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      »Hervorragendes Holz«, bemerkte Aiden und strich über die Maserung des Baustoffes. »Der Hänger muss definitiv ins Lager, so, wie er ist. Ich hab' irgendwo noch Regale, die wir aufbauen können. Vielleicht können Ivy oder Melanie eine Inventurliste anfertigen.«

      »Gute Idee. So wissen wir, was da ist und was wir für später brauchen«, pflichtete Bryan bei.

      Die beiden Frauen nickten ihnen bereitwillig zu.

      »NEIN!«, hallte es plötzlich auf dem Gelände.

      Die Gruppe horchte erschrocken auf und ihre Herzen pochten ihnen bis zum Hals. Sie erstarrten förmlich.

      »NEIN, BITTE NICHT!«, kreischte wieder jemand aus Leibeskräften und der Schrei ließ das Blut in ihren Adern gefrieren.

      *

      Sie ließen alles stehen und liegen und rannten zu den Unterkünften. Doch sie blieben erschüttert stehen. Geschockt hielt sich Melanie die Hand vor den Mund. Es lief ihnen eiskalt den Rücken hinunter.

      Ava hing mit einem Seil um den Hals am Baum. Ihre Beine zuckten und sie hörten ihren röchelnden Atem. Die Arme waren verkrampft und ließen ihre Finger brechen.

      Jerome versuchte krampfhaft ihre Beine zu fassen. »Helft mir!«, flehte er.

      Elmar und Christoph stürmten zu ihn, während Railey mit schnellen Schritten die Treppe des Baumhauses empor rannte, auf den Ast kletterte und versuchte, das Seil vom Auswuchs zu schneiden.

      Avas Körper begann zu schwingen. Die Schlinge um ihren Hals hatte sich bis zum Maximum zugezogen.

      »Achtung!«, rief Railey und schnitt die letzte Faser des Seils durch.

      Jerome und Elmar fingen die Französin auf und legten sie behutsam auf den Boden. Die Hände ihres Mannes zitterten. Ratlos sah er den leblosen Körper seiner Frau an.

      Rupert eilte ihm zu Hilfe, konnte nur schwer die Schlinge um ihren Hals lösen und suchte einen Puls, als die Schlaufe gelöst war. Verängstigt sah Jerome ihn an und der Halbgott in Weiß begann mit erschütterten Knopfaugen langsam den Kopf zu schütteln.

      Er stieß einen Schrei der Fassungslosigkeit aus seinen Lungen. Jerome kniete neben ihr, nahm ihren leblosen Körper in die Arme, wiegte sie behutsam und berührte zaghaft ihren wackelnden Kopf.

      »Sie ist tot«, Rupert sprach geschockt aus, was die anderen, die bestürzt um sie herumstanden, schon geahnt hatten.

      Railey kam hinzu und sah sich die Leiche an.

      Erneut stieß Jerome einen Aufschrei des Schmerzes und der Verzweiflung aus, presste heulend Avas Leichnam an sich und strich immer wieder durch ihre Haare. Etwas, was sie nie leiden konnte.

      Ivy wurde von Sebastian in den Arm genommen, Melanie lehnte an Christoph. Bryan, Thomas und Aiden blickten stumm zu Boden, während Elmar Klaas an sich drückte.

      Als Rupert Jerome so sah, dachte er an Evelyn. Ich sehe Evelyn vor mir liegen, im heißen Staub. Und wie ich ihren leblosen Körper hielt und um sie weinte. Tief bewegt wandte sich der Arzt von dem Trauerspiel ab.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit legte Jerome seine Frau behutsam auf den Boden, kniete über ihren Kopf und küsste immer und immer wieder ihre Stirn. »Pourquoi as-tu fait ça?«, jammerte er in seiner Muttersprache. »Du kannst mich doch nicht einfach allein lassen.« Seine Tränen tropften auf ihr lebloses Gesicht. Achtsam stützte er mit einer Hand ihren baumelnden Kopf, strich mit der anderen ihre Wange und brummte etwas in seinen Bart.

      Erschüttert blickten die anderen auf die Tragödie hinab.

      Nicht nur Ivy erinnerte sich an Rupert, wie er Evelyn in seinen Armen hielt, wie er sie küsste und ihre Haare streichelte. Es war beinahe das gleiche Bild, eine Art Déjà-vu.

      Niemand bemerkte die kleinen feinen Äderchen, die sich wie ein Netzwerk auf ihrer hellen, makellosen Haut ausbreiteten. Langsam verfärbte sich ihre rosige Haut in ein helles grau. Seufzend strich der Ehemann über ihr Gesicht, ergriff erneut ihre Hand, streichelte sie behutsam.

      Jerome schaute plötzlich mit verweinten Augen auf, als er ihre Hand hielt.

      »Tu avais tort, Rupert!«, sagte er hoffnungsvoll in seine Richtung. »Du hast dich geirrt, mein Freund!«

      Stutzig blickten sie ihn an und sahen seinen hoffnungsvollen Augen, der zwischen der Leiche seiner Frau und seinen Freunden hin und her wanderte.

      »Sieh doch«, jauchzte er voller Freude und präsentierte ihre Hand, die auf seiner lag.

      Ihre Finger zuckten in unregelmäßigen Abständen in seiner Handinnenfläche, als würde sie Klavier spielen.

      Vor Freude wischte er sich eine Träne von seiner Wange und seine Gefühlswelt schwankte zwischen Verzweiflung und Glück, dass sie doch nicht tot war.

      Ihre Mundwinkel begannen nervös zu zucken.

      Railey betrachtete argwöhnisch ihr Gesicht.

      Ihre Beine traten nervös um sich.

      Unglaubwürdig sahen sich die anderen an und konnten nicht verstehen, was sie sahen.

      »Das ist nicht möglich!«, raunte Rupert in seinen Rauschebart. »Ich habe keinen Puls gefunden. Da bin ich mir absolut sicher!«

      »Du hast dich geirrt!«, wiederholte Jerome glücklich. »Sie lebt!«

      Plötzlich riss die Französin ihre Augen auf, holte rasselnd tief Luft, als wäre ihre Luftröhre verschleimt. Ihre Augenfarbe hatte sich verfärbt. Eine Art Schleier hatte sich wie ein Schatten auf ihre Augäpfel gelegt, die Jerome anblickten. Er ließ zitternd ihre Hand los und streichelte freudig ihr Gesicht.

      »Ava … Ich bin da«, flüsterte er behutsam und strich immer wieder durch ihren blonden Bob. »Du hast überlebt … Jetzt wird alles wieder gut.«

      Aber sie antwortete nicht. Sie fauchte ihn wütend an. Ihre Hände griffen nach seinen Armen, packten seine Ärmel so fest, dass er ihre Fingernägel durch den Stoff spürte. Ihr Mund begann nach ihm zu schnappen.

      Sie verhält sich wie der Infizierte in der Mall, schoss es durch Ivys Kopf und beobachtete, wie die anderen auch, verwirrt das Schauspiel. Sie alle hörten das Fauchen und Gurren, welches ein Bestandteil ihrer neuen Welt geworden war. Sie alle kannten dieses Geräusch nur zu gut.

      Verständnislos starrte Jerome auf seine Frau hinab, spürte den Schmerz ihrer versteiften Finger, die sich immer mehr in seinen Unterarmen vergriffen hatten. »Du tust … mir weh, mein Schatz«, stammelte er verängstigt. Er bekam Angst, höllische Angst.

      »Hat … hat sie … sich verwandelt?«, stotterte Bryan und sprach das aus, was die Gruppe sich die ganze Zeit fragten, aber sich nicht trauten auszusprechen.

      »Kann nicht sein!«, behauptete Ivy. »Sie hat das Gelände nie verlassen! Wie konnte sie dann gebissen worden sein?«

      Ihr Fauchen wurde immer lauter und ließ das Blut in ihren Adern gefrieren.

      Jerome konnte sich aus ihrem Griff befreien, drückte ihre Arme nach unten, um ihre Hände zu fixieren. Ihre Beine strampelten wütend umher, ihr Körper wandte sich, wollte aufstehen. Er sah die anderen verängstigt an. »Tut doch was!«, flehte er sie mit verzweifeltem Blick.

      Railey zückte entschlossen sein Messer, kniete nieder und rammte Ava die Klinge in die Stirn.

      Ihre Bewegungen erstarrten, das Fauchen hörte abrupt auf. Ihre Hände fielen leblos auf den Boden, ihre Beine hörten auf zu zappeln.

      Jerome sah zitternd auf seine Frau, blickte die anderen an und konnte nicht glauben, was gerade geschah. Stille Tränen liefen über sein Gesicht.

      Die Reisegruppe musterte Railey, der neben dem Leichnam hockte und das Messer herauszog.

      Nervös begann Jerome ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Er wollte die Bissspuren sehen, die Ava zu dem gemacht hatten, was sie nun war. Aber er fand keine. »Da sind keine Bissspuren«,

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