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so einer Leistung hätten sie große Hochachtung, und es gäbe keinen Grund, ihm etwas anzulasten. Im Gegenteil, es würde sich umso deutlicher zeigen, was für einen großartigen Charakter ihr Solimár hätte.

      Das Wiedersehen war dann einfach phänomenal gewesen. Und obendrein hatte man Jerrys kleine Hütte am Strand komplett renoviert. Du bist und bleibst einer von uns, Solimár, das hatten sie ihm sogar schriftlich gegeben in einem Brief, den sie ihm auf den Küchentisch gelegt hatten.

      Am Abend bereiteten sie Maggie und ihm eine rauschende Willkommensparty in Josés Kneipe. Nicht nur Jerry war überwältigt davon, Maggie ging es genauso, weshalb sie ihn jetzt auch so stürmisch umarmte. Überhaupt empfand Maggie die Atmosphäre hier als ausgesprochen angenehm. Sie hätte sich früher nie vorstellen können, dass ihr das karibische Lebensgefühl mal gefallen würde. Das Einzige, was sie noch nicht so gut beherrschte, war Spanisch. Aber da sie fleißig übte und Jerry sie sehr unterstützte, klappte es schon recht gut.

      Gegen Mitternacht schlug die Stimmung so hohe Wellen, dass niemand mehr dem Fernseher Aufmerksamkeit schenkte, der in der Kneipe stets eingeschaltet war. Weil José in der Steckdose seiner Kaffeemaschine plötzlich einen Kurzschluss hatte, benötigte er dringend eine andere und wollte den Fernseher ausschalten. Bei der Suche nach der Fernbedienung wurde Angelo fündig. Er warf sie José herüber, der mit halbem Auge mehr beiläufig auf den Bildschirm blickte. Allerdings zuckte der plötzlich wie elektrisiert zusammen und starrte wie gebannt auf den Fernseher. Deshalb flog die Fernbedienung wie ein Geschoss mitten in die Gläser hinter der Theke, die natürlich umstürzten und mit einem fürchterlichen Gepolter zu Boden gingen. Die anderen im Raum bekamen einen großen Schrecken und sahen ihn besorgt an. Aber José nahm von all dem gar nichts wahr. Statt dessen rief er in heller Aufregung: “Santísima virgen Maria! Mira allá! Ese hombre, es tu hermano, Solimár, no es cierto?” (Heilige Jungfrau Maria! Seht mal da! Dieser Mann dort, der ist dein Bruder, Solimár, nicht wahr?)

      Kapitel

       Lisa war todmüde, als sie nach Hause kam. Der Tag in der Klinik war unheimlich anstrengend gewesen, und sie war jetzt einfach nur genervt. Die Ärztin ließ sich erschöpft auf ihr gemütliches Sofa im Wohnzimmer fallen, nachdem sie sich ein Glas Rotwein eingeschenkt hatte und schaltete den Fernseher an.

      Einfach nur noch abhängen, dachte sie, wie gut, dass ich keinen Bereitschaftsdienst habe. Ich bin nämlich für nichts mehr zu gebrauchen. Und damit mich auf keinen Fall noch jemand erreichen kann, schalte ich mein Telefon und mein Handy aus.

      Der Rotwein und der Fernseher taten ihre Wirkung. Nach kurzer Zeit war Lisa auf dem Sofa eingeschlafen. Dementsprechend erschrocken fuhr sie hoch, weil sie sich im Schlaf herumgedreht hatte und dabei vom Sofa auf den Fußboden plumpste. Sie brauchte einige Sekunden, um sich darüber klar zu werden, was geschehen war.

      “Oh Mann”, murmelte sie genervt und rieb sich die schmerzende Stelle am Hinterkopf, “du wärst mal lieber direkt ins Bett gegangen, Lisa Rein­hards.”

      Also rappelte sie sich hoch und brachte zuerst die Flasche und das Glas in die Küche, weil sie wenigstens noch die Spätnachrichten sehen wollte, und die kamen gleich. Aber es gab keine besonderen Meldungen. Deshalb legte sie die Decke vom Sofa zusammen, ließ die Rolladen herunter und griff nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten. Nur gerade in diesem Moment kam noch eine aktuelle Nachricht herein. Der Moderator, der sie ankündigte, sah ziemlich geschockt aus. Das irritierte Lisa, weil diese Leute ständig schlechte Nachrichten bekannt geben mussten. Aber im nächsten Augenblick verstand sie, was den Moderator aufgewühlt hatte.

      “Oh mein Gott!”, stöhnte Lisa voller Entsetzen, “ich wünschte, das wäre nur ein Alptraum, obwohl es wirklich einer ist!”

      Denn bei dieser Meldung handelte es sich um das Video, das Caín von Thomas’ Entführung und Behandlung durch Miguel hatte aufzeichnen lassen. Lisa stand wie versteinert vor ihrem Fernsehgerät, und genau wie ihren Freunden in den USA und in Venezuela blieb ihr fast das Herz stehen, als sie sah, was Miguel mit Thomas alles anstellte. Aber was der Sache die Krone aufsetzte, war der Abspann. Als die Aufnahme damit endete, dass Thomas ins Bett gelegt wurde, wurde der Text “Fortsetzung folgt” eingeblendet.

      Lisa schaltete wie in Trance den Fernseher aus. Sie war wie betäubt, hatte das Gefühl, nicht mehr denken zu können, in ihrem Kopf drehte sich alles. Schließlich ging sie in die Küche, nahm eine Schlaftablette ein und legte sich ins Bett, weil sie am nächsten Morgen ja wieder fit sein musste. Trotzdem konnte sie nicht richtig schlafen und wenn sie doch einnickte, hatte sie schreck­liche Alpträume. Gegen 5.00 Uhr morgens erwachte sie und war völlig fertig.

      Ich brauche jetzt jemandem, mit dem ich über diese Sache reden kann, dachte sie. Weil niemand erfahren darf, dass ich Thomas persönlich kenne, da die Drogenmafia mich dann auch einkassieren wird, gibt es nur zwei Leute, die ich deshalb kontaktieren kann. Und das sind Christina und Leo. Christina hat gerade Bereitschaftsdienst, die kann ich also nicht anrufen. Bleibt nur noch Leo. Ich muss mit ihm reden, sonst werde ich verrückt.

       Also schaltete sie ihr Handy ein, weil sie sich einbildete, dass man damit am wenigstens nachvollziehen konnte, wen sie angerufen hatte und bekam fast einen Herzinfarkt, als ihr eine Flut von Anrufen auf der Mailbox angezeigt wurde. Es handelte sich dabei allerdings immer nur um drei Nummern, und zwar die von Martha, Laetitia und Leo. Zunächst lauteten alle Nachrichten immer nur, sie solle sie dringendst zurückrufen, es hätte oberste Priorität, wenn nein, könnte noch eine Katastrophe geschehen. Später zeigte das Handy aber nur noch ‘Anruf ohne Nachricht’ auf der Mailbox an.

      Weil sie der Meinung war, dass es das Beste wäre, Leo zu kontaktieren, rief sie ihn umgehend zurück.

      “Leo, was um alles in der Welt ist passiert?!”, stieß sie wie gehetzt hervor.

      “Gott sei Lob und Dank, dass du dich endlich meldest!”, befand Leo erleichtert, “Lisa, Thomas ist von Miguel Ramí­rez...”

      Aber da wurde er von der Ärztin direkt unterbrochen.

      “Du weißt es also auch!”, stöhnte die Deutsche.

      “Ja, es kam hier gestern Abend in den Nachrichten. Allerdings hatte mich Martha schon am frühen Nachmittag infor­miert.”

      Und dann erzählte der Pilot ihr alles, was die Juristin ihm mitgeteilt hatte.

      “Wir sind so lange nicht in Gefahr, wie Thomas dicht hält”, schloss Leo, “allerdings dürfen wir uns auch nichts anmerken lassen. Ferner besteht meiner Meinung nach eine kleine Beruhigung für uns darin, dass Miguel wohl zunächst auch nicht versuchen wird, jemand aus Thomas’ Umfeld zu entführen, weil dann das Argument mit dem Doppelleben nicht mehr schlüs­sig ist. Und außerdem will Ramírez sich erst mal an Thomas rächen. Was hat dieser Verbrecher nur für ein angekratztes Ehrgefühl, dass er zuerst einmal seinen Gegner derart vorführen will. Gleichzeitig ist es aber auch ziemlich clever, mit Thomas so zu verfahren und alles obendrein noch zu veröffentlichen. Schließlich könnte das Thomas’ Verbündete auf den Plan rufen, so dass die versuchen würden, ihn zu befreien.”

      Lisa stöhnte nur noch mehr.

      “Und verplappere dich nicht”, fügte Leo an, “wenn du mit anderen Leuten über dieses Video sprichst so wie damals bei Peter Myers.”

      “Ja, klar Leo, ich werd’s mir merken”, seufzte Lisa.

      Es entstand eine Pause.

      Schließlich nahm Lisa das Gespräch nochmal auf.

      “Leo”, setzte sie an, “Leo, kannst du jetzt verstehen, warum ich damals nicht sofort nach Südamerika zurückkommen wollte? Weißt du, der Boden ist mir dort einfach zu heiß. Ich bin nicht mehr sicher. Die könnten mich schneller einkassieren, als ich ‘papp’ sagen kann.”

      “Hm, ich verstehe es, und dann auch wieder nicht”, erwiderte Leo ruhig, “weißt du, ich verstehe deine Angst. Aber wenn diese Leute dich entführen wollen, dann bist du vor denen nirgendwo sicher. Thomas wurde ja von seinem Arbeitsplatz weg verschleppt, und diese Entführung wurde sogar noch auf Video aufgezeichnet.

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