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aus seinem Gesicht. „Seit wann gibt es wieder jemanden in deinem Leben?“, fragte er irritiert, denn ein ungutes Gefühl übermannte ihn.

      Joan schüttelte den Kopf. „Es ist... von ihm.“

      „Wie bitte!?“, sagte er entrüstet. „Das ist nicht dein ernst! Du kannst unmöglich das Kind von diesem Kerl bekommen. Du musst es abtreiben.“

      „Ich darf mich dazu wohl gar nicht äußern“, erklärte sie nüchtern.

      „Du kannst nicht das Kind von diesem Kerl bekommen“, wiederholte Brian eindringlich und setzte sich aufrecht hin.

      „Ich habe keine Wahl.“

      „Wie meinst du das?“, fragte er gereizt.

      „Es ist zu spät für einen Abbruch. Ich bin im dritten Monat.“

      „Wunderbar!“, sagte er sarkastisch und schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich kann das nicht glauben.“

      „Brian, beruhige dich“, sagte Rachel bestimmt, obwohl die Nachricht sie ebenso schockierte, und Brian stand auf. Erschüttert lief er im Zimmer hin und her und zwang sich selbst zur Ruhe. „Ich habe mit diesen Dingen wenig Erfahrung, aber ich dachte, im Krankenhaus hätte man dich untersucht“, wandte Rachel sich mit sanfter Stimme an Joan.

      „Warum haben die Ärzte das nicht verhindert?“, fragte Brian außer sich. Wie konnte sie nur das Baby ihres Vergewaltigers bekommen?

      „Verdammt, Brian, ich weiß es nicht!“, sagte sie verärgert. „Ich weiß nur, dass ich schwanger bin und es für eine Abtreibung zu spät ist. Ja, ich hätte die Anzeichen eher bemerkten müssen“, gab sie zu. „...aber ich habe diese Nacht aus meinem Gedächtnis verdrängt. Sie existierte für mich nicht.“ Sie sah, wie Brian wortlos die Arme vor seiner Brust verschränkte und sich mit dem Rücken zu ihr zum Fenster umdrehte. Auch wenn er sich ihnen gegenüber zurückhielt, so merkte Joan, dass er über ihre Eröffnung über alle Maßen schockiert war. Er verspürte einen ungeheuren Hass auf Raphael, wünschte, er hätte ihn damals nicht nur zusammengeschlagen. Zugleich wollte er auf liebevolle Wiese für seine Schwester da sein. Joan konnte sich vorstellen, wie Brian sich in diesem Moment fühlte. Eine Woche lang hatten dieselben Gedanken sie beschäftigt.

      „Willst du für das Baby nach der Geburt sorgen?“, fragte Rachel sie nach einem Augenblick des Schweigens.

      „Ich weiß es noch nicht...“

      Während Joan sich in den darauffolgenden Wochen häufiger mit Rachel im Cafe oder zum Bummeln verabredete, sahen sich die Geschwister in dieser Zeit kaum. Brian benötigte einige Wochen, um den Hass auf Raphael zu zähmen und dieses Gefühl gegen seine bedingungslose Liebe zu seiner Schwester einzutauschen.

      Ende Oktober leitete Brian bereits seit vier Wochen Farleys in Los Angeles, als Joan ihn mittags im Büro überraschte. Seit Brian von der Schwangerschaft erfahren hatte, waren sie einander nur zufällig begegnet oder wenn Rachel sie zusammengeführt hatte. Joan, die ihrem Bruder Zeit gelassen hatte, machte nun den ersten Schritt. Im sechsten Monat konnte sie ihre Schwangerschaft nicht mehr verbergen, der gewölbte Bauch sprach für sich. In ihrem neuen hellblauen Umstandskleid betrat Joan das Vorzimmer zu Brians Büro und begrüßte Brenda, die langjährige Sekretärin ihres Bruders.

      „Oh, es hat mich getreten“, sagte Brenda lächelnd, die ihre Hand auf Joans Bauch gelegt hatte.

      Just in diesem Moment trat Brian aus seinem Büro und sah sie überrascht an. „Jo, was machst du denn hier?“

      Sie lächelte. „Hast du Zeit für einen gemeinsamen Lunch mit mir?“

      „Brenda...“, sagte er und blickte über ihre Schulter hinweg zu seiner Sekretärin. „Habe ich Zeit für meine Schwester?“

      Sie nickte. „Ihr nächster Termin ist erst in drei Stunden“, erklärte Brenda.

      „Okay, warte einen Augenblick.“ Brian eilte in sein Büro und kehrte gleich darauf mit seinem Jackett zu ihr zurück. „Wenn Mr. Kofell zurückruft, erreichen Sie mich auf dem Handy“, sagte er zu Brenda und hielt seiner Schwester die Tür auf.

      „Dir macht dein Job hier wirklich Spaß, oder?“, fragte Joan ihn neugierig, während sie den durch Scheiben verglasten Gang hinuntergingen zum Fahrstuhl gingen.

      Brian lächelte. „Ja, er macht mir Spaß. Er ist anstrengend und sehr zeitaufwendig, aber ich liebe meine Arbeit.“

      „Das sieht man dir an.“ Joan freute sich für ihn. Er hatte lange und sehr hart dafür gekämpft, um eines Tages diesen Posten zu bekommen.

      „Und du?“, fragte er sanft. „Wie fühlst du dich?“

      „Dick!“, antwortete sie lachend. Auch Brian lachte.

      Da hielt der leere Fahrstuhl auf ihrer Etage und sie stiegen hinein. Sobald sich die Türen geschlossen hatten, legte Brian seine flache Hand auf ihren gewölbten Bauch. Über seine unvorhergesehene Zuneigung überrascht, wandte Joan den Kopf zu ihm herum.

      „Ich habe euch vermisst“, sagte Brian lächelnd, worauf Tränen der Rührung in ihre Augen stiegen. Als das Baby sich mit einem kräftigen Tritt gegen die Bauchdecke bemerkbar machte, lief auch Brian eine Träne über die Wange. „Ich freue mich auf dich, kleiner Mann.“

      „Kleiner Mann?“

      „Nur ein Mann kann so fest treten“, erklärte er, zog sie liebevoll in seine Arme und drückte ihren Kopf sachte gegen seine Brust. Mit der Zeit hatte sein Herz über seinen Verstand gesiegt. Zwar befürchtete Brian noch immer, dass sie angesichts des Babys die Vergewaltigung niemals würde vergessen können, doch mittlerweile freute er sich, Onkel zu werden.

      Von diesem Tag an sahen sie sich wieder häufiger und wann immer es Brians Job zuließ, holte er seine Schwester vom Theos ab und begleitete sie barfuss im Anzug den Strand entlang nach Hause.

      „Farleys sollte eine Kinderabteilung bekommen“, meinte Brian bei einem ihrer abendlichen Spaziergänge beiläufig.

      „Vielleicht nimmst du Umstandsmode gleich mit ins Sortiment auf. Ich könnte Probelaufen“, zog sie ihren Bruder lächelnd auf.

      „Hey, ich meine es ernst!“

      „Ich weiß, tut mir leid. Du führst dich nur so auf, als würdest du Vater werden.“

      „Er wird schließlich vorerst keinen haben.“ Brian suchte ihren Blick, aber sie wich ihm aus.

      „Wir zwei brauchen niemanden.“ Sie fuhr sich über ihren Bauch. „Wir kommen sehr gut allein zurecht.“

      Irrte er sich, oder lag Einsamkeit in ihrer Stimme? „Bist du dir sicher?“, fragte er vorsichtig und fing sich einen strengen Blick von ihr ein.

      „Willst du mir wieder dein Geld anbieten?“

      „Wenn du es nicht geschenkt möchtest, dann kannst du es mir gern irgendwann zurückzahlen.“

      „Ich komme klar, Brian.“ Sie wusste nicht, wie oft sie sein Angebot bereits abgelehnt hatte, sie zählte längst nicht mehr mit. Tatsächlich kam Joan über die Runden. Sie war nicht reich, doch bemühte sie sich monatlich eine kleine Summe von ihrem Gehalt aus dem Theos für das Baby zurückzulegen.

      Mit dem Dezember begannen schließlich die Weihnachtsvorbereitungen. Joan, die nur auf Rachels Drängen hin ihre Wohnung dürftig weihnachtlich dekoriert hatte, fand zum ersten Mal in ihrem Leben wenig Gefallen an den Feiertagen. Im siebenten Monat fiel ihr die Bewegung zusehends schwerer, sodass sie im Cafe die Arbeit hinter der Theke übernommen hatte. Zudem litt sie unter Stimmungsschwankungen, die mittlerweile nicht nur ihre Nerven, sondern auch die ihrer Mitmenschen strapazierten. Sie konnte sich über Kleinigkeiten schrecklich aufregen, sich weinend dafür entschuldigen und danach wieder lächeln.

      „Begleitest du uns zur Weihnachtsparty von Farleys?“, fragte Rachel sie eines abends eine Woche vor Weihnachten in der Küche ihres Appartements, als sie Joan und sich einen alkoholfreien Cocktail aus Fruchtsäften

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