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Mal und musste zweimal hinschauen, da ich meinen eigenen Augen nicht traute. Kurz fragte ich mich, ob dieses Mädchen wirklich Poppy war. Als sie jedoch näherkam, bestand kein Zweifel mehr.

      Poppy schlüpfte in ihren Mantel und schlang sich den Schal um den Hals, während sie auf mein Auto zulief. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid, darunter eine graue, durchlöcherte Strumpfhose und ihre heißgeliebten Doc Martens. Doch ihre Kleidung war nicht das, was mich derart aus der Fassung brachte, nein, es waren ihre Haare.

      Verschwunden war die graue Farbe, die sie vor ein paar Monaten unbedingt hatte haben wollen. Stattdessen leuchteten ihre Haare nun in einem knalligen Blau.

      Die Tür öffnete sich, Poppy stieg ein und ließ sich auf den Sitz fallen. Ich konnte nicht anders und so starrte ich sie für ein paar Sekunden lang einfach nur an. Offen gesagt, sah das Blau nicht mal so übel an ihr aus. Im Gegenteil. Die blauen Locken ringelten sich um ihr herzförmiges Gesicht und verliehen ihr in gewisser Art und Weise etwas Wildes, Ungestümes. Auch hatte sie sich die Haare etwas kürzer geschnitten. Sie reichten ihr jetzt nur noch bis zum Kinn.

      Jedoch gab es fast immer einen Grund dafür, wenn Poppy sich die Haare färbte. Meistens war es ein Zeichen dafür, dass etwas in ihrem Liebesleben nicht ganz nach ihren Vorstellungen lief.

      »Wow«, meine Brauen schossen in die Höhe. »So schlimm?«

      »Kein Wort, bevor ich nicht meine übliche Dosis Kaffee und meine Tagesration Zucker zu mir genommen habe«, entgegnete sie schroff und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust, nachdem sie sich angeschnallt hatte.

      Schon lange hatte ich Poppy nicht mehr derart schlecht gelaunt erlebt. Irgendetwas musste wohl vorgefallen sein. Dennoch kam ich ihrer Bitte nach. Wir sprachen kein einziges Wort während der Fahrt. Ihr Zuliebe ließ ich sogar ein paar Black Music Songs laufen. Doch nicht einmal Kid Ink schaffte es, ihre heutige Laune zu bessern.

      Einen Kaffee und zwei Donuts später saß Poppy mir gegenüber im Starbucks Café. Nervös knabberte sie an einem ihrer Fingernägel und wippte ununterbrochen mit ihrem Fuß unter dem Tisch. Ich stieß ein entnervtes Schnaufen aus.

      »Poppy, so langsam machst du mich auch nervös. Jetzt spuck endlich aus was passiert ist.«

      Ergeben ließ sie von ihren Fingernägeln ab und starrte in ihren Kaffee.

      »Lukas und ich haben uns gestritten.«

      »Gestritten?«, verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Hast du ihm von Timmys Kuss erzählt?«

      Dies war die einzig logische Erklärung für einen Streit. Allerdings fragte ich mich, weshalb es überhaupt erst zu einem Streit hatte kommen können. Lukas besaß durchaus eine eifersüchtige, besitzergreifende Art. Jedoch konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er Poppy für etwas verantwortlich machte, worauf sie keinerlei Einfluss hatte - Timmys Gefühle.

      »Ja das habe ich«, niedergeschlagen senkte sie den Kopf. »Ich habe Lukas noch nie so sauer erlebt.«

      Empört riss ich die Augen auf, war Lukas tatsächlich derart aus der Haut gefahren? Selbstverständlich war es nur natürlich, dass ihm die Vorstellung, wie ein anderer Junge seine Freundin küsste, nicht gefiel. Doch deshalb einen Streit vom Zaun zu brechen, obwohl Poppy keinerlei Schuld traf, kam mir doch etwas übertrieben vor.

      »Du hast Timmys Kuss doch nicht einmal erwidert. Er hat doch gar keinen Grund, auf dich sauer zu sein?«, ungläubig schüttelte ich den Kopf und versuchte zu verstehen, was in meinem Bruder wohl vorging.

      Unterdessen wartete ich darauf, dass Poppy mir zustimmte, wartete darauf, dass ihr hitziges Gemüt ausbrach. Ich hatte sogar halb damit gerechnet, dass sie über meinen Bruder zu schimpfen begann. Aber sie schwieg. Ihre Lippen waren verstummt.

      Das passte nicht zu Poppy.

      Verwirrt hob ich den Kopf. Ein einziger Blick in ihr Gesicht genügte, um zu erkennen, dass hier etwas nicht stimmte. Ich sah es ihr an. Schuldbewusstsein spiegelte sich auf ihren Zügen wider. Mit einem Mal beschlich mich das Gefühl, dass Lukas womöglich nicht ohne Grund wütend auf Poppy gewesen war.

      »Poppy?«, zweifelnd versuchte ich ihren Blick aufzufangen. »Du hast den Kuss doch nicht erwidert oder?«

      Timmy hatte zwar erzählt, sie hätte ihn zurückgewiesen, aber eine andere Erklärung kam mir spontan nicht in den Sinn. Ich beobachtete, wie Poppys Kopf bis hin zu den Haarwurzeln hochrot anlief. Energisch schüttelte sie den Kopf.

      »Spinnst du?«, wandte sie entrüstet ein.

      »Was ist dann geschehen?«

      Wieder wandte sie ihr Gesicht ab und Unbehagen schien sich in ihr auszubreiten. Ich konnte ihr förmlich ansehen, wie sie sich unter meinem Blick zu winden begann.

      »Naja…«, begann sie zögerlich. »Vielleicht habe ich etwas gesagt, das ihm nicht so wirklich gefallen hat. Oder vielmehr… gar nichts gesagt.«

      Poppy begann verlegen mit ihren beiden Zeigefingern aneinander zu tippen. Sie brachte mich langsam aber sicher wirklich auf die Palme.

      »Herrgott Poppy, jetzt sag endlich was passiert ist und hör auf, um den heißen Brei zu reden.«

      Poppy nahm einen tiefen Atemzug, ehe sie mit der Wahrheit rausrückte.

      »Nachdem ich Lukas von Timmys Kuss erzählt hatte, wollte er wissen, ob ich Gefühle für ihn habe.«

      »Was hast du dann gesagt?« Instinktiv hielt ich die Luft an.

      »Na, dass Timmy und ich befreundet sind.«

      Etwas sagte mir, dass dies nur die halbe Wahrheit war.

      »Und weshalb habt ihr dann gestritten?«, hakte ich nach. Poppy zuckte lediglich mit den Schultern.

      »Daraufhin hat er gefragt, ob ich mehr als freundschaftliche Gefühle für Timmy hege.«

      Poppy raubte mir tatsächlich noch den letzten Nerv. Man musste ihr heute aber wirklich alles aus der Nase ziehen.

      »Ja und wie war deine Antwort?«, verlangte ich erneut zu wissen.

      »Nichts«, Poppys Wangen begannen wieder zu glühen. »Ich habe nichts geantwortet.«

      Ich brauchte ein paar Sekunden, um ihre Worte zu realisieren. Meine Brauen schossen überrascht in die Höhe.

      »Wie nichts? Du hast gar nichts erwidert?«, meine Augen wurden groß. Peinlich berührt schüttelte sie den Kopf und begann am Nagel ihres Zeigefingers zu knabbern.

      »Und warum hast du nichts darauf gesagt?« Innerlich begann ich zu ahnen, was der Grund für Poppys Reaktion auf Lukas‘ Fragen war. Doch ich wollte es von ihr hören.

      »Ich weiß es nicht!«, Poppy warf verzweifelt die Hände in die Luft. »Ich habe absolut keine Ahnung! Ich wollte ihm sagen, dass ich für Timmy nur freundschaftliche Gefühle empfinde, aber …«, Tränen traten in ihre Augen und in diesem Moment wirkte sie unglaublich verzweifelt.

      »Du konntest es nicht«, beendete ich ihren Satz. Poppy nickte und die erste Träne rollte ihr übers Gesicht. Mitfühlend legte ich meine Hand über die ihre.

      »Ich verstehe das ja selbst nicht einmal. Ich dachte immer wir wären nur befreundet. Und dann küsst er mich!«, Fassungslosigkeit und Wut spiegelten sich auf ihren Zügen wider. »Weshalb ist er nicht früher mit seinen Gefühlen rausgerückt? Was fällt ihm ein? Ich bin in einer Beziehung. Jetzt bin ich völlig durcheinander!«, die Tränen flossen und flossen. Poppy tat mir unendlich leid.

      »Kann es vielleicht sein, dass Timmy dir doch mehr bedeutet, als du dir selbst eingestehen willst?«, ich versuchte meine Worte mit Bedacht zu wählen, offenbar war dies ein sehr sensibles Thema. Denn dieses Verhalten entsprach so rein gar nicht der Poppy, wie ich sie kannte. Ich kannte sie als stets selbstbewusste Frau. Eine Frau, die einen Plan vor Augen hatte, die klar und deutlich wusste, was und wen sie wollte.

      Aber diese Poppy hier, die nun vor mir saß und weinte wegen zweier Männer, eine Poppy, die weinte, weil sie nicht wusste, wen sie

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