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nordrhein-westfälische Landesregierung schließlich, die Bestimmung der Schulart an das Bestimmungsrecht der Eltern zu binden.

      Betrachtet man die (historische) Auseinandersetzung um die Bekenntnisschulfrage zwischen der Landesregierung und der Katholischen Kirche, die bei der Neugestaltung des Schulwesens 1967 neu entbrannte, nun genauer, so zeigt sich, dass diese wohl in erster Linie eine Auseinandersetzung um die künftige Hauptschule war.

      Die kirchlich heftig umstrittene „Kalkumer Empfehlung von 1967“ der Regierungskoalition, die für eine konfessionsgeprägte Hauptschule die Privatschullösung vorsah, formulierte für die Grundschule, dass diese entsprechend der Wahl der Eltern Bekenntnis-, Gemeinschafts- oder Weltanschauungsschule sein könnte.150 Dies wird auch in einer Nachbemerkung Böckenfördes im o. g. Rechtsgutachten deutlich, in der er auf die weltanschaulich nicht homogene Gesellschaft abhebt und feststellt: „Gleichwohl ist die Neuordnung des (Haupt-)Schulwesens im Sinne der Kalkumer Empfehlungen vor allem an der Ablehnung durch die katholischen Bischöfe gescheitert.“151 Es zeigt sich an dieser Stelle, dass Böckenförde einen Bezug zur Grundschule, um deren Schulartbestimmung es ja in gleicher Weise ging, erst gar nicht herstellte.

      Die Auseinandersetzungen in den 1960er Jahren über die strukturellen Veränderungen in der Schullandschaft, die sich aus der Neuordnung des Schulwesens ergaben, gingen einher mit einem weitreichenden bildungspolitischen Diskurs über die inhaltliche und pädagogische Ausgestaltung der Grundschule. Die Kritik war weitreichend. Sie berührte soziologische Fragestellungen, wie z. B. die des Zusammenhangs zwischen Bildungschancen und Milieuzugehörigkeit, des verzeichneten Stadt-Land-Gefälles im Ausbildungsniveau der Schülerinnen und Schüler, des unterschiedlichen Sprachniveaus der Kinder innerhalb der Bevölkerungsschichten; sie bezog sich auf pädagogische Fragen, wie z. B. die der frühkindlichen Förderung und der Gestaltung der Übergänge, und rekurrierte auch auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts, wie beispielsweise die der volkstümlichen Ausrichtung des Unterrichtsfaches „Heimatkunde“. Dabei hatte doch der „Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen“ (1959-1962) der Grundschule bescheinigt, dass sie „eine pädagogische Haltung und unterrichtliche Verfahren gewonnen [habe], die zwar der weiteren Ausgestaltung und Festigung, aber keiner grundsätzlichen Wandlung mehr bedürfen“152.

      Insbesondere Erwin Schwarz aber läutete mit seiner Fragestellung „Ist die Grundschule reformbedürftig?“ eine Phase intensiver Auseinandersetzung um die strukturelle, pädagogische und didaktische Ausrichtung der Grundschule ein.

      Insgesamt zeichnet die Schulgeschichtsforschung das Bild einer eher rückständigen Grundschule, die nicht selten als (konfessionsgebundene) Zwergschule geführt wurde. Die konfessionelle Prägung, so vielfach ihre Argumentationslinie, verstärke noch ihre antiquierte und unzeitgemäße pädagogische und didaktische Ausrichtung.153

      Vor diesem Hintergrund wurde in den 1960er Jahren in verschiedenen Studien die Frage nach einem „(katholischen) Bildungsdefizit“ der Grundschule intensiv beleuchtet. Es erwachte das Interesse an einer genuinen Grundschulpädagogik. Elisabeth Neuhaus stellte in ihrem erstmals 1974 erschienenen Werk „Reform des Primarbereichs“, rückblickend auf diesen Zeitabschnitt innerhalb der Grundschulentwicklung, die Frage, „inwieweit durch die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben bestimmte Wertvorstellungen und Wertorientierungen erwachsen, die prägend in den Sozialisationsprozess eingehen“. Sie merkt kritisch an, dass „vielfach darauf hingewiesen [wird], daß der Katholik eher zu einer weltfremden Einstellung neigt, sein Schicksal als gottgegeben annimmt und auch die vorgegebene ererbte soziale Situation als unveränderbar akzeptiert“154. Dies galt offenbar insbesondere für die katholische Landbevölkerung, für die bevölkerungssoziologisch eine besonders große Anzahl von Katholiken in der sozialen Unterschicht statistisch auszumachen war. Kulminiert man diese einzelnen Faktoren eines Bildungsrisikos zu einer Gesamtaussage, erscheint die Kunstfigur des katholischen Arbeitermädchens vom Land als Inkarnation drohender oder realisierter Bildungsferne. Diese vieldiskutierte Problematik einer Zeitgemäßheit der pädagogisch-didaktischen Ausgestaltung der Grundschule findet dann in der 1969 von Erwin Schwarz formulierten Frage, ob die Grundschule reformbedürftig sei, ihren greifbaren Ausdruck.155

      Allerdings: Die von Schwarz abgeleitete Forderung nach einer stärkeren wissenschaftlichen und operationalisierbaren Gestaltung des Unterrichts der Grundschule stieß bei Ilse Lichtenstein-Rother, einer zentralen Protagonistin einer eigenständigen Grundschulpädagogik, nachdrücklich auf Kritik. Sie konstatierte, dass beide Pole, Kind- und Sachgemäßheit, das Spannungsgefüge grundlegender Bildung in der Grundschule markieren.156

      Mit Blick auf den Fokus dieser Arbeit stellt sich damit zeithistorisch die Frage nach Beiträgen und Impulsen seitens der wissenschaftlichen Religionspädagogik zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Grundschule katholischer Prägung. Hier hat es durchaus Anknüpfungspunkte gegeben, nimmt man zum Beispiel die kirchlicherseits immer wieder betonte Frage des sogenannten „Elternwillens“ auf. Im Strukturplan für das Bildungswesen von 1970 heißt es beispielsweise: „Keinesfalls darf die Schule ihren Auftrag so verstehen, daß ihr die Kinder kraft Gesetzes einfach zugesprochen werden“157. Diese Aussage berührt historisch erneut die Frage einer Verhältnisbestimmung von staatlicher Schule und dem Elternrecht auf Erziehung, denn die Kinder werden der Schule also gerade nicht von Staats wegen (auf der Grundlage ihrer Konfessionszugehörigkeit) einfach zugewiesen. Damit tritt auch die Problematik der pädagogischen und religionspädagogischen Ausrichtung der KGS deutlich zutage. Wenn also die staatlich gesetzte Schulpflicht nicht nur eine zwangsläufige, automatische Überweisung des Kindes in eine staatliche Institution darstellt und auch der Besuch einer Katholischen Grundschule, anders als vielleicht zu erwarten ist, nicht etwa eine „Zwangsläufigkeit qua Taufschein“ darstellt, dann sind die Eltern gefordert, sich mit beiden Schularten und deren jeweiligem Profil auseinanderzusetzen, um eben eine bewusste Schulwahl treffen zu können. An dieser grundschulhistorischen Schnittstelle war insbesondere die Religionspädagogik herausgefordert, die sich allerdings in dieser Frage auffallend ruhig und zurückhaltend verhielt. Auch angesichts der Forschungsergebnisse zu den Bildungschancen des „katholischen Mädchens vom Land“ wäre eine substanzielle Auseinandersetzung zu Fragen der Bildungsgerechtigkeit religionspädagogisch durchaus geboten gewesen. Konkrete Anknüpfungspunkte hätte es ja zur Genüge gegeben, wie eine weitere Aussage aus dem „Strukturplan für das Bildungswesen“ exemplarisch belegt: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es weder ausreichend, Chancengleichheit nur beim Start formal zu garantieren, noch kann die Aufgabe der Schulen ohne ausdrückliche soziale Lernziele geleistet werden.“158 Zwar waren Fragen um eine allgemeine, globale Bildungsgerechtigkeit durchaus Themen innerhalb einer Praktischen Theologie in den 1970er Jahren, allerdings kaum im Hinblick auf einen gerechten Zugang zu grundschulischer und damit grundlegender Bildung und Erziehung in Deutschland. Tatsächlich finden sich nur wenige solcher Beiträge, die in der öffentlichen Diskussion Rezeption gefunden hätten. Zur bildungspolitischen Konzeption der Katholischen Kirche von 1945 bis 1965 schreibt Franz Pöggeler 1967: „Was die katholische Konzeption der Volksschule betrifft, so sind nur in geringem Maße wirklich neuartige Vorschläge von katholischer Seite gemacht worden; […] im großen und ganzen verhalten sich katholische Stellen diesen, von anderer Seite gemachten Vorschlägen gegenüber mehr kommentierend als schöpferisch, was in weiten Kreisen der Volksschullehrerschaft als Mangel empfunden wird.“159

      In den 1969er Jahren vergrößerte sich das wissenschaftliche Interesse an der Grundschule stetig, und es erschienen explosionsartig Fachartikel und Bücher, zu Einzelfragen einer Grundschulpädagogik und -didaktik. Diese enorme Fülle und die Vielzahl pädagogischer, schulpolitischer, organisatorisch-struktureller und (fach)didaktischer Literatur machte es einer konkreten Orientierung und Positionierung der einzelnen Lehrerin nicht gerade leicht. Sie zeigt allerdings auch einen Wandel innerhalb der Diskussion um die Grundschule an. Nicht länger sollte sie ein „Schonraum“ des ruhigen und ungestörten Aufwachsens des Kindes sein, um den sich auch die Wissenschaft nicht weiter zu kümmern habe, vielmehr sollte sie fortan Stätte der Natur- und Weltbegegnung unter Berücksichtigung der intellektuellen Möglichkeiten des Kindes sein und werden.

      Viele dieser in den ausgehenden 1960er und den 1970er Jahren aufgeworfenen

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