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Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren. Группа авторов
Читать онлайн.Название Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren
Год выпуска 0
isbn 9783706561921
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия Pädagogik für Niederösterreich
Издательство Bookwire
Ähnlich kann in der zweiten Phase des Handlungsverstehens die eingeplante Mikroanalyse durch Fragen nach Perspektive, Farbgebung, Text-Bild-Verhältnis erweitert werden, sodass die Kinder in der Präsentation der Ergebnisse nicht nur für Variationen in der wiederkehrenden Handlungsstruktur, sondern auch in deren Versprachlichung in Text und Bild sensibilisiert werden (Sprachverstehen, Niveaustufe I & II). Dies lässt sich in der dritten Phase in der Ergänzung einer eigenen Episode produktiv verinnerlichen, indem die Kinder die sprachlichen Besonderheiten wie parallel aufgebaute Dialoge sowie unterschiedliche Perspektiven in den Bildern auch in ihren Entwürfen berücksichtigen (Sprachverstehen, Niveaustufe III3).
3.4 Baustein Symbolik/Metaphorik: das Meer als Indikator für Irreversibilität oder Bedeutungslosigkeit des Menschen
Das Verstehen von Symbolik und Metaphorik als einen eigenen Aspekt literarischen Lernens zu konzipieren und nicht unter das Verstehen sprachlicher Mittel zu subsumieren, begründet Spinner damit, dass Metaphern und Symbole nicht nur als Stilfiguren zu begreifen sind, sondern „in einem Text die Verbindung zwischen zwei semantischen Feldern oder Isotopien, die einen Text durchziehen, herstellen“ (Spinner 2015, 191). Die Herstellung solcher Bezüge beschreiben Boelmann und König für die Primarstufe als „große Herausforderung, da dieses Konzept keine Entsprechung in ihrer Alltagswelt findet“ (Boelmann & König 2021, 117) und sich damit grundlegend von Handlungs- und Figurenverstehen unterscheidet. Ähnlich wie das Verstehen sprachlicher Mittel scheint das Verstehen von Symbolen und Metaphern weniger einzelnen BNE-Teilkompetenzen als vielmehr der Gestaltungskompetenz insgesamt zuträglich, da „[b]edeutungs- und sinnkonstituierende Lern- und Interpretationsprozesse […] auf der Verwendung von Metaphern [basieren]. Sie sind nicht nur vorläufige und überholungsbedürftige übertragene Rede, sondern unhintergehbares Prinzip menschlichen Denkens und Sprechens“ (Combe & Gebhard 2007, 26). Dieses unhintergehbare Prinzip menschlichen Denkens und Sprechens schlägt sich in wirkungsmächtigen Bildern wie dem Fieber des Planeten oder dem Eisbären als Verkörperung des Klimawandels nieder. Die ausgewählten Bücher eignen sich insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Mehrfachcodierung des Meeres sowie aufgrund der Polyvalenz von Naturelementen, Lebewesen, Plastikbestandteilen und Farben, um symbolisches Verstehen zu initiieren.
3.4.1 Sachanalytische Zugänge
Das Meer tritt in beiden Geschichten als zentraler Akteur in Erscheinung, wird dabei allerdings konträr konnotiert. Jacks Wertschätzung gegenüber dem Meer sowie seine Schuldgefühle wegen des hineingefallenen Strohhalms vermitteln von Anfang an, dass es sich dabei um ein schützenswertes Gut handelt. Als Ausflugsziel zeichnet sich das Meer durch Weitläufigkeit und Ganzheitlichkeit aus, die Vater und Sohn ein gemeinsames Erlebnis jenseits des Alltags ermöglichen. Erst nach seinem Verschwinden wird das Meer auch als trügerische Fassade erkennbar, die über Dimensionen der Zerstörung hinwegtäuscht. Diese offenbaren sich auf Jacks Suche nach dem geliebten Element ebenso wie die Bedeutung des Meeres als bedrohter Lebensraum für eine Vielzahl an Lebensformen. Auch wenn Jacks verbale Interaktion mit dem Meer einseitig bleibt, verdeutlicht die Rückkehr des Meeres die Notwendigkeit, das anthropozentrische Weltbild zu relativieren und mit der Umwelt in Beziehung zu treten, um sie zu bewahren. Dass der Müll unter der Oberfläche des Meeres verbleibt, unterstreicht einerseits die Irreversibilität des Anthropozäns und deutet andererseits auf die regenerative Kraft der Natur hin. Demnach lässt sich das Meer insgesamt als Symbol für die bereits an vielen Stellen überstrapazierte Natur lesen, deren Gefährdung zwar nicht immer direkt sichtbar ist, die aber eine unverzichtbare Lebensgrundlage des Menschen darstellt.
Während das Meer in Der Tag, an dem das Meer verschwand also seiner titelgebenden Relevanz entsprechend von der ersten bis zur letzten Seite als Handlungsraum und Handlungsträger fungiert, stellt es in Die Fabel von Fausto die letzte Station von Faustos Machtgebaren dar. Es setzt die Reihe der immer größer und widerspenstiger werdenden Statussymbole fort und bildet gleichzeitig deren Ende. Die von Jack als positiv wahrgenommene Weitläufigkeit des Meeres geht hier mit einer Bedrohung einher, was durch Größenverhältnisse und Perspektiven sowie die von überall her ertönende Stimme zum Ausdruck gebracht wird. Obwohl Fausto das Meer nicht mehr zu Fuß im feinen Anzug aufsucht wie die anderen Naturelemente, sondern sich mit Schiff, gelbem Friesennerz und Südwester wappnet, ist er nicht in der Lage, die auf allen Erzählebenen transportierte Überlegenheit der Naturgewalt zu akzeptieren. Dass das Meer sich im Dialog mit Fausto nicht nur der Inbesitznahme verweigert, sondern das Recht auf Besitz an Liebe und Verständnis koppelt, legt nahe, dass letztlich die Natur die Bedingungen für den Menschen vorgibt und die Mensch-Umwelt-Verhältnisse dominiert. Faustos Untergang im Meer ist demnach die logische Konsequenz des anthropozentrischen Hochmuts und suggeriert gleichzeitig die relative Bedeutungslosigkeit des Menschen im natürlichen Kreislauf. Demnach kann das Meer als Symbol für die Übermacht der Natur gedeutet werden, durch die der Mensch in letzter Konsequenz in seine Schranken gewiesen wird.
In enger Verbindung mit dem Meer sind auch weitere Elemente der Geschichten symbolisch aufgeladen. Beispielsweise materialisiert Jacks Strohhalm den Kipppunkt, ab dem die Natur sich nicht mehr selbst regenerieren kann, und die Farbe Neonrosa steht für Faustos Besitzanspruch, der schließlich mit ihm im Meer versinkt. Weitere Bedeutungsdimensionen eröffnen zudem die Lebewesen und Naturelemente: bei Jack die Möwe als ebenso lästige wie schützenswerte Spezies, die Meerjungfrau als fantastische und intertextuell ambivalente Figur, der Wal als mächtige und dennoch beeinträchtigte Tierart sowie die Schildkröte als langlebige, aber bedrohte Art und bei Fausto die fragile Blume, das gefügige Schaf, der gleichgültige Baum, der nachgiebige See sowie der eigenwillige Berg.
3.4.2 Fachdidaktische Anknüpfungspunkte
Gerade weil sich die vielschichtige Symbolik des Meeres erst in der direkten Gegenüberstellung der Geschichten und im Austausch über Sinndeutungen erfassen lässt und das Verstehen von Symbolen und Metaphern „Irritationsmomente“ (Boelmann & König 2021, 117) voraussetzt, die in der Primarstufe noch nicht als solche bewusst sind, bietet sich dieser Baustein als gemeinsamer Abschluss der Unterrichtsreihe an. Dabei wird zunächst das Wort „Meer“ an die Tafel geschrieben und jedes Kind mit drei verschiedenfarbigen Post-its ausgestattet. Auf einem Post-it sollen eigene Assoziationen mit dem Meer aufgeschrieben werden (Symbol-/Metaphernverstehen, Niveaustufe I), auf dem zweiten Post-it die Bedeutung des Meeres für Jack und auf dem dritten die Bedeutung des Meeres für Fausto (Symbol-/Metaphernverstehen, Niveaustufe II). Diese Vorgehensweise ermöglicht es den Kindern, zunächst eigene Ideen zu entwickeln und erst im Anschluss in einen Austausch darüber zu kommen. Die Post-its werden in drei Spalten an die Tafel geklebt und von der Lehrkraft gebündelt. Darauf aufbauend können Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Bedeutungszuschreibungen in der Klasse und in den Werken im Rahmen eines literarischen Gesprächs diskutiert und Grundprinzipien metaphorisch-symbolischer Darstellung in Text und Bild erörtert werden. Wichtig ist dabei, die vorgeschlagenen Deutungen an den Werken zu prüfen und nicht haltbare Interpretationen ggf. mit entsprechender Transparenz auszusortieren.
Das gewonnene Wissen kann schließlich dadurch gefestigt werden, dass die Kinder als Symboldetektive tätig werden, indem sie eines der beiden Werke noch einmal genauer auf weitere mehrdeutige Elemente hin untersuchen und für eines eine Karteikarte erstellen, auf der wörtliche Bedeutung, zusätzliche Bedeutungsdimensionen (Symbol-/Metaphernverstehen, Niveaustufe I) und die übertragene Bedeutung im Werk (Symbol-/Metaphernverstehen, Niveaustufe II) vermerkt werden. Abbildungen der Naturelemente und Lebewesen können zusätzlich als Hilfestellung angeboten werden. So entsteht nach und nach eine gemeinsame Symbolkartei, die auch im Umgang mit anderen literarischen Werken erweiterbar ist.
4. Fazit und Ausblick
Dem Beitrag liegt die Hypothese zugrunde, dass das