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sein könnte.“ (Seibert 2005, 172) Gerade mit Blick auf einen gewachsenen Wald mag dies auch heute noch stimmen. Die in Das Städtchen Drumherum entwickelte Grundidee ist jedoch gerade heute zeitgemäß: Die zunehmende Verstädterung wird per se nicht infrage gestellt, aber der Bedarf nach einer Stadtentwicklung im Sinne einer Re-Ökologisierung sehr deutlich gemacht. Der Vergleich mit neueren Projekten im europäischen Städtebau zeigt eine erstaunliche Aktualität des Kinderbuches: In Deutschland werden brachliegende Flächen im städtischen Raum dazu genutzt, neue Wälder entstehen zu lassen. Neuere städtebauliche Konzepte, wie sie etwa in Leipzig verwirklicht werden, weisen den „urbanen Wäldern“ durchaus zukunftsweisendes Potenzial zu (vgl. Rink & Arndt 2011). Die Bedeutung des Waldes für die Stadt wird auch im Sinne der zunehmenden Überhitzung in den Sommermonaten diskutiert. Ein aktuelles Projekt dazu, in dem der urbane Wald dargestellt wird, zeigt die Installation des Klima-Kultur-Pavillons in Graz (2021).

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       Abbildung 4: Am Ende wird der Zylinder wird durch einen Blumenkranz ersetzt. (© Verlag Jungbrunnen Wien)

      Mira Lobes und Susi Weigels Geschichte hatte gerade für die österreichische Kinderbuchszene Vorbildcharakter. Das aufkommende Problembewusstsein für Fragen der sozioökologischen Transformation zeigt ebenso das Bilderbuch von Wolf Harranth (*1941) Da ist eine wunderschöne Wiese (1972), in dem bewusst mit herkömmlichen Erzählmustern experimentiert wird. Auch hier wird die Sehnsucht der Stadtbewohner*innen nach mehr Grünraum thematisiert: Herr Timtim zeigt den Städter*innen eine grüne Wiese, die ganz im Gegensatz zu dem städtischen Grau steht und ideal zur Freizeitgestaltung anmutet. Die Urbanisierung schreitet rasch voran. Mehr und mehr Menschen kommen, das Grün wird in Parzellen geteilt, umzäunt, Geschäfte und eine Fabrik eröffnen. Doch die Idylle ist verschwunden: „Da denkt Herr Timtim zum erstenmal nach. Und alle anderen Leute denken mit ihm. Ganz still ist es. || Man hört nur den Lärm von der Straße und den Lärm aus der Fabrik.“ (Harranth 1972, 29) Um Erholung zu finden und dem Fabriks- und Straßenlärm zu entkommen, führt Herr Timtim die Menschen wiederum aus ihrem Wohnumfeld heraus, zu einer unbebauten grünen Wiese: „‚… da ist eine wunderschöne Wiese. Hier wollen wir bleiben.‘“ (Harranth 1972, 30) Das Ende nimmt den Anfang des Buches wieder auf, eine deutliche moralische Botschaft findet sich, anders als in Das Städtchen Drumherum, nicht: Ob die Menschen nun einen gewissenhafteren Umgang mit der Umwelt haben werden und was mit den bereits verbauten Flächen geschieht, wird nicht angedeutet.

      Mit diesem offenen Ende zeigt sich deutlich, wie sehr die Trennlinie zwischen Kinder- und Erwachsenenliteratur uneindeutig gehalten wurde: Dies entspricht dem damals erhobenen Anspruch einer Literatur für Kinder, die diese auf die Zukunft vorbereitet und sie zu sozialpolitisch verantwortungsvollen Akteur*innen macht. Die im Text nicht versprachlichte Quintessenz („Denkt nach und macht es besser!“) ist daher Teil der literarischen Konstruktion: Dies ist bezeichnend für den Einfluss damals vieldiskutierter pädagogischer Ansätze (etwa von Jean Piaget, 1896–1980, und Lawrence Kohlberg, 1927–1987), der sich ebenso im Bereich der Kinderliteratur zeigte. Erst im Prozess der Auseinandersetzung, im gemeinsamen Sprechen über den moralischen Konflikt, kann das „Dilemma“ (Kohlberg) gelöst werden und somit ein höheres moralisches Entwicklungsniveau erreicht werden.

      4. Wiederkehrende Motive im Nachhaltigkeitsdiskurs der 1970er-Jahre

      Die 1970er-Jahre sind auch die Zeit eines neuen Miteinanders auf Seite der Autor*innen und Institutionen. Die akademische Etablierung der Literatur für die Jugend beschleunigte sich, wobei die internationale Vernetzung zunahm. Dafür steht etwa die Gründung der „International Research Society for Childrens’ Literature“ (1970). Für die (oftmals internationale) Zusammenarbeit stehen viele Anthologien, die damals entstehen und Schreibende aus unterschiedlichen Ländern versammeln. Der Verleger Hans Joachim Gelberg war selbst an diesen Prozessen beteiligt. Er nennt die größte Errungenschaft der Autor*innen dieser Zeit, eine „Literatur wirklicher Nähe“ (Gelberg 2015, 8) geschaffen zu haben: „Literatur der Erfahrung also, Literatur im Generationen-Dialog, Entwicklung sozialer Fantasie. Das Wagnis, Kindern eine Literatur vorzulegen, die Anspruch und Maßstab aus der Erwachsenenliteratur bezieht.“ (Gelberg 2015, 8) Engagiert waren viele Verlage tätig, für Deutschland stehen hier etwa Beltz-Gelberg, Bitter und Anrich, Ellermann, Hanser sowie Suhrkamp (vgl. Doderer 2015, 5).

      Sagen Sie den afrikanischen Kindern, die morgen oder übermorgen an Hunger sterben werden: Euer Tod hat nichts mit Politik zu tun. Sagen Sie den Kindern, die wochenlang auf einem Floß übers Meer flüchten: Eure Angst hat nichts mit Politik zu tun. Vergessen Sie auch nicht die Kinder, die von Bomben verbrannt werden, von den Terror-Bomben der Attentäter und von den Terror-Bomben der Pflicht-Tuer in Militärflugzeugen, und erklären Sie ihnen: Eure Schmerzen haben nichts mit Politik zu tun. Und sagen Sie, bitte, den Kindern in den beiden Hälften der Welt: Der Hass, den man euch eingepflanzt hat, der hat nichts mit Politik zu tun. (Domenego 1987, 86)

      Dabei findet sich in den Kinderbüchern, die im Kreis der Gruppe entstanden, ein deutlicher Appell, politisch mitzuwirken und nicht alles hinzunehmen. Der Vorwurf, solche Texte seien Radikalisierungsliteratur, wurde erhoben. Gerade Mira Lobes Roman Die Räuberbraut, dessen Veröffentlichung in die Zeit der RAF-Attentate fiel, löste heftige Kritik aus (vgl. Wolf 1978). Ökologie ist einer der vielen Themenkomplexe, der in Die Räuberbraut angesprochen wird. Auch hier kommt dieses Thema in Verbindung mit dem Motiv der (jugendlichen) Empörung vor. Die Protagonistin durchlebt jedoch einen Wandel von einer Träumerin hin zu einer sozial engagierten Akteurin: Am Ende gründet sie ein Kollektiv und beschließt, gemeinsam mit ihren Freund*innen „wirklich-etwas-zu-tun“ (Lobe 1974, 199), sich also in ihrem sozialen Umfeld für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen.

      Interessant ist die Selbsteinschätzung der in diesem Kollektiv Mitwirkenden, die, zumindest was die Kinderbuchpublikationen in Österreich anbelangt, oftmals eine Art Themenführerschaft übernommen haben. Literatursoziologische Vergleiche mit anderen Autorenkollektiven, in denen die unterschiedlichen Wechselwirkungen (Mitwirkende, Verlage, Werke u.a.) berücksichtigt werden, stehen bislang noch aus. Die Herausbildung eines sozialökologischen Bewusstseins ist jedenfalls vielen Texten dieser Gruppe eingeschrieben. Es gab zahlreiche Einzelveröffentlichungen, die ebenso erkennen lassen, wie sehr sich die Gruppenmitglieder untereinander ausgetauscht haben. Exemplarisch mag dies an dem Kinderbuch Tante Tintengrün greift

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