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Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier
Читать онлайн.Название Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand
Год выпуска 0
isbn 9783429062491
Автор произведения Petra Lillmeier
Жанр Документальная литература
Серия Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge
Издательство Bookwire
•Ablehnung einer als „pädagogischer Naturalismus“ bezeichneten Auffassung, die das Kind als autonomes Wesen unbegrenzter Freiheit definiert und aus der ein erzieherischer Primat des Kindes unabhängig vom göttlichen Gesetz abgeleitet wird;
•Ablehnung von Despotismus und Gewaltanwendung in der Erziehung;
•Ablehnung von Erziehungskonzepten, die nicht auf der Basis von Dekalog, Evangelium und Naturgesetz – als dem Menschen genuine, eingepflanzte Fähigkeit, das göttliche Gesetz mit dem Verstand ergründen zu können – gründen;
•Ablehnung von Konzepten, die eine Befreiung des Kindes von religiöser Bevormundung anstreben;
•Ablehnung von Konzepten einer verfrühten sexuellen Aufklärung als Folge der Missbilligung des christlichen Menschenbildes, das um dessen angeborene Tendenz zu einer Schwäche des Willens weiß, denn „solange noch das Kindesalter andauert, wird es genügen, die Heilmittel anzuwenden, welche die Doppelwirkung haben, der Tugend der Keuschheit den Weg zu bereiten und dem Laster die Tore zu verschließen“112.
•Ablehnung der Koedukation, die sich aus der Schöpfungsordnung ergibt, die eine Abstufung der Geschlechter in Familie und Gesellschaft vorsehe. Christkatholische Erziehung habe eine Trennung nach Alter und Umstand vorzunehmen. Konkret benannt werden die „gefährlichen Entwicklungs- und Reifejahre“, die Sportstunden sowie eine Rücksicht auf das „christliche Schicklichkeitsgefühl“ der Mädchen.
•Ablehnung von Widersprüchen zwischen den Inhalten des Religionsunterrichts und andere Fächer, auch in der Auswahl der Lektüre.113
Zur Frage, an wen sich die formulierten Erziehungsansprüche und Erziehungsgrundsätze wenden, finden sich in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Wer sind die „christifideles“, an die sich die Enzyklika richtet? Dabei interessiert uns weniger die Klärung der Frage, für wen ihre Aussagen normative Gültigkeit besitzen.114 Was hier vielmehr interessiert, ist die Klärung der Frage nach möglichen Propria einer KGS aus der Historie heraus, also in Auswertung der vorliegenden Enzyklika. Sicherlich ist inhaltlich insgesamt kritisch festzuhalten, dass die von Pius XI. formulierten Grundsätze einer christlichen Erziehung wenig substanziell und vielfach von einer negativen Weltsicht geprägt sind. Auch spiegelt die Enzyklika ein stark objektbetonendes Bild vom Kind wider, so dass das Kind als eigenständiges Wesen nur wenig Beachtung findet.
Dennoch: Die Enzyklika enthält sehr wohl erste Ansätze eines subjektiven Rechts des Kindes auf Bildung und Erziehung, wie zum Beispiel nachfolgendes Zitat zeigt: „Aus den angeführten Grundsätzen erhellt gleichfalls klar und deutlich die, man kann wohl sagen unübertreffliche Vorzüglichkeit des christlichen Erziehungswerkes, das letzten Endes dahin zielt, den Seelen der zu Erziehenden das höchste Gute, nämlich Gott […] zu sichern.“115
Bleibt man in der Wahrnehmung und Rezeption dieses heute fremd anmutenden Textes hartnäckig und fragt weiter, ob sich Bemerkenswertes finden lässt, das zum Nachdenken und zur Profilierung heutiger Katholischer Bekenntnisschulen herausfordert: Ohne in dieser Ausrichtung einem universalen Anspruch katholischer Auffassungen oder restaurativen Tendenzen und Neigungen das Wort zu reden und einmal abgesehen vom lehrhaften Duktus, von den zahlreichen Negativformulierungen im Text und der aus heutiger Sicht problematischen theologischen Argumentation, lassen sich in „Divini illius magistri“ nämlich tatsächlich einige interessante Reflexionsimpulse einer christlichen Erziehung freilegen, die in der aktuellen pädagogischen Diskussion ihren Platz haben. Befragt man also nochmals die oben genannten Punkte, ob sie für heutige Katholische Grundschulen und die Frage nach einer „Erziehung und Bildung im Geiste des Bekenntnisses“ den Charakter eines Reflexionsangebots haben könnten, denn sie berühren durchaus auch moderne Fragestellungen: Dazu gehören zum Beispiel die Aspekte einer genderorientierten Erziehung, der Gewalt in der Erziehung, einer altersangemessenen Sexualerziehung angesichts der Gefahr subjektiver Überforderung von Kindern, Fragen nach einem „Recht des Kindes auf Religion“. Die Beantwortung all dieser Fragen könnte zur Profilbildung Katholischer Grundschulen beitragen.
Die kritische Einlassung von Schmitz-Stuhlträger, die in „Divini illius magistri“ formulierten erzieherischen Absichten seien rein auf das „Seelenheil“ und das „Jenseits“ ausgerichtet, so dass das Leben im „Diesseits“ keinen Eigenstand mehr besitze, findet zweifelsfrei ihre Berechtigung: Die Erlangung des „Seelenheils“ als Verheißung auf ewiges Leben und zum „Schutz vor den Qualen des Fegefeuers“ durch konsequente Befolgung der kirchlichen Gebote, Regelmäßigkeit in den Frömmigkeitsübungen und Teilhabe an den Sakramenten der Kirche als Ziel christlicher Erziehung sind theologisch kritisch zu hinterfragen. Ob allerdings eine reine „Diesseitsorientierung“ als Grundlage erzieherischen Handelns die entsprechende Alternative bildet, ist einer zeitkritischen Anfrage wert.
Schließlich sei ein letzter Aspekt an dieser Stelle hervorgehoben, weil er zeithistorisch bemerkenswert ist: Grundsätzlich unterscheidet die Enzyklika zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen.116 Insofern, hier folge ich Schmitz-Stuhlträger117, die Enzyklika von einer erzieherischen Sendung spricht, nimmt sie – gegenüber den Ungläubigen – den Charakter eines Angebots an.
Zugegeben: Der Blick auf die Enzyklika „Divini illius magistri“ hat für die Suche nach transformationsfähigen Propria kaum wesentliche Aspekte hervorbringen können. Er war aber dennoch unumgänglich, weil in diesem Text der in den unmittelbaren Nachkriegsjahren aufblühende kirchliche Anspruch auf ein „Recht zur Erziehung“ wurzelt. Dies unterstreicht auch Klöcker: „Der Rekurs auf den in der Erziehungsenzyklika von 1929 reklamierten ‚kirchlichen Totalitätsanspruch‘ […] als erster Erziehungsträger im Rahmen hierarchisch gestufter Ordnung und Wahrheitsverkündigung wird in den 1950er Jahren nochmals verstärkt.“118 Neben den wegweisenden Erkenntnisgewinnen muss demnach kritisch die Frage gestellt werden, ob und inwiefern – auch nachkonziliar – die Idee eines geschlossenen katholischen Milieus (katholische Lehrer, katholische Eltern, katholische Schule), wie es in „Divini illius magistri“ intendiert, vorausgesetzt und beschrieben wird, ein – weil nicht ins Bewusstsein gehobenes – unhinterfragtes Leitmotiv der KGS geblieben ist.
2.3„As in the Weimar Republic“: Die Grundschule nach 1945
Wesentliche Eigenheiten der Schulart „Katholische Grundschule Nordrhein-Westfalen“, ihre Entwicklungslinien sowie die politischen und kirchenpolitischen Absichten einer auf Konfessionalität ausgerichteten grundschulischen Bildung und Erziehung werden verständlich, betrachtet und reflektiert man ihre historische Genese unmittelbar nach 1945. Dieser Periode wendet sich dieser Abschnitt zu, um aus der Perspektive der politischen und kirchenpolitischen Entstehungsgeschichte heraus schulhistorische Grundlinien einer Katholischen Grundschule auszumachen. Dabei werden vorrangig und zentral Entwicklungen innerhalb der britischen Besatzungszone119 gemäß dem Potsdamer Abkommen von 1945 in den Blick genommen. Im nachfolgenden Abschnitt wird dann zu sehen sein, ob und inwiefern die Erfahrungen aus dieser historischen Epoche in die Gegenwart (kirchen)politischen Handelns hineinwirken (2.4).
Mit der Kapitulation Deutschlands und der Besetzung durch die Alliierten waren die Bemühungen auf eine zügige Wiedererrichtung der Schulen konzentriert. Bereits 1945 erteilte die britische Militärregierung den westfälischen und den Nord-Rhein-Provinzen den Befehl, die Schulen wiederzueröffnen, nachdem sie zunächst per Proklamation des Oberbefehlshabers General Eisenhower geschlossen worden waren. Dabei stellten