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Der Preis der Wahrheit. Stefanie Hauck
Читать онлайн.Название Der Preis der Wahrheit
Год выпуска 0
isbn 9783738043181
Автор произведения Stefanie Hauck
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die beiden schwiegen eine Weile. Dann aber meinte Leo: “Lisa, ich möchte, dass du weißt, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst. Dennoch bitte ich dich, extrem vorsichtig zu sein, falls du mich anrufst. Es darf uns niemand belauschen. Wenn du mich also kontaktierst, dann frag zuerst, ob ich frei sprechen kann. Dann kann ich ja oder nein sagen. Sollte ich nein sagen, legst du sofort auf. Ich werde dann ein wenig so tun, als wenn ich noch telefoniere, damit niemand Verdacht schöpft. Alles klar?”
“Ja, das ist wirklich sehr clever von dir.”
“Ruf ferner auf keinen Fall Martha an, sondern Tante Laetitia und vermittele ihr durch die Blume, dass du Bescheid weißt. Wenn du sie kontaktierst, kannst du es so erscheinen lassen, als wenn du dich mal wieder bei ihr melden und erzählen willst, wie es dir so geht.”
“Hm.”
“Lisa, du bedeutest mir sehr viel”, befand der Venezolaner, “es ist schon schlimm genug, was Thomas zugestoßen ist. Aber ich will nicht, dass du auch noch unter die Räder kommst. Das würde mir das Herz brechen.”
“Danke Leo”, erwiderte die Ärztin, “ich danke dir für alles. Du bist echt der beste Freund, den ich habe.”
“Das freut mich”, fand er, “und geh bitte zur Arbeit. Das lenkt nämlich am besten ab.”
“Na klar, das mache ich. Heute werde ich mich allerdings krank melden. Ich bin so fertig, dass ich mich nur sehr schwer konzentrieren kann und dann mache ich Fehler. Okay, dann bis bald, Leo, und nochmals danke, dass ich auf dich zählen kann.”
“Klar, das ist doch selbstverständlich.”
“Okay, mach’s gut.”
Damit legte Lisa auf.
Leo sah seinerseits auf das Display seines Handys und dachte ein wenig missmutig: Wenn ich der beste Freund bin, den sie hat, warum ist sie dann nicht sofort zu mir zurückgekommen?! Das Argument mit dem zu heißen Boden ist ja jetzt definitiv hinfällig, das hat sie sogar selbst eingesehen. Oh diese elenden McNamaras! Wenn die mir damals nicht in die Quere gekommen wären, dann könnten Lisa und ich jetzt theoretisch schon verheiratet sein. Ich wollte ihr genau an dem Tag meine Liebe erklären, als wir zum ersten Mal diese Amerikaner getroffen haben. Und dann ging alles so schnell. Aber wahrscheinlich bin ich für sie eh nur ein Kumpel, und sie ist dort in Hamburg schon mit einem von ihren Kollegen liiert. Wer kümmert sich da noch um einen Taxipiloten im venezolanischen Dschungel! Warum habe ich Idiot nur so lange gewartet mit meiner Liebeserklärung!
Kapitel
Was Thomas allerdings anging, so konnte der nun wirklich nicht schlafen. Er verspürte nämlich nicht nur sehr intensiv den Sonnenbrand, sondern hatte zudem höllische Kopfschmerzen von dem Sonnenstich, den er bekommen hatte. Und mal abgesehen davon fühlte er sich auch insgesamt sehr unwohl, weil er nackt im Bett lag. Zum einen hatte es ihm nie gefallen, ohne Schlafanzug im Bett zu liegen. Und zum anderen empfand er es als doppelt bedrohlich, nackt gefesselt zu sein, weil Kleidung für ihn zumindest psychologisch einen Schutz darstellte.
Oh Gott, dachte Thomas, Gott, was habe ich getan, dass du mich in so eine Situation kommen lässt? Damals, als Lisa mir das Band aus der einsamen Villa vorgespielt hat, habe ich dir dafür gedankt, dass mir diese Leiden alle erspart geblieben sind und nun? Okay, ich bin nicht in einem “Privat”-Kerker unter der Erde eingesperrt, an dessen Tür ein feines Messingschild mit meinem Namen angebracht ist. Aber wenn ich mir überlege, dass dieser Mistkerl sozusagen unter freiem Himmel schon so selbstsicher Leute misshandelt und demütigt und das alles dokumentiert, würde es mich nicht wundern, wenn das mit dem Verlies bald auch noch drankäme. Gott warum? Ist das die Strafe dafür, dass ich jahrelang andere Menschen tyrannisiert habe, auch wenn diese mir vergeben haben? Gott, ich habe solche Angst, sie schnürt mir fast die Kehle zu. Was wird dieser Mistkerl alles mit mir anstellen?! Und ich kann mich noch nicht einmal wehren! Das Beweismaterial, das ich immer als Lebensversicherung angesehen habe, ist gar keine Lebensversicherung, denn Miguel hat ja deutlich gesagt, dass nur jemand sein nettes kleines Familienunternehmen derart ins Wanken bringen konnte, der detaillierte Kenntnisse darüber hatte. Und die habe ich allerdings. Jetzt wird mir auch klar, warum Ramírez alles auf Video aufgenommen hat. Das ist seine Rückversicherung, falls ihm jemand vorwerfen will, dass er mich verschleppt hat. Natürlich hat er mich verschleppt, aber er kann dann immer behaupten, dass ich ein Doppelleben geführt habe und er sich an mir rächen will. Und da wird die Polizei keinen Finger mehr krumm machen, um mir zu helfen oder mich herauszuhauen. Wie praktisch, wenn ein Verbrecher seinen Konkurrenten erledigt. Oh mein Gott, das ist ja noch tausendmal schrecklicher als damals dieser Horrortrip durch den Dschungel. Damals war Jeremiah wenigstens dabei, wir waren in gewisser Weise freie Männer, wir konnten noch was machen. Aber hier kann ich gar nichts mehr machen. Ich gehöre wirklich diesem Schweinehund. Mein Leben ist ganz und gar in seiner Hand. Und dabei dachte ich immer, Gott, dass mein Leben in deiner Hand ist. Das haben sie uns jedenfalls in der Sonntagschule erzählt und später auch in den Predigten im Gottesdienst. In dieser Situation kommt mir das wie ein Hohn vor, und ich frage mich, aus welchem Grunde du mich fallengelassen hast, Gott. Ja, nicht nur fallengelassen, sondern ganz verlassen. Wie gottverlassen muss sich Jeremiah oft gefühlt haben, wo sein Vorname obendrein noch “Gott hat ihn verlassen” bedeutet. Nun gut, Lisa hat gesagt, die Bedeutung des Namens Jeremiah ist nicht eindeutig zu klären, es könnte auch “Gott hat ihn aufgerichtet und zu Ehren gebracht” bedeuten. Und Jeremiah wurde aufgerichtet... aber von wem? Ich hätte normalerweise immer gesagt, von dir, Gott. Oder war das nur ein schöner Zufall? Alles nur Zufall, dass wir Lisa getroffen haben, alles Zufall, dass Leo die Idee hatte, dass Lisa mit uns nach Deutschland reisen sollte und die Lage in den Staaten peilen. Das war nämlich sehr selbstlos von ihm. Ich wette zehn zu eins, dass Leo total verknallt war in Lisa. Ehrlich gesagt wundert es mich, dass die nicht ein Paar waren. Und ich glaube auch, dass Lisa ihn ebenfalls sehr nett fand. Na, wie dem auch sei, war es nur ein Zufall, dass Lisa uns die Plätze für die Überfahrt nach Amerika klarmachen konnte und wir später nicht entdeckt wurden, als wir bei Tante Laetitia untergetaucht sind? Alles nur Zufall, dass Leo nachher die Idee gekommen ist, welcher Satz hinter dem Passwort steckte und dass er es obendrein fast geknackt hat? Und war es nur ein Glücksfall, dass die Leute mir vergeben haben? Irgendwie kann ich das immer noch nicht verstehen, dass sie dazu fähig waren, wo ich sie über eine so lange Zeit hinweg derart schrecklich tyrannisiert habe. Miguel hat gesagt, dass jeder, der sich mit ihm anlegt, dafür bezahlen muss. Und fast kommt es mir vor, als wäre heute nicht nur Zahltag für mich ihm gegenüber, sondern auch dir gegenüber, Gott. Es erscheint mir, als würdest du mich zur Rechenschaft ziehen für all das, was ich anderen angetan habe, wenn auch nicht aus derart niederen Motiven wie dieser Drogenbaron. Oh Gott, ich darf gar nicht darüber nachdenken, was der Kolumbianer noch mit mir anstellen wird, wenn er sich an mir rächen will. Das wird die Hölle auf Erden, das wird so furchtbar sein, dass ich wünschte, ich würde lieber sterben und einfach nicht mehr da sein.
Für einen Moment schloss Thomas voller Grauen die Augen und wandte dann seinen Blick einem kleinen Fenster zu, das neben seinem Bett war. Ganz in der äußersten Ecke sah er einen Stern, von dem er fast den Eindruck hatte, er hätte genau in dem Moment geblinkt, als er ihn wahrgenommen hatte.
Als hätte er mir zugezwinkert, dachte Thomas, genauso sah der Stern aus.
Aber dann fiel ihm noch etwas anderes ein.
Was wohl meine Familie und meine Freunde machen? fragte er sich, und meine Kollegen, sowohl die in Washington als auch die ehemaligen in New York? Hoffentlich tut Ramírez denen nicht ebenfalls etwas Schlimmes an.
Thomas wurde ganz schlecht bei dem Gedanken und das, obwohl es ihm selbst schon dreckig ging.
Allerdings wurde ihm sofort klar, dass Miguel Leuten aus seinem Umfeld deshalb nichts antun würde, weil das Argument mit dem Doppelleben dann nicht mehr funktionierte.
Ramírez weiß, dass ich detaillierte Kenntnisse über seine Organisation habe, dachte der Bundesrichter, das war und ist für ihn ein Schock. Die Behörden in den Staaten haben die Version mit der Versöhnung