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man also Landé, ist die Konfessionalität der Lehrer- und Schülerschaft ein Erkennungsmerkmal für eine Bekenntnisschule und nicht ein Zugangsmerkmal. An anderer Stelle schreibt er: „In Gebieten dagegen, in denen eine Konfession stark überwiegt, ist vielfach schwer zu bestimmen, ob, bei Fehlen einer ausdrücklichen Bezeichnung, eine Bekenntnisschule vorliegt.“57 Die Konfessionalität von Lehrern und Schülern definiert die Schulart. (Dazu: Kap. 3.1.1.)

      Bevor die Frage um die innere Ausgestaltung einer Bekenntnisschule in Preußen bearbeitet werden kann, ist es notwendig, einen kurzen Blick auf die Kompetenzverteilung zwischen den Ländern und dem Reich zu werfen, da nur auf diesem Hintergrund die nachfolgenden Auseinandersetzungen verständlich werden:58

      •Dem Reich oblag die Grundsatzgesetzgebung auf dem Gebiet des Schulwesens. Aufgabe der Länder blieb der Bereich der Schulaufsicht, des Verordnungs- und Verwaltungsrechts.

      •Reich, Länder und Gemeinden sollten in der Organisation der Schulen zusammenarbeiten.

      •Die Lehrerausbildung und die schulstrukturelle Organisation des Bildungswesens – wie beispielsweise die der Gliederung der Volksschule – standen im Kompetenzbereich der Länder.

      Auf dieser Grundlage und mit dem Auftrag zur Zusammenarbeit versammelten sich im Oktober 1919 die Kultusminister der Länder sowie Referenten und Vertreter des Reichsinnenministeriums, um die Gründung des Reichsschulausschusses als Bindeglied zwischen Reich und den Ländern zu beschließen. Dieser Reichsschulausschuss verabredete im Zuge seiner Sitzungen die Bildung einer „Reichsschulkonferenz“ mit dem Auftrag, konkrete Vorschläge zu einer einheitlichen Ausgestaltung des deutschen Schulwesens zu erarbeiten. Mit der beachtlich hohen Zahl von insgesamt 600 Delegierten aus dem Reich und den Ländern tagte die Reichsschulkonferenz erstmals im Juni 1920. Die meisten Delegierten waren zugleich auch Interessenvertreter von Vereinen und Verbänden, auch dies erschwerte die Verhandlungen zusehends. Um die ohnehin schon schwierigen Beratungen nicht noch weiter zu erschweren, wurde schließlich die, wie Christoph Führ herausstellt, „hochpolitisch aufgeladene Frage der konfessionellen Gliederung der Volksschule“59 ausgeklammert.

      Welche Auswirkungen hatte die Kompetenzverteilung zwischen Reich, Land und Gemeinde auf die Klärung der Bekenntnisschulfrage?

      Die Reichsverfassung erwies sich in ihren Aussagen zu „Bildung und Schule“ als uneindeutig. Durch diese ihre Indifferenz stritt man u. a. um die Frage, ob die Bekenntnisschule oder die Simultanschule60 als „Regelschule“ anzusehen sei. Die Katholische Kirche drängte vehement auf die Bewahrung einer Schule religiöser Erziehung und katholischen Gedankengutes. Der Bildungshistoriker Christoph Führ sieht in dieser Phase Argumente „der alten Tendenz bekenntnismäßiger Absonderung“61 am Werk. Auf der anderen Seite, so schreibt er weiter, „drängten Liberalismus und Einheitsschulbewegung auf Einführung der für alle verbindlichen Simultanschule.“62 Auf diesen widerstreitenden Positionen also und unter starker Beobachtung und Intervention des katholischen Episkopats und verschiedener Interessengruppen – in erster Linie des „Deutschen Lehrervereins“ und der „Katholischen Schulorganisation“63 – galt es, ein Reichsschulgesetz zu erlassen, das die Frage der konfessionellen Ausrichtung („Bekenntnisschule versus Simultanschule“) rechtlich und allgemein regeln sollte. Diese Bestrebungen scheiterten. Es kam in der Zeit von Weimar zu keiner weiter reichenden Schulgesetzgebung, die die Frage der Bekenntnisschule für ganz Deutschland geklärt hätte: Der so genannte Sperrparagraph, der Artikel 174 der Weimarer Verfassung, erlaubte es den Ländern, die Bestimmungen des Artikels 146 bis zum Erlass eines neuen Reichsschulgesetzes unberücksichtigt zu lassen. Weil nun aber keine Einigung möglich war, blieb § 33 des Preußischen Volksschulunterhaltungsgesetzes von 1906 gültig: Öffentliche Volksschulen „sind in der Regel so einzurichten, dass der Unterricht evangelischen Kindern durch evangelische Lehrkräfte, katholischen Kindern durch katholische Lehrkräfte erteilt wird“64.

      Da es in dieser Untersuchung um die Fragestellung einer profilierten Ausrichtung einer Grundschule als Katholische Grundschule geht, muss hier noch auf die Rolle und Programmatik der Partei „Das Zentrum“ als der politischen Kraft eingegangen werden, die weite Teile des katholischen Deutschlands vertrat, weil sich dabei Hinweise auf eine an der Substanz einer Bekenntnisschule orientierten Argumentation ausmachen lassen.65 So findet sich etwa ein Hinweis auf Möglichkeiten einer inhaltlichen Ausgestaltung und Abgrenzung zwischen Gemeinschaftsschule einerseits und Katholischer Bekenntnisschule andererseits in dem 1924 diskutierten eigenen Reichsschulgesetzentwurf der Zentrumspartei. Nachfolgendes Zitat verdeutlicht eine angedachte, inhaltlich substanziell begründete Definition und Beschreibung der Ausrichtung einer Volksschule als Bekenntnisschule: „Die Gemeinschaftsschule (allgemeine Volksschule) erteilt den Unterricht auf religiös sittlicher Grundlage ohne Berücksichtigung der Besonderheiten einzelner Bekenntnisse. […] Die Bekenntnisschulen sind entweder evangelische oder katholische oder jüdische Volksschulen und als solche zu bezeichnen. […] Die dem Bekenntnis eigenen religiösen Übungen und Gebräuche, soweit sie für die Schule herkömmlich sind, werden gepflegt, ohne daß dadurch der Unterrichtsbetrieb im ganzen beeinträchtigt werden darf.“66 Hier wird also im gesetzlichen Rahmen eine kurze Umschreibung dessen versucht, was zuvor als „Unterricht und Erziehung im Geiste des Bekenntnisses“ bezeichnet wurde. Die Pflege eines konfessionell geprägten Brauchtums und die für das Bekenntnis konstitutiven religiösen Übungen sind Ausdruck einer konfessionsgebundenen Schule.

      Auch zur Fragestellung der Teilnahme von Kindern anderer Bekenntnisse, die „ausnahmsweise oder vorübergehend“ die Bekenntnisschule besuchen, macht die Vorlage einen Vorschlag: Sie sollen nicht zur Teilnahme an den religiösen Übungen verpflichtet werden. Die Bekenntnisschule verliere dadurch aber nicht ihre Eigenart.67 Eine personelle Verzahnung zwischen der Schule und der „Bekenntnisgemeinschaft“ soll dadurch unterstrichen werden, dass der zuständige Vertreter im Schulvorstand68 mit Sitz und Stimme vertreten ist.69

      Teile dieser inhaltlichen Programmatik einer Bekenntnisschule finden sich später im Entwurf eines Reichsschulgesetzes des Reichsinnenministers Walter von Keudell (1884-1973) wieder.70 Die Bekenntnisschule, so formuliert er, „erfüllt die Unterrichts- und Erziehungsaufgaben der deutschen Volksschule gemäß dem Glauben, in dem die Kinder erzogen werden“71. Aufschlussreich sind für uns folgende sog. „Keudell’schen“ Merkmale einer Bekenntnisschule, die sich teilweise auch in den oben skizzierten Vorschlägen der Zentrumspartei wiederfinden:

      •Aufnahme in eine Bekenntnisschule finden die Kinder des entsprechenden und verwandten Bekenntnisses. Durch eine Aufnahme von Kindern anderer Bekenntnisse verliert die Schule nicht ihren Bekenntnischarakter. Damit wird einer stärker werdenden konfessionellen Mischung der Bevölkerung Rechnung getragen. Konfessionsschulen sind nicht zwangsläufig konfessionshomogen.

      •Lehrkräfte gehören dem entsprechenden Bekenntnis der Kinder an; zur Erteilung des Religionsunterrichts eines anderen Bekenntnisses sind Lehrer dieses Bekenntnisses anzustellen.

      •Die Lehrpläne, Lehr- und Lernbücher sind dem Bekenntnis anzupassen.

      •Die dem Bekenntnis eigenen religiösen Übungen und Gebräuche sind zu pflegen.

      •Die dem Bekenntnis eigenen Feier- und Gedenktage sind zu berücksichtigen.72

      Zusammenfassend lässt sich aus diesen Vorlagen mit von Keudell folgende substanzielle Umschreibung vornehmen: Eine Bekenntnisschule ist eine Schule, die sich der Einübung in die dem Bekenntnis eigene Fest- und Feierkultur verschreibt und die in ihrer inneren Gestaltung Orientierung nimmt an den Festen und Feiern des Kirchenjahres und der Pflege religiöser Übungen und Bräuche.

      Schon bald entbrannte innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens allerdings ein Streit zwischen dem Zentrum und dem Entwurf von Keudells: Sind die drei Schularten als gleichberechtigt nebeneinander zu bewerten, oder gilt die Gemeinschaftsschule im Sinne einer Simultanschule als „Regelschule“, so dass die Bekenntnisschule als Ausnahme von der Regel anzusehen ist? Das Zentrum beharrte auf einem gleichberechtigten Nebeneinander und damit faktisch auf einem Fortbestand der geltenden Zustände. Die Zahlen gaben ihm Recht: Von den 1 647

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