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Sie gingen gemeinsam auf Partys, doch sobald Joan von Paolos Freunden zum Tanz aufgefordert wurde, war es Paolo selbst, der ihnen einen eindeutigen Korb gab. Bald darauf wurde gemunkelt, dass sie ein Paar wären und er sie für sich allein wollte. Hätten sie sich zu einer anderen Zeit gekannt, dann würde sie Paolo übel nehmen, dass er ihre Verehrer reihenweise abblockte. Doch noch war sie nicht an einer neuen Beziehung interessiert und weinte deshalb den Männern nicht nach. Zum ersten Mal seit Steves Tod war sie wieder glücklich. Ihr Leben war völlig ungezwungen, frei von Sorgen und Ängsten. Sie brauchte keinen Mann in ihrem Leben, ihr genügte Paolos nette Gesellschaft.

      „Ich werde Anfang Juni zurück nach Los Angeles fliegen“, erklärte Joan beim Frühstück Rachel und Brian, nachdem sie einige Tage darüber nachgedacht hatte. „Sobald das Semester beginnt, möchte ich mein Studium fortsetzen. Mir fehlt noch ein Jahr.“

      Überrascht wechselten Brian und Rachel einen Blick. „Bis dahin sind es noch einige Monate“, erklärte Brian enttäuscht. Er hatte geglaubt, sie würde noch zwei, vielleicht drei Monate in Mailand bleiben und erst dann zurückfliegen. „Was willst du in der Zwischenzeit tun?“

      „Ich werde Theo fragen, ob er meine Hilfe im Cafe benötigt und wenn das nicht klappt, finde ich einen anderen Job.“ Steve und sie hatten neben ihrem Studium in dem Strandcafe des Vierzigjährigen als Kellner gearbeitet, um ihre Miete bezahlen zu können.

      „Und wo willst du wohnen? Die Zimmer im Studentenwohnheim sind längst vermietet.“

      „Ich suche mir ein kleines Appartement“, beruhigte sie ihren Bruder.

      „Bis du etwas Geeignetes gefunden hast, kannst du in unserem Gästezimmer wohnen“, schlug Rachel vor und ignorierte den Blick, den Brian ihr zuwarf. Es war an der Zeit, dass er seinen Beschützerinstinkt zurückschraubte und seine Schwester losließ. Sie war alt genug, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

      Joan buchte ihren Flug für den zweiten Juni und verbrachte die verbleibende Zeit überwiegend mit Paolo, der über ihre Pläne, Mailand den Rücken zu kehren, tief betrübt war. Selbst wenn er ihr Herz niemals für sich gewinnen konnte, so wollte er Joan zumindest als Freundin nicht verlieren.

      „Du musst mich unbedingt in L.A. besuchen kommen, Paolo. Dann zeige ich dir meine Stadt und du lernst meine Freunde kennen.“

      Ihr Vorschlag erstaunte ihn. „Hast du keine Angst, dass ich eines Tages tatsächlich vor deiner Tür stehen könnte?“

      „Warum sollte ich?“, fragte sie verwundert. „Du bist mein bester Freund und ich werde dich in L.A. schrecklich vermissen.“

      „Was hältst du davon, wenn ich meine Stelle bei Farleys in L.A. antrete?“

      „Du würdest irgendwann deine Heimat, deine Familie und deine Freunde vermissen. Mir geht es jetzt so“, sagte sie leise.

      Während Joan ihre Abreise plante, stand Brian mit seinem Vater in ständigem Kontakt, was Rachels und seine Zukunft betraf. Da Brian den Anlauf der neuen Kollektion abwarten wollte, würden sie mindestens bis Anfang September in Mailand blieben. Wenn alles zu seiner Zufriedenheit verlief, würde er sein Baby, wie Rachel das Geschäft gern nannte, verlassen und Mr. Bandero die Geschäftsleitung anvertrauen. Im Anschluss daran versprach er Rachel mit ihr mindestens zwei Wochen bei ihren Eltern in Rom Urlaub zu verbringen, wo Brian ihren Vater um die Hand seiner Tochter bitten wollte.

      Mitte Mai stiegen die Temperaturen bereits über dreißig Grad Celsius und nach einer langen Einkaufstour mit Paolo sehnte Joan sich nach einer Abkühlung im Pool.

      „Wohin gehen wir heute Abend?“, fragte Joan ihn, als sie auf den Liegestühlen lagen und sich sonnten. Dann und wann blinzelte Paolo und betrachtete ihren wunderschönen Körper, der für ihn unerreichbar schien. Seine einzigste Beruhigung lag darin, dass Joan auch an keinem anderen Mann Interesse zeigte. Sie hatte das Thema immer gemieden, aber er vermutete, dass sie tief verletzt worden war und einige Zeit für sich allein brauchte.

      „Raphael hat Morgen Geburtstag. Du erinnerst dich bestimmt an ihn, du hast ihn vor zwei Monaten auf Maxims Party kennen gelernt“, sagte er und sah zu ihr hinüber.

      „Der gut gebaute Kerl mit dem verführerischen Lächeln?“, fragte sie mit geschlossenen Augen grinsend, als sie sich an die schmachtenden Blicke der anderen Frauen erinnerte.

      Paolo stöhnte. „Die Party beginnt heute Nacht und wird vermutlich bis zum Mittag andauern.“

      „Klingt gut. Ich bin dabei“, erklärte Joan.

      Wenige Stunden später mischten sie sich bereits unter Raphaels Gäste, die in dem großen Haus seiner Eltern kaum Platz fanden. Paolos Erzählungen zufolge verbrachte sein Freund seine Zeit auf allen erdenklichen Partys in ganz Europa. Oftmals war er wochenlang weg, ohne das einer seiner vielen Freunde in Mailand wusste, wo er sich gerade aufhielt. Paolo hatte sich daran gewöhnt und wann immer Raphael in der Stadt war, machten die beiden einen Drauf.

      „Raphaels Vater ist einer der bedeutendsten Geschäftsmänner“, sagte Paolo ihr, während sie an der Bar auf ihren Cocktail warteten. „Niemand kann genau sagen, für wie viele Generationen er in seiner Familie ausgesorgt hat, Raphael wird jedenfalls niemals arbeiten müssen. Ihm gefällt seine Art das Leben zu leben, er liebt es mit Champagner und wechselnden Frauen zu feiern.“

      Gerade als Joan antworten wollte, erblickte sie Raphael inmitten seiner Gäste. Ihre Blicke begegneten sich einen Moment. Selbst aus dieser Entfernung konnte Joan bestätigen, was Frauen an seinen durchdringenden Augen so faszinierte. Er schien jede Einzelne im Raum zu verzaubern. Doch auch der Rest an ihm war nicht außer Acht zu lassen. Raphael hatte kurz geschnittene rabenschwarze Haare und seine stark gebräunte Haut stach deutlich unter allen Anwesenden hervor. Sobald er die Hand eines Freundes fester drückte, spannten sich unter seinem schwarzen Hemd die durchtrainierten Muskeln seiner Oberarme.

      Raphael benötigte einige Minuten, bis er durch die Menge seiner zahlreichen Freunde gelangte und zu ihnen hinüber kam. Mit einem Schulterklopfen begrüßte er Paolo und sah dann zu Joan.

      „Du erinnerst dich sicher an Joan“, sagte Paolo, die Hand an Joans Rücken.

      „Wie könnte ich so eine schöne Signorina vergessen“, erwiderte Raphael lächelnd, hob ihre Hand und küsste zärtlich ihre Finger. „Darf ich um den nächsten Tanz bitten?“, fragte er mit einem umwerfenden Lächeln.

      „Sehr gern“, sagte sie und ließ sich von Raphael durch die Gästemenge zur Tanzfläche leiten. In dem Moment begann ein Cha-Cha-Cha und Joan hielt inne. „Oh - den habe ich seit Jahren nicht mehr getanzt. Vielleicht sollten wir lieber aussetzen...“

      „Einen Cha-Cha-Cha verlernt man nicht“, erwiderte Raphael, ihre Hand noch immer festhaltend, und begann mit den ersten Schritten. Joan war überrascht, wie gut er sie führte, sodass die erlernten Tanzschritte dank ihm bald zurückkehrten.

      Diesem Tanz folgten zwei weitere mit schnellem Rhythmus, danach wurde ein langsameres Stück angespielt und Raphael zog Joan sachte an seinen Körper. Sie spürte seine Hand knapp oberhalb ihres Pos, wollte jedoch erst einlenken, wenn er mehr wagte.

      „Läuft zwischen euch etwas?“, fragte Raphael später seinen Freund beiläufig, als Joan sich an der Bar einen Drink besorgte.

      „Lass die Finger von ihr!“, warnte Paolo ihn.

      Raphael grinste nur. „Glückwunsch, mein Freund. Scheint etwas Ernstes zu sein.“

      „Zwischen uns läuft nichts“, klärte Paolo ihn innerlich zerknirscht auf. „Trotzdem ist Joan für dich absolut tabu. Sie ist eine sehr gute Freundin und ich werde nicht zulassen, dass du sie für eine Nacht benutzt.“

      Raphael grinste. „Es könnten gern auch zwei werden.“

      „Such’ dir eine andere“, sagte Paolo eindringlich und sein Blick verriet, wie ernst er seine Worte meinte.

      Wenige Minuten nach halb Vier wurde das Licht im unteren Wohnbereich des Hauses gelöscht, es blieb jedoch genügend Licht, um die zwei Jungen zu erkennen, die etwas Großes,

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