ТОП просматриваемых книг сайта:
Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier
Читать онлайн.Название Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand
Год выпуска 0
isbn 9783429062491
Автор произведения Petra Lillmeier
Жанр Документальная литература
Серия Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge
Издательство Bookwire
Zusammenfassend kann nun folgendes Resümee gezogen werden: In der Zeit von Weimar wurde öffentlich vehement besonders um die Frage der Konfessionalität der Volksschule gestritten, deren „Grundschule“, wie aufgezeigt, die unterste für alle Kinder gemeinsame Grundstufe der Bildung war. Dieser Disput um die Bekenntnisschule prägte die Weimarer Republik, konnte aber nicht gelöst werden. Dies gilt nicht nur für die organisatorische Ausrichtung des Volksschulwesen sondern insbesondere auch für die inhaltliche Ausgestaltung. So stellt Grünthal fest: „[…] obgleich die Bekenntnisschule in den meisten Ländern als regelmäßige Schulform gesetzlich anerkannt war, gab es […] keine juristische Kennzeichnung der inneren Merkmale der Konfessionsschule.“74
Die Auseinandersetzungen um eine auf ein Bekenntnis ausgerichtete Volksschule (und damit eine Grundschule) für alle Kinder sind politisch auf dem Hintergrund eines schmalen historischen Zeitfensters zu lesen und zu verstehen. Die in diesen Fragen parteipolitisch zerstrittene Regierung und der föderale Zuschnitt der Verantwortlichkeiten in Fragen des Bildungssystems zeigen eine in ihren Wurzeln ungeklärte pädagogische Ausrichtung der „Grundschule“ in einer Zeit großer pädagogischer Entwürfe75.
Was unter einer konfessionellen Ausrichtung der Grundschule – als der untersten allgemeinen Grundstufe des Bildungswesens – zu verstehen ist, lässt historisch keine eindeutige Antwort zu. Die widerstreitenden Positionen machen deutlich, dass die „Konfessionsfrage“ wenig substanziell befeuert war und viel um die Frage kreiste, wem die Erziehung und Bildung denn nun eigentlich „gehörten“, wer also zu bestimmen habe, in welcher Weise und auf welcher Grundlage Kinder im öffentlichen Raum der Grundschule unterrichtet und erzogen werden. Der Blick „back to the roots“ zeigt also auf, dass die Grundschule als Bekenntnisschule ein „Zankapfel“ parteipolitischer und machtpolitischer Interessengruppen war; die entschiedene Ausrichtung am Kind und seinen Interessen blieb sie schuldig.
Was die religiöse Gestaltung des Schullebens in ihrer konkreten Ausgestaltung betrifft, lässt sich mit Geißler zusammenfassen: „Zwar als Pflichtveranstaltungen hinfällig geworden, so bleiben die tägliche Morgenandacht, das Schulgebet, die Schulandacht zu Beginn und Ende der Woche, der sonntägliche Kirchenbesuch der Schüler […] doch sämtlich zulässig und üblich.“76
Die meisten öffentlichen Volksschulen blieben Konfessionsschulen, nicht selten waren jedoch die Grenzen zur Gemeinschaftsschule in Bezug auf eine konfessionelle Homogenität fließend, wie Geißler feststellt,77 denn manchmal ließen die örtlichen Verhältnisse gar nichts anderes zu.
Nachfolgend steht die Frage nach der Rolle der Katholischen Kirche in der Auseinandersetzung um eine konfessionelle Ausrichtung der Volksschule im Fokus. Dabei wird primär nach Motiven, Zielen und konkreten Ausprägungen des auf Konfessionalität ausgerichteten Schulstreits zu fragen sein.
2.2Der Klerus zur Schulfrage der Weimarer Republik
Die beschriebenen Schwierigkeiten um eine Schulgesetzgebung in Reich und Land und die langwierigen Verhandlungen in den politischen Auseinandersetzungen um die konfessionelle Ausrichtung der Grundschule als Teil der Volksschule machten in der gesamten Weimarer Zeit dem deutschen Episkopat zu schaffen. Sie führten zu starker Beunruhigung und zu Misstrauen gegenüber dem Staat78 und zur Sorge um den Erhalt der Bekenntnisschule. So äußerte sich schließlich Pius XI. in der Enzyklika „Die christliche Erziehung der Jugend“ im Jahr 1929 zur Schulfrage. Auch der deutsche Episkopat ging in verschiedenen „Hirtenbriefen“79 sowie in einer gemeinsamen „Denkschrift“ der Frage einer konfessionellen Ausrichtung der Volksschule nach.
Auf welchem kulturhistorischen und soziologischen Selbstverständnis und Hintergrund sind diese im Folgenden exemplarisch näher zu untersuchenden Texte zu lesen?
Michael Klöcker80 legt dar, dass die Vorstellung und Idee einer Katholischen Schule als ein „geschlossenes Bildungsgehäuse“ prägend war für weite Teile des deutschen Katholizismus und insbesondere des Episkopats. Diese Vorstellung entsprang, soziologisch betrachtet, der Idee einer katholischen Gesellschaft innerhalb einer nichtkatholischen Umwelt; eines „katholischen Milieus“ also, dessen Besonderheit in der Geschlossenheit und Abgeschlossenheit lag, innerhalb einer „Außenwelt“, die als Bedrohung wahrgenommen wurde.81 Niederschlag und Sicherung fand dieses „katholische Milieu“ in einem katholischen Werte- und Normensystem, welches sich zwar nicht in einem einheitlichen Sozialmilieu realisierte, wohl aber im Rahmen einer gemeinsamen, verbindenden norm- und wertegebundenen, spezifischen Fest- und Feiertagskultur (in schichtspezifisch unterschiedlich konkreter Ausgestaltung und Ausprägung)82 – flankiert von einem zunehmenden binnenkirchlichen Bestreben um Vereinheitlichung.83 Für das „geschlossene Bildungsgehäuse“ der Katholischen Bekenntnisschule können im Rahmen des „katholischen Milieus“ folgende konkrete, typische Merkmale einer katholischen Erziehung und Bildung84 benannt werden:
•die Einteilung der Welt in „Gut und Böse“,
•das Auswendiglernen nach dem Prinzip „klare Frage – klare Antwort“ (Katechismuswissen),
•eine Lohn-Strafe-Pädagogik (Hölle = Pein und Himmel = Seligkeit),
•das Einüben in Gehorsam, Disziplin und Genügsamkeit,
•klare Hierarchisierung: „Gottvater – Heiliger Vater – Landesvater – Beichtvater – Familienvater“85,
•die Frau als mütterlich fürsorgendes, vielgebärendes Herz der Familie,
•Heilige („himmlische Helfer“) als Vorbilder normgerechten Verhaltens,
•Jesus als der „gehorsame Musterknabe“.
Klöcker skizziert damit Merkmale katholischer Bildung und Erziehung, die sich vorrangig in den ländlichen Gebieten, aber auch in den Großstädten vor dem Hintergrund zunehmender, Unsicherheit hervorrufender ökonomischer Veränderungen in der Gesellschaft als attraktiv erweisen sollten: Sicherheit und Klarheit in den Aussagen, Ausrichtung auf das Jenseits und Geborgenheit im Milieu erwiesen sich für einige Bevölkerungsteile als ausgesprochen anziehend.
Es ist dieser Hintergrund katholischer Milieubeschreibung, vor dem es nun reizvoll erscheint, nach einem möglichen historischen Proprium Katholischer Bekenntnisgrundschulen zu fragen.
Drei Schreiben werden nachfolgend daraufhin – in chronologischer Reihung – exemplarisch befragt und untersucht:
•die Denkschrift der katholischen Bischöfe von 1920,
•die Hirtenworte der deutschen Bischöfe zur Schulfrage aus den Jahren 1919 und 1920 sowie
•die Enzyklika von Papst Pius XI.: Divini illius magistri – Über die christliche Erziehung.
Verzichtet werden kann an dieser Stelle auf eine Untersuchung der Stellungnahmen katholischer Verbände und Initiativen, wie sie zum Beispiel seitens der „Katholischen Schulorganisation“ vorliegen, die 1911 vom preußischen Zentrumsabgeordneten Marx gegründet wurde und deren Ziel es u. a. war, das Elternrecht auf katholische Erziehung zu stärken. Da diese Organisationen zwar über großen, auch politischen Einfluss86 verfügten, ihre Schriften allerdings keine Verbindlichkeit erreichten, kann an dieser Stelle auf eine eingehende Aufarbeitung verzichtet werden.
2.2.1Denkschrift der katholischen Bischöfe von 1920 87
Im November