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zog sie durch die Tür in die Mall herein.

      *

      Die Gänge waren leer und durch die offenen Deckenfenster wehte der Wind eisige Luft herein. Auf den Bodenfliesen lag ebenso Schnee und die schweren Pflanzkübel mit ihren Plastikpalmen waren hauchfein mit Eis bedeckt. Es wirkte wie eine skurrile Winterlandschaft. Ihre Schritte hallten in den Gängen. Vorbei an den von ihnen geplünderten Klamottenläden, schlenderte die Gruppe den Weg zum Markt entlang.

      Dort angekommen, nahmen sie zwei Einkaufswagen und schoben diese mit schnellen Schritten am ehemaligen Gemüse- und Obstregal vorbei. Die verwesenden Lebensmittel stanken bestialisch.

      Aus den unterschiedlichen Regalen nahmen sie Nudeln, Reis, Cornflakes verschiedener Sorten, Instantsuppen, Konversenfleisch und Klopapier heraus. Viel konnten sie nicht einpacken. Ihre Rucksäcke waren nicht groß genug.

      Ivy blieb nachdenklich an dem Regal der Schreibwaren stehen und sah grübelnd auf das Sortiment.

      Sebastian gesellte sich zu ihr und begutachtete die Fächer, während er einen Karton Nudeln im Arm hielt. »Was überlegst du?«, erkundigte er sich neugierig.

      »Ich überlege, ob ich ein paar Notizbücher mitnehme. Ich könnte in meiner Freizeit malen und Tagebuch schreiben.«

      »Mach … Wir müssen es doch nicht bezahlen«, erwiderte er trotzig und grinste sie an.

      Nickend schmunzelte sie und legte ihren Tornister, der noch nicht befüllt war, ab. Ordentlich begann sie die Notizbücher und eine Packung Kopierpapier einzupacken. Die Kugelschreiber, Bleistifte, Buntstifte und Radiergummi nahm sie aus der Verpackung und steckte sie in die Seitentaschen ihres Armeerucksacks, der ihr seit achtzehn Jahren treue Dienste leistete. Ächzend nahm sie den Ranzen wieder auf die Schulter, der zu ihrem Erstaunen ein beachtliches Gewicht bekommen hatte.

      Rupert wird sich freuen, wenn er sein Notizbuch bekommt, dachte sie, nachdem sie weiter unten im Sortiment Bücher in A5 Größe entdeckte.

      »Hey Mel«, rief Ivy, die Melanie am Gang vorbei gehen sah und mit einem fragenden Blick zurückkam. »Pack mir doch bitte zwei von diesen Paketen in den Rucksack«, bat sie und drehte ihr den Rücken zu.

      Melanie nahm zwei der Packungen, die jeweils drei Bücher beinhalteten, knotete den Schnappsack auf und hatte ihre Not, diese einzupacken.

      »Haben wir alles, was wir brauchen?«, erkundigte sich Ivy, während Melanie die Schnüre des Rucksacks zu band.

      »Ich denke schon. In deinen Rucksack passt genauso wenig rein wie in meinem. Meiner steht kurz vorm platzen«, lachte die Rothaarige.

      Gemeinsam gingen sie zu den anderen, die vor dem Alkoholregal standen. Grübelnd schauten sie sich die Whiskeyflaschen an. Es wurde zu einer Tradition bei jeder Tour eine Flasche des goldenen Gebräus mit ins Baumhaushotel zu nehmen, auch wenn im Lager Wein und Bier vorrätig waren. Als wäre es eine Belohnung ihrer Müh.

      »Welche wird es heute sein?« Thomas nahm eine eingestaubte Flasche aus dem Regal. »Ich denke wir nehmen ›Basil Hayden's‹. Einen Kentucky Straight Bourbon Whiskey. Mal gucken, wie der so ist«, fachsimpelte Thomas und steckte drei Flaschen in seinen Rucksack ein.

      »Wir sollten abhauen, so lange es noch nicht schneit«, schlug Sebastian vor. Gemeinsam liefen die Gruppe zum Ausgang

      Bryan zog die Kette durch die Griffe der Eingangstür um sie wieder zu sichern.

      Sebastian, Melanie, Ivy und Thomas schauten sich aufmerksam um, aber den einzigen Infizierten, den sie sahen, war der, den sie bei ihrer Ankunft antrafen. Er stand nur wenige Schritte von ihnen entfernt und Ivy beäugte ihn näher.

      Beinahe hypnotisiert trat sie auf ihn zu und bemerkte sein knöchernes Gesicht und die wenigen Haare, die im eisigen Wind umher wehten. Ihm fehlte ein Schneidezahn und er trug tiefe Wunden an seiner Schulter und dem rechten Oberschenkel. Sein Fauchen war leise und schwächlich. Sie konnte jede einzelne Rippe unter seiner dünnen Haut erkennen.

      Er streckte seine klappernden, abgemagerten Arme nach ihr aus, streifte zaghaft, beinahe liebevoll ihre Jacke und die Enttäuschung schien groß zu sein, als er sie nicht packen konnte. Seine Kraft schien ihn verlassen zu haben.

      Ivy ging einen Schritt zurück. Sie hatte die Wahl den Infizierten zu erlösen oder ihn stehen zu lassen.

      Sebastian nahm ihre Hand und bewog sie dazu, sich auf den Heimweg zu machen. Sie stapften in ihre alten Spuren in Richtung Baumhaushotel. Ihre Rucksäcke waren schwer und die Riemen schnürten sich schmerzhaft in ihre Schultern ein.

      Ivy drehte sich noch einmal zu der Kreatur um. Fast sehnsüchtig blickte der Infizierte ihnen nach, fauchte und streckte die Arme aus. Plötzlich rutschte es aus und fiel in den Pulverschnee hinein. Warum tut es mir leid, dich so zu sehen?, stutzte Ivy gedanklich. Weil niemand da ist, der dich erlösen könnte. Ich will es nicht. Heute nicht. Es ist kalt und ich will nach Hause. Während sie dem Wesen nach sah, flog eine dicke Schneeflocke herab und legte sich auf ihre Nasenspitze. Es begann erneut zu schneien.

      »Wir sollten nicht trödeln«, mahnte Thomas und sah mit besorgtem Blick ebenfalls in den Himmel. »Wir verlieren unsere Spur, wenn es jetzt wieder anfängt zu schneien.«

      *

      Seufzend folgte Ivy den anderen und nach eineinhalb Stunden Fußmarsch erreichten sie völlig erschöpft das Tor des Baumhaushotels. Klaas öffnete ihnen einen der Flügel und ließ sie herein.

      Während die anderen ihre Ausbeute ins Lager brachten, stapfte Ivy zu Ruperts Baumhaus, schritt die rutschigen Treppenstufen vorsichtig empor und klopfte an der Tür.

      Es polterte hinter dem Eingang und der Doktor öffnete diese. Verwundert blickte er sie an und ließ sie ins Wohnzimmer.

      Ivy zog die nassen Stiefel auf einem Teppichrest aus und sah sich schmunzelnd um.

      Das kleine Wohnzimmer hatte sich zu einer medizinischen Bibliothek umgewandelt. Überall lagen lose Zettel und Bücher herum.

      »Hier sieht es langsam aus wie in einer Bücherei«, lachte sie, hievte den schweren Rucksack auf die Couch und streckte ihren schmerzenden Rücken.

      Rupert lächelte ebenfalls und zuckte lapidar mit den Schultern. »Ich muss mich für die Krankenstation weiterbilden«, erklärte er, während er ein paar Bücher und Papiere wegräumte. »Wenn wir im Frühjahr die Räume einrichten wollen, dann braucht es ein System. Ich muss wissen, was wir benötigen, bevor wir zum Krankenhaus fahren … Und ich bilde mich in Naturheilkunde.« Er reichte ihr ein Buch über die Thematik und lächelte. »Evelyn hatte das gleiche Buch und im Frühling werden wir die Kräuter auf dem Gelände anpflanzen und so für Nachschub sorgen.«

      Ivy konnte sich ein fröhliches Grinsen nicht verkneifen. »Wow! Diese Euphorie in deinen Augen ist echt bemerkenswert, Rupert!«, staunte sie und er kicherte in den Vollbart. »Finde ich gut, dass du eine Aufgabe für dich gefunden hast. Ich hab' dir 'was mitgebracht.« Sie überreichte ihm die Notizbücher und blickte in leuchtende Knopfaugen, die sich hinter der Hornbrille des Witwers befanden.

      »Oh, vielen Dank!«, jubelte er und bekam noch einige Kugelschreiber dazu.

      »Willst du ein Buch über ärztliche Ratschläge in der Apokalypse schreiben?«

      Rupert wiegelte mit der Hand ab und prustete die Luft aus dem Mund heraus. »Ich habe viel nachgedacht, seit Ava sich umgebracht hat«, begann er zu erzählen, legte die Notizbücher auf den Tisch und sah in das verblüffte Gesicht von Ivy. »Ich will diesen Infektionsverlauf erforschen, denn als Ava sich umbrachte und Melanie mir vorher sagte, dass sie schwanger ist, stellte ich mir die Frage, ob der Fötus ebenfalls den Virus in sich trägt.«

      Skeptisch blickte sie ihn an und verschränkte erwartungsvoll die Arme vor der Brust. »Ernsthaft? Über solche Sachen machst du dir Gedanken?«

      »Was ist, wenn der Fötus gar nicht infiziert ist? Wenn er gesund und vielleicht sogar immun gegen den Virus ist?!«, mutmaßte Rupert grübelnd und stemmte die Hände in die speckige Hüfte.

      Ivy

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