Скачать книгу

ist unglaublich stark, aber...“ Schluchzend fiel sie in seine Arme. „Sie muss mit jemandem darüber sprechen.“

      „Ich weiß, Liebling.“ Bekümmert fuhr er ihr durch die Haare. Nur mit Mühe konnte Brian seinen abgrundtiefen Hass verbergen. Seine unglaubliche Wut, die in ihm brodelte.

      Am nächsten Morgen telefonierte Brian mit dem zuständigen Polizisten, der sich um den Fall kümmerte. Noch im Krankenhaus hatte er Brians Anzeige gegen Raphael aufgenommen. Die Fotos, die eine Krankenschwester von Joans unzähligen, blauen Flecken und ihrem Gesicht gemacht hatte, genügten, um ihn auch ohne Joans Aussage zur Fahndung auszuschreiben. Doch was Brian erfuhr, war alles andere als erfreulich. Die Polizei suchte Raphael in ganz Mailand, aber anscheinend war er untergetaucht. Der Polizist ließ vermuten, dass Raphael sich nicht mehr in Mailand aufhielt.

      „Ich will, dass dieses Schwein für das, was er meiner Schwester angetan hat, büßt“, sagte Brian verärgert, da dieser Kerl nicht ungestraft davonkommen durfte.

      „Das wollen wir auch, aber leider kann ich Ihnen derzeit nicht viel Hoffnung auf eine baldige Verhaftung machen. Es tut mir sehr leid, Signor.“

      „Sagen Sie das der Frau, die sein nächstes Opfer wird“, antwortete Brian verärgert und beendete das Gespräch. „Verflucht noch mal!“, rief er wütend und warf das Telefon auf die Couch. „Dieser Mistkerl ist untergetaucht!“, klärte er Rachel auf, die soeben von Joan kam. „Er wird sich auf irgendeiner Insel sonnen, Champagner trinken und sich mit seinen Freunden amüsieren...“

      Als Paolo später zu ihnen kam, konnte auch er von keinen Ergebnissen berichten. Seit Tagen fragte er bei all seinen Freunden nach Raphael, doch niemand hatte ihn seit seiner Geburtstagsparty mehr gesehen.

      „Wie geht es ihr?“, fragte Paolo leise und sah zu Brian, der an der geschlossenen Terrassentür stand und hinaus in den Garten blickte.

      „Ich weiß es nicht“, gestand Brian sich selbst ein und wandte sich zur Couch um, auf der Paolo Platz genommen hatte. „Sie spricht nicht mit uns.“

      „Selbst mit Rachel nicht?“

      Brian schüttelte den Kopf. „Und ich werde sie nicht dazu bewegen können, zu einem Psychologen zu gehen. Paolo, ich weiß nicht, was ich tun soll. Mit der Anzeige habe ich mich weiter gewagt, als gut für uns ist. Wenn die Presse davon erfährt...“

      „Das wäre für Raphaels Familie ebenso unangenehm. Sein Vater wird alles dafür tun, dass die Vergewaltigung nicht öffentlich bekannt wird. Vermutlich hat er Raphael eine so schnelle Flucht ermöglicht.“

      „Dann haben wir wenigstens vorerst von der Presse nichts zu befürchten“, sagte Brian erleichtert, da er sich vorstellen konnte, wie die Journalisten über Joan herfallen würden. Die Vergewaltigung würde der Skandal sein, nachdem die Klatschpresse seit Jahren vergeblich suchte.

      „Hast du mit euren Eltern darüber gesprochen?“

      „Wie soll ich ihnen erklären, was dieser Kerl mit Joan angestellt hat? Ich kann den Gedanken daran selbst kaum ertragen und unsere Eltern würden sich bis an ihr Lebensende schreckliche Vorwürfe machen, weil sie das Jahr in Mailand vorgeschlagen haben.“ Brian sah ihn direkt an. „Ich würde ihnen das Herz brechen...“

      „Und das wirst du nicht tun“, sagte Joan plötzlich mit entschlossener Stimme.

      Erschrocken wandten Brian und Paolo sich zur Treppe um, auf der Joan in ihrem Morgenmantel stand. Paolo, der sie seit jener Nacht zum ersten Mal wiedersah, verspürte beim Anblick ihrer geschwollenen, blauen Augen dieselbe Wut wie Brian. Zugleich standen sie von der Couch auf und waren sich unschlüssig, ob sie dort verharren oder zu Joan gehen sollten. Der Drang, sie in ihre Arme zu schließen, war bei beiden gewaltig.

      „Ich kann nicht ändern, was geschehen ist, aber ich kann meine Zukunft wieder in meine Hände nehmen. Deshalb werde ich morgen zurück nach L.A. fliegen“, sagte Joan entschieden, als auch Rachel zu ihnen stieß. „Wenn Celia und die anderen es geschafft haben, dann werde auch ich damit leben können“, erklärte sie leise und wandte sich von ihnen ab. Langsam lief sie die Treppe hinauf und schloss ihre Tür hinter sich.

      Am nächsten Tag fuhren Brian und Rachel sie nach dem Frühstück zum Flughafen und begleiteten sie zum Schalter, wo sie sich voneinander verabschiedeten. Während Rachel und Brian in ihr Auto stiegen, startete über ihnen die Maschine nach Los Angeles. Mit Tränen in den Augen sah Joan aus dem Fenster und dachte an das hinter ihr liegende Jahr in Mailand zurück. Ein Jahr, das nicht schöner und zugleich so schrecklich sein konnte. Es war das erste Jahr nach Steves Tod gewesen. Damals war sie nach Mailand geflüchtet, um den Verlust zu verwinden und nun floh sie nach Los Angeles zurück, um zu vergessen...

      Nachdem der Arzt im Mailänder Krankenhaus Joan gründlich untersucht und ihr Blut abgenommen hatte, stellte sie heraus, wie Raphael sie gegen ihren Willen in seine Wohnung hatte bringen können. Bereits während der Party musste er Joan unbemerkt Drogen in ihren Cocktail gegeben haben, sodass sie sich an kaum etwas erinnern konnte, was vor ihrem Erwachen in seiner Wohnung geschehen war. Bevor Joan entlassen wurde, hatte der Arzt ihr nahegelegt, sich in den nächsten Wochen bei ihrer Ärztin in Los Angeles vorzustellen, damit diese die Heilung ihrer Wunde beobachtete. Durch den ständigen Kampf mit Raphael hatte Joan etliche Verletzungen in der Vagina davongetragen, die der Arzt hatte nähen müssen. Er versicherte Brian und Rachel jedoch, dass eine Schwangerschaft in einigen Jahren grundsätzlich nicht ausgeschlossen war, doch ob je eine normale Entbindung in Frage käme, wollte er zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Zuerst musste die Wunde ohne Probleme verheilen und dazu war die Überwachung ihrer Ärztin notwendig.

      Die erste Woche verbrachte Joan weitgehend in Brian und Rachels Appartement in der Ocean Avenue. Mit der Ausrede, sie sei krank, bat sie Bob, dem Portier des Appartementhauses, ihr einige Lebensmittel zu besorgen und ins Appartement hinauf zu schicken. Erst nachdem die Prellungen an Armen und Beinen und die Schwellung ihrer Augen nicht mehr zu sehen waren, traute sie sich wieder hinaus. Ihre Ausflüge an die frische Luft blieben jedoch kurz. Zumeist eilte sie zum nächsten Supermarkt, kaufte das Notwendigste ein und kehrte wieder ins Appartement zurück, wo sie den restlichen Tag überwiegend im Bett des Gästezimmers verbrachte.

      Das Telefon klingelte. Joan stöhnte laute. Es läutete erneut, doch erst beim vierten Klingeln öffnete sie verschlafen die Augen und tastete mit der Hand zum Telefon, das auf dem Nachttisch lag.

      „Ja?“, fragte sie gähnend.

      „Joan? Bist du das?“, erkannte sie die Stimme ihres Bruders.

      „Brian, was willst du denn so früh von mir?“ Sie stöhnte und rollte sich auf den Rücken herum. „Wie spät ist es?“, fragte sie leise.

      „Bei dir elf Uhr“, antwortete Brian von seinem Büro aus. Bei ihm war es bereits später Nachmittag. „Jo, was ist los? Fühlst du dich nicht gut?“

      „Es ist alles okay, Brian.“

      „Hey“, sagte er sanft. „Ich spüre doch, dass mit dir etwas nicht stimmt. Willst du mir nicht sagen, was los ist?“

      „Ich bin nur müde. Die Nacht war sehr kurz.“

      Während er mit der linken Hand den Hörer hielt, stützte er sich mit dem Ellenbogen des rechten Arms auf seinen Schreibtisch auf und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger das Nasenbein hinauf. „Hast du nach wie vor Albträume?“

      Joan zögerte einen Moment und dachte an die Nächte seit jenem Tag, in denen sie immer wieder aus dem Schlaf hochgeschreckt war. „Kaum noch“, log sie, obwohl die Albträume sie noch immer jede Nacht begleiteten. Doch sie hatte zu lange gezögert; Brian kannte sie gut genug, um die Wahrheit aus ihren wenigen Worten herauszuhören.

      „Ich habe mit Dad telefoniert“, wechselte er das Thema.

      Schweigen am anderen Ende der Leitung. Joan schloss die Augen und zog die Bettdecke bis an die Brust hinauf. „Was... was hast du ihm erzählt?“, hörte er sie schließlich fragen.

      „Nichts. Ich dachte...“ Er stockte, als seine Sekretärin in sein Büro trat. Schnell winkte er

Скачать книгу