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hätte er mein Starren bemerkt, hob Logan in diesem Moment den Kopf und sah direkt zu mir rüber. Unsere Blicke begegneten sich. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich das stechende Blau seiner Augen erkennen. Ich rechnete bereits damit, dass er sofort den Blick abwenden würde, sich wieder zurückzog, um bloß keine Empfindungen zeigen zu müssen. Doch er tat es nicht. Seine Augen blieben unaufhaltsam auf mir haften.

      Das Schließen des Kofferraums ließ mich erschrocken zusammenzucken und riss mich von Logans Blicken los. Stattdessen sah ich zu Lukas, der sich nun ebenfalls umdrehte und seine Freunde ausfindig machte.

      Für den Bruchteil einer Sekunde verdunkelten sich seine Züge und sein Gesicht wirkte nachdenklich, wobei seine Augen zu mir wanderten. Ich konnte mir denken, was gerade im Kopf meines Bruders vorging. Zum ersten Mal seit dem Vorfall in Tante Carolyns Wohnung, sah er Logan und mich gemeinsam.

      Ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen und zwang meine Lippen zu einem Lächeln.

      »Können wir?«, fragte ich und ignorierte Lukas‘ scharfsinnigen Blick.

      »Klar«, er bot mir erneut seinen Arm dar, aber seine Augen hatten noch immer diesen wachsamen Ausdruck. Ich hakte mich bei ihm unter und gemeinsam gingen wir auf Michael, David und Logan zu.

      Der Schnee der letzten Tage war nahezu komplett geschmolzen und der Kies des Asphalts knirschte unter meinen Absätzen. Mit jedem Schritt, den ich Logan näherkam, wuchs meine Anspannung.

      Die paar Meter, die Logan und mich noch voneinander trennten, zogen sich ins Unendliche. Es kam mir vor als vergingen Minuten, beinahe schon Stunden, bis wir die drei endlich erreichten. Unterdessen glaubte ich Logans Blicke auf mir zu spüren. Ich traute mich allerdings nicht aufzuschauen.

      Wir kamen zum Stehen und sofort begrüßte Lukas seinen besten Freund und zukünftigen Bräutigam mit einem lässigen Schulterklopfen. Ich beobachtete die beiden lächelnd. Schließlich konnte ich mich jedoch nicht mehr zurückhalten und schielte rüber zu Logan. Auch seine Augen waren auf Lukas und Michael gerichtet. Doch als hätte er bemerkt, dass ich ihn anschaute, wandte er mir sein Gesicht zu und begann meinen Blick zu erwidern.

      Ich sog scharf die Luft ein und erneut spürte ich dieses Kribbeln im Bauch. Würde das jemals aufhören? Zu gern hätte ich gewusst, was in diesem Moment wohl in seinem Kopf vorging. Sein Gesichtsausdruck glich einer undurchdringlichen Maske, keine Gefühlsregung war darin zu erkennen, absolut keine.

      Er wandte sich wieder ab, als Lukas sich zu ihm drehte, um ihn zu begrüßen. Die Anspannung, die zwischen den beiden hing, war kaum zu übersehen. Zwar begrüßten sie sich mit einer freundschaftlichen Geste, aber Unausgesprochenes lag zwischen ihnen in der Luft. Und ich wusste, ich war der Grund dafür. Innerlich meldeten sich wieder Gewissensbisse, die ich sogleich versuchte zu verdrängen.

      Michael und David hatten den Vorfall vor zwei Monaten ebenfalls mitbekommen. Instinktiv fragte ich mich, wie viel sie wussten und was sie wohl über Logans Ausraster dachten? Ob sie wie Lukas auch eine Ahnung hatten, was zwischen Logan und mir geschehen war?

      Wenn dies so war, dann ließen die beiden sich zumindest nichts anmerken. Ich vermied es, Logan anzusehen und war unsagbar froh, als wir endlich den Weg nach drinnen antraten. Es hatten sich bereits einige Gäste eingefunden und hielten noch etwas Smalltalk. Bereits aus der Ferne erkannte ich Joanna, Logans Schwester, die aufgeregt mit einer Liste in den Händen herumirrte und noch letzte Akzente zu setzen schien.

      Mir war bereits zu Ohren gekommen, dass Joanna mit Michaels zukünftiger Frau gut befreundet war und den beiden bei den Hochzeitsvorbereitungen etwas unter die Armen gegriffen hatte.

      Bereits aus der Ferne erkannte Joanna uns und kam winkend und mit einem breiten Grinsen auf uns zu gestöckelt.

      Ihre blonden Locken trug sie offen. In leichten Wellen fielen sie ihr über die Schulter. Ihr schlanker Körper steckte in einem schlichten orangefarbenen Etuikleid. Offenbar bevorzugte Joanna eher das Unauffällige. Nichtsdestotrotz sah sie, wie ihr Bruder, einfach wunderschön aus. Sie strahlte eine innere Schönheit und Aufgewecktheit aus, die einem einfach nicht entgehen konnte.

      »Hallo Bruderherz«, sie ging auf Logan zu und gab ihm zur Begrüßung einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Daraufhin drehte sich Joanna zu Lukas und mir um. Auch uns begrüßte sie jeweils mit einem Wangenkuss.

      »Schön, dass ihr da seid«, sagte sie strahlend. Mir fiel auf, dass sie dieselben Grübchen wie Logan besaß.

      »Das kann ich nur zurückgeben«, Lukas erwiderte ihr Lächeln.

      »Du bist ein alter Charmeur, Lukas«, sie klopfte ihm grinsend auf die Schulter. »Reservier mir für später einen Tanz«, sie zwinkerte ihm zu. Wenn meine Augen mich nicht täuschten, begannen sich ihre Wangen leicht rosa zu färben. Verwirrt zog ich die Brauen zusammen. Bevor ich ihre Reaktion allerdings genauer unter die Lupe nehmen konnte, rief jemand ihren Namen und sie zog weiter, um die nächsten Neuankömmlinge zu begrüßen.

      Es dauerte nicht lange, bis sich die Kirche mehr und mehr füllte. Langsam aber sicher nahmen alle Gäste ihre Plätze ein. Da Lukas Trauzeuge war, saßen wir zusammen vorne bei Michaels Familie. Auch Joanna und Logan hatten hier Platz bezogen. Anscheinend waren Michael und Logan enger befreundet, als ich zunächst angenommen hatte.

      Die Gespräche verstummten allmählich und die Hochzeitsmusik setzte ein. Alle Gäste erhoben sich und ihre Blicke wandten sich in Richtung Eingang, wo Michaels Verlobte Melinda eintrat.

      Mir blieb beinahe die Spucke weg, denn sie sah umwerfend schön aus und trug ein bodenlanges Kleid aus weißer Seide. Es war trägerlos und der Stoff schmiegte sich vorteilhaft um ihre weiblichen Kurven.

      Ihr honigblondes Haar war zu einer komplizierten Frisur gesteckt, an der ein kurzer Schleier befestigt war. Einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht und umrahmten ihre ebenmäßigen Gesichtszüge und ihre hellen Augen. Sie sah aus wie ein Engel. Während jeder nur Augen für die Braut hatte, wanderte mein Blick in Richtung Altar, wo Michael bereits wartete.

      Was ich sah, trieb mir beinahe die Tränen in die Augen. Michaels Blick lag auf Melinda. Seine Augen drückten Erstaunen und Ehrfurcht aus. Die Art und Weise wie er sie ansah, war unbeschreiblich, beinahe anbetungswürdig. Jeder einzelne seiner Gesichtszüge drückte pure Liebe aus.

      Vorn angekommen, wurde Melinda von ihrem Vater an Michael übergeben. Ich brachte es beinahe nicht über mich hinzusehen. Wie die beiden sich ansahen, voller Respekt und Innigkeit… das war wahre Liebe.

      Eines Tages wollte ich auch an Melindas Stelle sein. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dieselbe Liebe zu erfahren, die ich nun zwischen Melinda und Michael sah. Das Leben mit einem Menschen zu teilen, der mich so annahm, wie ich war, der mich mit all meinen Macken und Fehlern liebte.

      Unwillkürlich musste ich drei Plätze weiter zu Logan schauen. Sein Gesicht war auf Michael und Melinda gerichtet. Doch es drückte wie immer nicht die geringste Regung aus. Was er wohl gerade dachte? Ich hätte alles gegeben, um es zu erfahren.

      ∞

      Die Zeremonie war wundervoll gewesen. Insbesondere die Eheversprechen des Paares waren sehr emotional gewesen. Diese Hochzeit berührte mein Herz zutiefst und weckte Sehnsüchte in mir, von welchen ich bisher noch nichts geahnt hatte. Diese Trauung würde ich nie wieder vergessen, sie hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt.

      Nachdem Michael und Melinda sich das Ja-Wort gegeben hatten, gingen sie unter einem Regen aus Blüten nach draußen zu ihrer Limousine. Ich hielt Ausschau nach Logan. Doch durch den ganzen Trubel, hatte ich ihn aus den Augen verloren. Die Feierlichkeiten fanden in einem Hotel statt, vor dessen Eingang sich ein Portier befand, der eine Gästeliste in den Händen hielt. Wir nannten ihm unsere Namen, woraufhin er uns einließ.

      Es schien sich um ein sehr exklusives Hotel zu handeln. Da alles extra für die Hochzeitsgäste ausgeschildert war, fanden wir den Raum, in dem die Feier stattfinden sollte, recht schnell.

      Während des Sektempfangs, wurde dem frisch gebackenen Brautpaar von allen Seiten gratuliert. Die beiden strahlten bis über beide Ohren. Ich beneidete sie zutiefst.

      Eine

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