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reden”, seufzte Jerry und nahm sie in den Arm, “was würde ich bloß ohne dich machen? Ich könnte diese schreck­liche Situation allein überhaupt nicht aushalten!”

      “Schon gut”, meinte Maggie sanft und drückte ihn an sich.

      “Und was ich noch sagen wollte”, fuhr Jerry fort, “es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen.”

      “Du hast mich nicht verletzt”, beruhigte ihn Maggie, “aber ich weiß, dass du dich von zwei Personen verletzt fühlst. Die eine Person ist Miguel Ramírez, weil er deinen Bruder so grauenhaft behandelt. Aber die andere Person ist Gott, weil du dich von ihm verarscht fühlst. Irgendwie warst du Gott in der letzten Zeit näher gekommen, und jetzt ist er fort wie ein Nebel, ja, schlimmer noch. Du hast das Empfinden, als wenn er sich bei dieser Schwierigkeit aus dem Staub macht und sich nicht mehr um dich und deinen Bruder kümmert. Ich nehme an, dass dir das mindestens so weh tut wie die Tatsache, mit ansehen zu müssen, was Miguel mit deinem Bruder alles anstellt und nicht helfen zu können.”

      “Kannst du Gedanken lesen?”, wunderte sich Jerry.

      “Natürlich”, entgegnete Maggie mit stoischer Ruhe, “ich habe ja schon jahrelang deinem Bruder in meiner Zeit als seine Sekretärin die Empfindungen und Wün­sche von den Augen abgelesen. Von daher hatte ich eine Menge Zeit, an dem einen der McNamara-Brüder zu üben. Warum sollte ich das bei dir nicht ebenfalls können?”

      Jerry musste lachen.

      “Ja, ja, du hast Recht, und zwar in sämtlichen Punkten. Es ist wirklich unglaublich, wie gut du dich in mich hineinversetzen kannst. Das zeigt mir auch dein Ausspruch ‘Du fühlst dich von Gott verarscht.’ Normalerweise benutzt du nie solche vulgären Ausdrücke wie ‘verarscht’, aber das ist jetzt genau das richtige Wort.”

      Es entstand eine Pause. Dann nahm Jerry das Gespräch noch mal auf.

      “Maggie”, pirschte er sich unsicher und ein wenig ängstlich heran, “ich nehme an, ihr habt für Tom gebetet?”

      “Ja, das haben wir.”

      “Maggie, meinst du, dass eure Gebete weniger oder gar nich­ts bewirken, nur weil ich Gott so beschimpft habe? Das fände ich nämlich absolut schreck­lich.”

      “Würdest du dich dann bei ihm entschuldigen?”, horchte Maggie nach.

      “Wenn es Einfluss auf die Erhörung der Gebete hätte, dann auf jeden Fall!”

      “Oh Jeremiah”, seufzte Maggie, “Gott kennt doch dein Herz. Er weiß, wie enttäuscht du von ihm bist. Du hast all die hässlichen Sachen doch nicht gesagt, um dich über ihn lustig zu machen. Wie viele Leute tun das! Sie kommen sich so clever vor und versuchen, Gott wegzudiskutieren. Als Argumente führen sie dann ihre genialen Forschungsergebnisse an, was im Umkehrschluss nicht heißt, dass Forschung sich gegen Gott richtet. Aber auf die Motivation kommt es an. Denn wenn Gott etwas Positives getan hätte, hättest du nicht gesagt, dass es ein günstiger Zufall war, sondern hättest Gott dafür gedankt.”

      “Hm, stimmt”, murmelte Jerry verschämt.

      “Glaub mir, wir sind alle sehr geschockt, und es fällt uns schwer, mit der Situation umzugehen, wir können es nicht verstehen. Vielleicht empfindest du das, was ich jetzt sage, als blöden Spruch, aber ich sage es dir trotzdem. Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. In Bezug auf deinen Bruder ist das furchtbar bitter. Aber ich kann nicht glauben, dass sein Leiden ein sinnloses Leiden ist.”

      “Das hast du sehr lieb gesagt, Maggie”, befand Jerry milde, “und es hat mir sehr geholfen. Komm, lass uns ins Bett gehen. Ich befürchte allerdings, dass ich jetzt eh nicht schlafen kann.”

      Kapitel

      Nach gut einer Woche war Thomas fieberfrei und wieder einigermaßen fit. Deshalb schaute Miguel jetzt bei ihm vorbei in Begleitung des Kameramanns.

      “Mein Arzt hat mich informiert, dass Sie wieder gut bei Kräften sind”, befand der Drogenbaron und setzte sich auf Thomas’ Bettkante.

      “Es geht so”, entgegnete der Bundesrichter.

      “Nun, ich habe auch nicht vor, Sie unnötig zu belasten, ehe Sie nicht komplett wiederhergestellt sind”, fuhr Miguel fort, “aber ich möchte schon mal unmissverständlich einige Regeln erklären. Als Caín Sie bei mir ablieferte, sagte er, dass Sie jetzt mir gehören. Somit ist Ihr Leben mehr als nur in meiner Hand. Sie sind mein Eigentum. Rechtlich gesehen sind Sie daher eine Sache, genau wie ein Sklave. Und deshalb möchte ich, dass es dafür ein sichtbares Kennzeichen an Ihrem und an meinem Körper gibt. Einem Sklaven hat man im Altertum einen Ohrring verpasst. Das werden wir jetzt bei Ihnen auch machen. Sie erinnern sich ja bestimmt noch daran, dass Ihre Manschettenknöpfe noch gebraucht wurden. Ich habe nämlich meinen Juwelier gebeten, sie umzuarbeiten. Für Sie hat er mir den Ohrring gemacht und für mich einen Siegelring. Praktischerweise hatten die Manschettenknöpfe die 585er Legierung, so dass man daraus den Ohrring in der wesentlich härteren 375er Legierung herstellen konnte, die aber weniger wertvoll ist wegen des geringeren Goldanteils. Aufgrund dessen konnte ich meinen Siegelring in der weicheren 750er Legierung arbeiten lassen, die natürlich auch wertvoller ist.”

      Miguel machte eine Pause und musterte sein Gegenüber unmerklich. Keiner der beiden Männer sagte ein Wort, aber man konnte sich ganz klar vorstellen, was die beiden jetzt dachten.

      “Allerdings hätte ich es schade gefunden, zwei Schmuckstücke ohne jegliche Verzierungen arbeiten zu lassen. Deshalb habe ich mir gedacht, es wäre doch äußerst passend, wenn man daran sehr klar erkennen kann, welchen Status jeder von uns beiden hat. Zu diesem Zweck habe ich auf meinem Siegelring eine Waage prägen lassen, so wie man sie symbolisch in Zusammenhang mit der Justiz darstellt. Ich hoffe, mein Juwelier hat sie auch korrekt gearbeitet. Von daher wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sozusagen als Fachmann auf dem Gebiet das bestätigen könnten.”

      Ramírez hielt seinem Gefangenen den Ring mit spielerischer Leichtigkeit unter die Nase, damit der ihn begutachten konnte.

      “Sie haben einen sehr fähigen Juwelier”, entgegnete Thomas freundlich, “doch, er hat alles exzellent gearbeitet.”

      Und im Stillen dachte er: Vielleicht solltest du Namensänderung beantragen, Miguel Ramírez. Das erinnert mich hier ziemlich an den französischen Absolutismus. Von daher wäre Louis der passendere Vorname. Ebenfalls nicht schlecht wäre als Spitz­name “Sonnenkönig”. Klingt auch hübscher als Drogenbaron. Und in gewisser Weise kann ich dich sogar ein bisschen verstehen, dass dich das unheimlich ärgert, dass meine Berufsbezeichnung “Justice” ist. Das hört sich für dich an wie “das Recht in Person”. Und ehrlich gesagt habe ich das früher ja selbst so gesehen.

      “Da bin ich aber beruhigt”, riss Miguel ihn aus seinen Gedanken, “und nun zu Ihnen. Auf Ihrem Ohrring habe ich eine Gravur anbringen lassen, genau wie die eines Eherings. Nun, den brauchen Sie jetzt nicht mehr, allerdings bekommen Sie einen gleichwertigen Ersatz. Bei einer Hoch­zeit verbinden sich ja zwei Menschen lebenslang miteinander, und in deren Ringen sind das Datum der Eheschließung und der Name des Partners eingraviert. Ich dachte mir, dass das doch auch gut zu diesem Ohrring passen würde. Deshalb lese ich Ihnen mal vor, was hier steht.”

      Miguel hob den Ring ein wenig ins Licht und las: “Propiedad de Miguel Ramírez. Enero mil novecientos noventa y siete. Na, wie finden Sie das?!”

      Thomas runzelte die Stirn, weil er so gut wie nichts verstanden hatte bis auf den Namen.

      “Oh Verzeihung”, bemerkte Miguel, “Sie sagten ja bereits, dass Sie kaum Spanisch beherrschen. Dann werde ich Ihnen das mal übersetzen. Nun, es bedeutet ‘Eigentum von Miguel Ramírez. Januar 1997’. Ist das nicht entzückend? Darauf können Sie sich verlassen, Dr. McNamara, wir werden uns erst trennen, wenn der Tod uns scheidet. Und dieser Ohrring wird Sie immer wieder daran erinnern.”

      Thomas blieb die Spucke weg. Dass dieser Mann ihn als Sache bezeichnete, das empfand er ja schon als unglaublich empörend, aber dass der auf dem Ohrring

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