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wollten. Da kam ihnen mein Versöhnungsversuch gerade recht. Das mit der privaten Erkundigung war gelogen, weil ich in Wirklichkeit ein letztes Beweismittel dort besorgen wollte. Falls die Polizei weiter nachgeforscht hätte, hätten Martin und Philip mich gedeckt. Es hat aber niemand weiter recherchiert, weil es eh schon peinlich genug war, dass man das mit dem Doppelleben geglaubt hatte. Die Behörden haben ferner den Unfrieden in Miguels kleinem “Familienunternehmen” als interne Fehde interpretiert, was wir ja auch so arrangiert hatten. Für die Polizei war demnach alles geklärt, aber für Miguel bestand eine Menge Klärungsbedarf! Der Verantwortliche für diese Krise konnte nur einer sein, und das war Thomas McNamara. Deshalb musste Miguel mich auch unbedingt einkassieren. Denn mal ganz abgesehen von der maßlosen Wut, die er auf mich hat, könnte ich ja jederzeit und unvermutet wieder zuschlagen. Was für eine Demütigung und was für ein entsetzliches Risiko. Ich frage mich, warum mir das nicht schon lange klar war, dass Ramírez es mit der Versöhnungsgeschichte nicht auf sich beruhen lassen würde. Vielleicht wollte ich es auch nicht wahrhaben oder ich dachte, er würde das mit der Versöhnung schon deshalb glauben, weil wir das Dossier gar nicht ins Spiel gebracht hatten und hernach die Unruhe in seiner Organisation auch aufhörte, als ich meine Unschuld beweisen konnte. Tja, das Dossier. Es ist mein Verderben, weil es Miguels Behauptung untermauert, ich hätte ihn vom Thron stürzen wol­len. Ironischerweise stimmt das im Grunde sogar, nur dass ich nicht seine Position in der Organisation einnehmen, sondern ihn zur Beute haben und ins Gefängnis stecken wollte.

      Irgendwann wurde Thomas dann aber doch so müde, dass er einschlief. Am nächsten Morgen begann er allerdings schon zu fiebern, und seine Temperatur stieg auf über 39°C an. Diego, der direkt morgens um 7.00 Uhr bei seinem Patienten Fieber gemessen hatte, verabreichte ihm ein starkes Antibiotikum. Anschließend befahl er der Krankenschwester, am Bett des Amerikaners Wache zu halten und ihn sofort zu informieren, wenn irgendetwas Außergewöhnliches sein sollte. Schließlich wusste er genau, dass Miguel seinen Gefangenen lebend brauchte.

      Kapitel

       “Ich wusste es! Ich habe es immer schon gewusst! Da sieht man es mal wieder!”

      Jerry kochte, als er das Video gesehen hatte, auf dem Miguel Thomas im Hof fesseln und nackt ausziehen ließ, um ihn dann eigenhändig auszupeitschen.

      “Gott ist ein mieser kleiner Opportunist und...”

      “Jeremiah!”, fuhr ihm Maggie dazwischen, “versündige dich nicht!”

      “Wieso?!”, erwiderte Jerry sarkastisch, “Tom behauptet, dass jede Sünde vergeben wird bis auf diese Sünde wider den Heiligen Geist oder wie sich das nennt. Von daher wird Gott doch wohl nicht nachtragend sein. Das heißt, wenn es ihn überhaupt gibt!”

      “Solimár, das ist nicht witzig!”, beschwerte sich nun auch José, “ich verstehe ja, dass du entsetzt bist, wir alle sind geschockt. Aber deshalb musst du nicht Gott beschimpfen. Er kann nun wirklich nicht dafür, dass deinem Bruder all das angetan wurde.”

      “Nein, dafür kann Gott wirklich nichts”, giftete sich Jerry, “aber er hat es auch nicht verhindert, wo er doch so allmächtig ist. Warum hat er dem lieben Miguel nicht eins auf die Fresse gehauen und meinen Bruder befreit, hä?!”

      “Du bezweifelst, dass es Gott gibt?!”, horchte Eugenio jetzt nach.

      “Sag mal, seid ihr nun auf meiner Seite oder nicht?!”, erregte sich Jerry immer mehr, “mir scheint eher, dass nein.”

      “Hey, Solimár, wir stehen alle hinter dir”, versuchte Angelo, den Freund zu besänftigen, “aber es bringt nichts, sich so aufzuführen. Wir sollten besser überlegen, wie wir deinem Bruder helfen können.”

      “Und du hast bestimmt schon eine gute Idee”, knurrte Jerry.

      “Na ja”, pirschte sich Angelo heran, “ich denke, die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist, für ihn zu beten.”

      “Für ihn zu beten”, entgegnete Jerry mit einer beklemmenden Ruhe in der Stimme, “für ihn zu beten, das ist eine ausgezeichnete Idee. Weißt du, Angelo, du bist vielleicht ein Engel und hast einen guten Draht zu Gott. Aber was mich angeht, so kann mich der liebe Vater im Himmel mal am Abend besuchen. Vielen Dank, das muss ich mir nicht antun. Wenn ihr beten wollt, bitte sehr, aber ohne mich.”

      Damit verließ Jerry Josés Bar und verschwand im Dunkel der Nacht.

      Maggie und Jeremiahs Freunde sahen sich unheilschwanger an.

      “Willst du ihm nachgehen, Maggie?”, fragte Eugenio unsicher.

      “Ich weiß nicht, ob das was bringt”, erwiderte Maggie, “im Moment ist er für nichts und niemanden zugänglich, das habt ihr ja gemerkt. Wahrscheinlich ist es besser, wenn man ihn einfach nur in Ruhe lässt. Ich habe ihn noch nie so geschockt erlebt. Wisst ihr, da kommen zwei Sachen zusammen. Solimár hatte von Kindesbeinen an eine große Abneigung gegen Gott, weil er sich von ihm ohne Grund benachteiligt und verstoßen fühlte. Und durch dieses Abenteuer mit Thomas konnte er seine Vorbehalte gegen Gott schon ziemlich gut abbauen. Ich glaube, dass vor allem Lisas authentische Art ihm dabei sehr geholfen hat. Sie war nicht so perfekt wie die anderen frommen Leute, die Solimár kannte. Lisa hatte ebenfalls eine große Abneigung gegen Gott gehabt. Von daher konnte sich Solimár gut mit ihr identifizieren. Das hat ihn sehr befreit. Wir beide haben in der letzten Zeit oft über Gott gesprochen, und ich habe gemerkt, dass er sich sehr danach sehnte, eine unkomplizierte Beziehung zu ihm aufzubauen. Und nun passiert das hier. Sein Bruder, mit dem er sich endlich versöhnen konnte, wird von diesem Verbrecher verschleppt, gedemütigt und gefoltert. Wo ist da Gott? Warum hat Gott das nicht verhindert? Mit einem Mal ist diese zarte Pflanze des Vertrauens zu Gott zertreten worden.”

      Maggie senkte traurig den Blick.

      “Du verstehst es auch nicht, warum Gott das zugelassen hat, hab ich Recht?”, forschte José nach.

      “Stimmt”, seufzte Maggie, “aber wie gesagt, es bringt nichts, jetzt hinter Solimár herzulaufen und mit ihm über den Sinn oder Unsinn der Ereignisse zu diskutieren, weil er eh keinem Argument zugänglich ist. Wie ich ihn kenne, tut ihm das, was er gerade gesagt hat, bald schon wieder leid, und er schämt sich unendlich dafür. Aber selbst, wenn nicht, sollten wir wenigstens für Thomas beten. Ist das für euch okay?”

      “Na klar!”, freute sich José, und die anderen Leute stimmten zu.

      Also beteten sie zusammen für den Bundesrichter. Aber wahr­scheinlich beteten sie mehr für sich, weil sie ebenfalls nicht fassen konnten, warum Gott diese schrecklichen Dinge zugelassen hatte. Sie klagten Gott ihr Leid, in gewisser Weise klagten sie ihn auch an, sagten ihm, dass sie ihn nicht verstehen konnten. Aber sie beteten ebenfalls dafür, dass Gott Thomas Kraft geben möge, all das durchzustehen. Und sie baten ihn, den Bundesrichter aus den Händen des Drogenbarons zu befreien.

      Irgendwie fühlten sie sich anschließend besser, auch wenn es vielen von ihnen schwer gefallen war, ein Gebet einigermaßen frei zu formulieren. Oftmals kannten sie nur vorformulierte Gebete und wussten nicht so recht, wie sie ihre Bitten in Worte fassen sollten.

      Dann verabschiedete sich Maggie und meinte, sie wolle mal nach ihrem Ehemann sehen. Die anderen nickten verständnisvoll und bestellten ihr Grüße für den Freund. Und sie sollte ihm sagen, dass ihn seine Freunde trotz allem sehr lieb hätten und nicht böse auf ihn wären, weil er gerade so ausgeflippt sei.

       Maggie traf Jeremiah vor seiner alten Hütte an. Er saß auf dem Rand eines Bootes und starrte geradeaus. Der Mond stand am Himmel und warf sein silbernes Licht auf das Wasser. Die Atmosphäre wirkte kalt und gespenstisch. Jerry sah kurz zur Seite, weil er eine Bewegung vernahm und wandte sich wieder ab.

      “Darf ich mich zu dir setzen?”, horchte Maggie zärtlich nach.

      “Meinetwegen”, lautete die nicht gerade einladende Antwort.

      Maggie nahm also neben ihrem Mann Platz und sah ebenfalls auf das Meer. Keiner der beiden sagte ein Wort. Schließlich wurde Jerry die Stille zu lang.

      “Du sagst ja gar nichts”, meinte er

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