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      Auch die anderen warfen ihm fragende Blicke zu.

      Plötzlich packte der Franzose den Corporal am Kragen und zog ihn an sich heran. »WIE!?«, schrie er ihn an und brach in Tränen aus. Er ließ ihn los und warf sich weinend auf die leblose Hülle.

      Railey stand betroffen auf, spürte die stechenden Blicke der Gruppe und seufzte. »Wir alle … verwandeln uns, wenn wir sterben«, antwortete er mit belegter Stimme.

      »WAS?!«, riefen sie fassungslos im Chor.

      Jerome raffte sich weinend auf, nahm Ava auf seine Arme und trug sie fort. Sein Weg führte den Franzosen zu den Bäumen, die in der Nähe der Mauer wuchsen.

      Betroffen schaute die Reisegruppe ihm nach.

      »Es ist vollkommen egal, wie wir sterben. Sicher ist, dass, wenn wir sterben, wir uns in sie verwandeln«, erklärte er in ruhigem Ton und sah Jerome nach. »Nur ein Stich in den Kopf beendet das Ganze.«

      Rupert hielt inne und dachte an Evelyn. Sie hat das alles schon lange vor uns gesehen. Deswegen hat sie sich per Kopfschuss umgebracht. »Dann ist es ja ähnlich wie mit dem Herpes Virus«, sinnierte Rupert und erntete fragende Gesichter. »Es braucht einen Trigger, einen Auslöser, um zum Vorschein zu kommen. Im Fall des Virus ist es der Tod. Der Biss beschleunigt den Vorgang durch die auftretende Infektion.«

      »Wie lange wusstest du das schon?«, fragte Melanie und schritt langsam auf den Corporal zu.

      »Schon von Anfang an. Es gab die Anweisung von ganz Oben, uns nicht beißen zu lassen«, antwortete er.

      Wütend schlug sie ihn mit der flachen Hand ins Gesicht und sorgte bei den übrigen für großes Erstaunen.

      Railey atmete tief ein und ertrug den Schmerz ohne mit der Wimper zu zucken.

      »Du Arschloch! Du hättest uns das sagen müssen!«, schrie sie ihn an.

      »Und was hätte es geändert?«, brüllte Railey zurück. »Gar nichts hätte sich geändert.«

      »Evelyn wusste es«, erwiderte Rupert bedrückt. »Sie wusste, was passiert, wenn man stirbt …«

      Railey nickte betroffen und rieb sich seine Wange.

      Aiden beobachtete Jerome, wie er ihren Körper an der Mauer lehnte und um sie weinte. Stumm ging der Hotelbesitzer ins Lager und holte ein weißes Laken für den Leichnam. Aber er brachte es ihm nicht, sondern hielt sich dezent zurück.

      Elmar nahm das Tuch, ging zu Jerome und legte es ihm vor die Füße. Die Gruppe beobachtete ihn dabei, wie er eine kurze Unterhaltung mit dem trauernden Ehemann führte. Jerome schüttelte den Kopf und Elmar ging wieder zurück. »Er will es allein machen«, seufzte der sanfte Hüne und nahm seinen Mann in den Arm.

      ***

      Kapitel 6

      Poughkeepsie, Baumhaushotel, Jeromes Haus

      8.Oktober, 20:30 Uhr

      Am Abend ging Ivy voller Sorgen noch einmal zu Jerome und hielt eine Schüssel Ravioli in den Händen. Zögernd betrachtete die Brünette die Tür, fasste sich ein Herz und klopfte seufzend.

      Einen Moment später öffnete sich diese langsam und der Witwer beäugte sie stumm. Er hatte den Zopfgummi aus seinem Haar genommen und die schwarze Mähne hing ihm im Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen, ließ er sie herein und setzte sich auf die Couch.

      Sie stellte das Essen auf den kleinen Tisch und hielt inne. »Darf ich mich setzen?«, erkundigte sie sich vorsichtig und er nickte. Sie nahm Platz und pausierte einen Moment. Schließlich nahm sie stumm seine Hand und streichelte sie. »Es tut mir so unendlich leid …«

      Behutsam umfasste er ihre Hand und Ivy sah ihn an. Sein tieftrauriger Blick fixierte den kleinen Tisch mit der Schüssel. Schließlich stand er auf, ging barfuß zu den Fenstern und starrte auf das frische Grab. Er hatte sie allein begraben, so wie er es Elmar gesagt hatte. In seiner Hand umklammerte er einen Zettel, den er aus der Hosentasche zog. »Sie hat mir einen Brief geschrieben«, sagte er, nachdem er eine Weile stumm aus der Scheibe sah. »Sie schrieb, dass sie mich über alles auf der Welt lieben würde und … Ich solle stark sein für uns … Es wäre nicht die Welt, in der sie leben will … in der sie kein Kind setzen will.« Jerome schaute Ivy vorwurfsvoll an. »Du wusstest, dass sie schwanger war, oder?«

      Ivy wich seinem Blick aus und das reichte ihm vollkommen als Antwort.

      Nickend wandte er sich dem Oberlicht zu. Er lehnte mit dem Kopf gegen die Scheibe, seufzte schwer und atmete tief ein und aus. »Railey hatte Recht … Sie war wie eine Barbie … perfektes Aussehen … Aber nicht geschaffen für diese grausame Welt … Sie war nicht so stark wie du oder ich«, sinnierte er vor sich her.

      »Ich bin nicht stark … Ich habe Angst«, erwiderte sie und erntete ein herablassendes Lächeln von ihm.

      »Du tötest ohne mit der Wimper zu zucken diese Kreaturen, als hättest du nie etwas anderes getan«, antwortete er ihr patzig und sah belächelnd aus dem Fenster.

      Ivy erhob sich, stellte sich neben ihn und musterte ihn mit ernstem Blick tief in die Augen. »Ich habe jeden Tag Angst … Angst zu sterben oder jemanden zu verlieren … Aber das treibt mich voran, bringt mich weiter, lässt mich durchhalten … Hat man keine Furcht mehr, wird man unvorsichtig und macht Fehler.« Behutsam ergriff sie seine Hand. »Es ist vollkommen okay, Angst zu haben.«

      »Ava hatte sich gefürchtet … Warum hat sie es getan?«, entgegnete er ihr mit ratlosem Blick.

      Ivy senkte den Kopf, zuckte hilflos mit den Schultern und wusste ihm keine Antwort zu geben.

      Er schniefte leise, wischte sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang und starrte wieder auf das Areal herab. »Ich würde gern allein sein.«

      Ivy nickte und verließ wortkarg sein Haus.

      ***

      Kapitel 7

      Poughkeepsie, Einkaufszentrum

      1.Januar 2013, 10:00 Uhr

      Welcher Wochentag es genau war, wussten sie nicht. Aber es spielte auch keine Rolle mehr. Die Zeit hatte sich geändert. Das letzte Haus wurde fertig gestellt und von Thomas bezogen.

      Rupert versuchte sich an alte Bauernregeln zu erinnern und spielte den Wetterfrosch. Er hatte sich aus verschiedenen Materialien eine Wetterstation mit einem Thermometer sowie einem Barometer gebaut. Jugend forscht, fand er.

      Die Außenposten wurden ebenso aufgebaut und boten einen guten Überblick über das Tor und die Straße davor. Über eine Winde konnte der Eingang von dort aus geöffnet und geschlossen werden. Die spanischen Reiter, die vor, seitlich und an das Tor angebracht wurden, machten einen guten Job und spießten die Toten auf, wenn sie zum Tor liefen.

      Wie stupide und gefährlich diese Infizierten zugleich sind, dachte Ivy immer, wenn sie zusammen die Toten von den Speeren zogen.

      Vor drei Wochen fing es an zu schneien. Solche Schneemassen kannten sie aus ihren Regionen in Deutschland nicht. Die Gefahr mit dem Auto im Schnee stecken zu bleiben, war zu groß.

      So blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu Fuß in die Stadt zu gehen. Der Fußmarsch wurde durch den knietiefen weißen Niederschlag mehr als erschwert.

      An der Mall angekommen, öffnete Bryan die Tür und lugte vorsichtig hinein. Auch wenn sie diese schon von den Kreaturen gereinigt hatten, konnte es dennoch passieren, dass sie irgendwo einen Eingang fanden. Die Luft war rein und er winkte Ivy, Melanie, Thomas und Sebastian ins Gebäude.

      Ivy blieb für einen Moment vor der Tür stehen. Ihr Blick richtete sich zu einem einsamen Infizierten, der im Schnee versuchte vorwärts zu kommen. Seine Schritte waren klein, abgehakt, beinahe wie ein Roboter, dessen Gelenke eingerostet waren. Es war ein trostloses Bild.

      Je kälter es wird, umso langsamer werdet ihr. Als würdet ihr einfrieren. Was für ein furchtsames Dasein, dachte Ivy, als sie in das eingefallene Gesicht des Infizierten

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