnte. Langsam verstellte ich die Zahlenreihe und stellte wieder die richtige Kombination ein. Das Schloss schnappte auf.

      »Hey, wie hast du das gemacht?« Sie sah mich verblüfft an. »Bei mir funktioniert das nie.«

      Ich zuckte die Achseln und grinste nur, während Kathy beleidigt guckte, weil wir uns anscheinend mehr für den Schrank interessierten als für ihre tollen Neuigkeiten.

      Haha, wenn sie wüsste.

      »Und woher hast du deine Infos?«, erkundigte ich mich, um sie zu trösten, und natürlich auch, weil ich neugierig war.

      »Ach, ich habe gute Kontakte, weißt du«, erwiderte sie geheimnisvoll und zupfte sich lächelnd einen Fussel von ihrem rosa Pullover.

      »Dann solltest du dir aber schleunigst mal ’ne verlässlichere Quelle suchen. Das da hinten ist nämlich nicht Eva oder brauch ich neuerdings ’ne Brille?« Abby klang überrascht.

      Ich folgte ihrem Blick und sah Tiffany Parker mit Cassian Beckett vor dem Chemiesaal stehen. Sie hing an seinem Hals und als sich ihre knallrot geschminkten Lippen seinem Gesicht näherten, spürte ich ein eigenartiges Ziehen in meinem Magen.

      Doch bevor es zu einem Kuss kam, zog er ihre Hände von seinem Nacken und schob sie von sich. Er lächelte, sagte etwas zu ihr, dann drehte er sich um und ging einfach davon. Tiffany schien die Art seines Abgangs jedoch nicht zu stören. Sie starrte ihm mit einem glückseligen Lächeln nach.

      Dumme Kuh!

      »Aber das ist doch …« Kathy schüttelte ungläubig den Kopf.

      »Tiffany Parker, ja. Nicht traurig sein, Schätzchen. Jeder kann sich mal irren«, tröstete Abby sie grinsend und schnappte sich ihre Bücher.

      Auch Kathy und ich mussten zum Unterricht und als wir das Klassenzimmer betraten, war mir sofort klar, dass Kathy keine falschen Informationen bekommen hatte. Eva Beal saß in der hintersten Reihe und bot einen erbärmlichen Anblick. Ihr Gesicht sah mindestens so verheult aus wie das von Angelina und der Grund für ihren Zustand war eindeutig Beckett. Als er den Raum betrat und Eva ihn bemerkte, schluchzte sie verzweifelt auf. Ihre Freundin legte sofort tröstend den Arm um sie und redete leise auf sie ein.

      Und Beckett? Er schien mal wieder nichts mitzubekommen.

      Er setzte sich auf seinen Platz, ohne Eva auch nur einen Blick zu gönnen, und holte ein Buch aus seinem Rucksack.

      Obwohl ich nicht die Absicht hatte, die Nächste auf der Liste unseres neuen Schulcasanovas zu werden, begann mein Magen erneut zu kribbeln.

      Nach der letzten Stunde mussten Abby, Tyler und ich zum Treffen des Festausschusses. Unglücklicherweise waren wir nach der Mittagspause Direktor Wilcox in die Arme gelaufen und prompt von ihm dazu verdonnert worden, uns »freiwillig« für die Organisation des Abschlussballs zu melden. Tja und da sich niemand unserem Direktor widersetzte, trafen wir uns nun brav mit den anderen Mitgliedern.

      Susan, mit der Abby und ich Bio zusammen hatten, schlug irgendwann vor, die Ideen für das Motto aufzuschreiben, die alle wild durcheinander grölten, und anschließend die Vor- und Nachteile zu besprechen. Ohne unsere Zustimmung abzuwarten, zückte sie ihren Block und begann eifrig zu kritzeln.

      Ich bemerkte Abbys genervtes Augenrollen und grinste. Sie formte mit ihren Lippen ein stummes »Das kann ja ewig dauern«, das ich nur mit einem Achselzucken kommentierte.

      Als endlich niemandem mehr etwas einfiel, entbrannte eine hitzige Debatte über die vorgeschlagenen Themen, denen Susan so klangvolle Namen gegeben hatte wie »Meereszauber«, »Karibische Nacht«, »Ball der Vampire« oder »Weltraumabenteuer«.

      Doch irgendwann reichte es Abby. »Sorry, aber wir müssen jetzt echt los«, sagte sie laut und stand auf, während sie gleichzeitig nach ihrer Tasche griff und Tyler und mir einen auffordernden Blick zuwarf.

      Susan, die sich inzwischen selbst zur Vorsitzenden unserer Runde ernannt zu haben schien, sah auf ihre Armbanduhr und nickte. »Es ist wirklich schon ziemlich spät und wir haben ja auch schon ein paar gute Vorschläge.« Sie blickte in die Runde und als niemand etwas sagte, klappte sie ihren Block zu und verkündete, dass wir uns übermorgen um die gleiche Zeit wieder hier treffen würden.

      Auf dem Parkplatz trafen wir Doug, der mit verschränkten Armen an seinem roten Camaro lehnte

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