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Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren. Группа авторов
Читать онлайн.Название Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren
Год выпуска 0
isbn 9783706561921
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия Pädagogik für Niederösterreich
Издательство Bookwire
In der Phase der personalen Applikation lässt sich daran anknüpfen, indem die Kinder für das bearbeitete Werk eine eigene Episode nach dem erarbeiteten Muster (Problem-Lösungs-Abfolge bei Jacks Begegnungen, Vorher-Nachher bei Faustos Begegnungen) ergänzen und diese individuell inszenieren.
3.3 Baustein Sprache: Achtsamkeit als explizites oder implizites Credo
In der Genese des Terminus „literarisches Lernen“ ist die sprachliche Gestaltung bereits vor der Veröffentlichung von Spinners einschlägigem Aufsatz als leitgebend benannt worden. So hält beispielsweise Waldt fest: „Literarisches Lernen wird verstanden als die bewusste Auseinandersetzung mit dem Besonderen der literarischen Sprache.“ (Waldt 2003, 101) Eine ähnliche begriffliche Engführung nimmt auch Kruse vor: „Literarisches Lernen beginnt dort, wo die erste Begegnung mit literarisch geformter Sprache erfolgt.“ (Kruse 2007, 2) Spinner führt die aufmerksame Wahrnehmung sprachlicher Gestaltung als dritten seiner elf Aspekte an, wobei ihm vor allem „[w]ichtig ist, dass dabei die Funktion für die ästhetische Wirkung erkannt und erfahren wird.“ (Spinner 2006, 9) Dies differenzieren Boelmann & König in die beiden Niveaustufen Identifikation und Deutung sprachlicher Mittel aus (vgl. Boelmann & König 2021, 120) und schließen die Bildsprache insbesondere in der Primarstufe mit ein. Anders als beim Figurenverstehen und der Handlungslogik wird auf eine dritte Niveaustufe verzichtet, obwohl diese über das produktive Erproben sprachlicher Strukturen oder die Bewertung der Versprachlichung analog zu den anderen beiden Grundkompetenzen abzudecken wäre.
Das Verstehen sprachlicher Mittel ist Grundvoraussetzung dafür, die Konstruktion von Figuren und Handlung und letztlich die Gemachtheit literarischer Welten insgesamt zu durchdringen. Somit knüpft dieser Aspekt literarischen Lernens an die oben benannten BNE-Teilkompetenzen an, geht gleichzeitig aber darüber hinaus, da die globalen Problemlagen auch im Rahmen von Nachhaltigkeitsdiskursen immer wieder neu versprachlicht und dabei auch mit verschiedenen Konnotationen verbunden werden. Um im Sinne der Gestaltungskompetenz aus „Gegenwartsanalysen und Zukunftsstudien Schlussfolgerungen [...] ziehen“ zu können, ist es unabdingbar, deren Sprache und die damit verbundene Perspektivierung analytisch zu erfassen. Dies lässt sich an geschlossenen literarischen Welten gezielt anbahnen, denn „der literarische Text wird in der literatursprachorientierten Didaktik als Denkaufgabe verstanden, als intellektuelle Herausforderung, als ein sprachliches Problem, das Lösungsarbeit verlangt“ (Paefgen 1999, 27). In den beiden ausgewählten Geschichten kommen Text- und Bildsprache sowie deren Kombination auf sehr unterschiedliche Weise zum Einsatz, sodass die Denkaufgabe und Lösungsarbeit ein breites Spektrum abdecken kann.
3.3.1 Sachanalytische Zugänge
Der Tag, an dem das Meer verschwand setzt mit einer anschaulichen Beschreibung des Sonnenaufgangs über dem Meer ein, der „die Wasseroberfläche orange, rot und golden färbte und glitzern ließ wie einen Piratenschatz“ und in entsprechend warmen Farben und weiten Perspektiven ins Bild gesetzt wird. Diese sich gegenseitig ergänzende Hommage an die Schönheit des Meeres bildet nach dessen Verschwinden die Vergleichsfolie für die zurückbleibende Tristesse. Diese wird auf der Bildebene durch den fast identischen Bildausschnitt, in dem nur noch Pfützen und eine hinter Wolken verborgene Sonne zu sehen ist, und auf der Textebene durch Negationen verdeutlicht: „Nicht eine einzige glitzernde Welle, nicht eine schillernde Farbe war da zu sehen.“ Stehen während Jacks Suche nach dem Meer im Text vor allem wiederkehrende Dialogstrukturen im Fokus, manifestiert sich die Vielfalt der Begegnungen auf den Bildern in unterschiedlichen Farbnuancen und wechselnden Perspektiven. So zeigen sie den Protagonisten in der Weite der Müllberge aus der Vogelperspektive, sein Entsetzen über die aneinanderhängenden Möwen aus der Froschperspektive, seine Rettung der Meerjungfrau aus der Nahen und sein Gespräch mit dem Wal aus der Totalen, um Größenverhältnisse und die damit einhergehende Wirkungsmacht bzw. Wirkungslosigkeit zu unterstreichen. Das langwierige Erklimmen des Berges wird in mehreren aufeinanderfolgenden, immer kleiner werdenden Abbildungen der Figur eingefangen und durch die schräg nach oben verlaufende Typografie verdeutlicht. Auch an anderen Stellen dient die Schrift durch Fettdruck und Größe der Hervorhebung zentraler Erkenntnisse wie „Es war einfach überall. Plastik. Plastik. Plastik.“ und Botschaften wie „In den Händen von Kindern wie dir.“ Während die Grundstruktur der Handlung und die Kontrastierung der Welt mit und ohne Meer auch über die Bilder nachvollzogen werden können, kommt dem Text also zusätzlich die Funktion zu, Jacks Gedanken zu explizieren und teilweise moralisierende Plädoyers auszuformulieren. Dies setzt sich im Paratext in vorgefertigten Versprechen fort.
An die Stelle weitläufiger Bildsprache und ausschmückender Textsprache tritt in Die Fabel von Fausto minimalistische Reduktion. Die weißen Doppelseiten enthalten teilweise nur wenige Sätze ohne Bilder oder mit kleineren Bildelementen wie einem einzelnen Blatt. Auch die Figuren sind fast durchweg auf weißem Hintergrund abgebildet, was die mit Faustos Machtwillen einhergehende Dekontextualisierung von Mensch und Natur unterstreicht. Weitläufigere Ausgestaltungen des Raums finden sich lediglich in den Situationen, in denen Fausto auf Widerstand stößt, und nehmen erst ab der Begegnung mit dem Meer die Bildfläche zunehmend ein. An dieser Stelle wird auch die bis dahin in Braun und Neonrosa gehaltene Kolorierung durch das Blau des Meeres und das Gelb des Regenmantels abgelöst und die im Text wiederkehrende Grundstruktur von Besitzanspruch, Besitzzugeständnis und Genugtuung endgültig aufgebrochen. Die Anreicherung des Textes durch die Bilder wird insbesondere in der Darstellung von Faustos sich steigernden Wutausbrüchen sichtbar. Während der Text lediglich andeutet, dass Fausto dem See „zeigte […], wer hier das Sagen hatte“ oder „[an]fing […] zu toben, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte“, offenbart das Bild zunächst eine erhobene Faust und schließlich einen „schreiend offenen Mund unter dem mächtigen Schnurrbart, die Augen scheinen Fausto aus dem Kopf zu treten, die Iris im selben Neonrosa koloriert wie die Hände und Teile des Donnerwetters aus Spiralen, Blitzen und Krikelkrakel, das über seinem Haupt tobt.“ (Küchemann 2021) Der vorwiegend beschreibende und sachliche Duktus bleibt auch nach Faustos Tod erhalten und verzichtet auf eine Bewertung oder explizite Moralisierung.
3.3.2 Fachdidaktische Anknüpfungspunkte
Da die text- und bildsprachlichen Mittel zur Inszenierung von Figuren und Handlung beitragen, scheint es sinnvoll, diesen Baustein in die Bausteine Figurenverstehen und/oder Handlungslogik zu integrieren. So lässt sich die in der zweiten Phase des Figurenverstehens vorgesehene Figurenkonstellation durch eine direkte Gegenüberstellung der jeweils ersten Sätze „Jack liebte das Meer.“ und „Einst lebte ein Mann, der glaubte, ihm gehöre alles.“ vorbereiten, in der die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachten Eigenschaften extrahiert werden (Sprachverstehen, Niveaustufe I). Dies lässt sich in einem Wortcluster fortsetzen, in dem die Kinder alle Formulierungen oder Bildelemente aufschreiben, die den ausgewählten Protagonisten innerhalb der Geschichte charakterisieren und diese Versprachlichung auch im Vergleich der Werke reflektieren (Sprachverstehen, Niveaustufe II). Im Übergang von der objektivierenden