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hätte, gab es damals […] noch nicht.“67 Einzig sein Professor für Moraltheologie, Josef Zürcher SMB, beeindruckte ihn, weil er „seiner Zeit weit voraus war.“68 Auch litt das Studium unter den wiederholten Unterbrechungen durch die Militärdienstzeiten.69 Crottogini empfand es als ein Studium, in dessen Mittelpunkt nur das Bestehen der Examen stand. Für eine „gründliche, persönliche Auseinandersetzung mit den fundamentalen Fragen des Glaubens“70 habe es während des Krieges an Ruhe und Zeit gemangelt. Später nannte er es deshalb selbst ein Studium der „Schmalspurtheologie“71.

      Vor der Priesterweihe war mit dem Generaloberen Eduard Blatter72 das nächste Ziel Crottoginis besprochen: China. Er bereitete sich maßgeblich auf dieses Missionsziel vor, indem er sich Wissen über chinesische Philosophie und chinesische Geschichte anlas. Wegen aufkommender politischer Unruhen in China aufgrund des Mao-Vormarsches sandte die SMB allerdings vorerst keine Missionare mehr dorthin aus. Man wollte „keine Märtyrer haben […], sondern lebendige Mitglieder.“73 Alternativ zog man deshalb in Betracht, Crottogini im darauffolgenden Jahr für ein Jahr nach Japan zu schicken, und wartete zunächst seine unmittelbar bevorstehende Priesterweihe ab. Er empfing sie am 30. März 1947 von seinem ehemaligen Lehrer - inzwischen Bischof von Chur – Christian Caminada74 mit fünf weiteren Alumnen in Immensee. Die Primiz feierte er am 7. April 1947 in der Kathedrale von Chur.75

      Kurz nach der Weihe bat der Generalobere Crottogini, für ein Jahr – bis zur geplanten Japan-Mission – Schuldienst und damit verbunden die Aufgaben des Präfekten am Progymnasium76 der SMB in Rebstein zu übernehmen. Crottogini willigte ein, aber vor dem Hintergrund, bald in die Mission gehen zu dürfen.

      „[D]amals meinte man, wenn einer Philosophie und Theologie studierte, könne er auch Schule geben, aber ich hatte keine Ahnung, was das eigentlich hiess […]. Im ersten und zweiten Gymi [den ersten beiden Gymnasialstufen; J. S. ], dort hatten wir Klassen à sechzig Leute, Doppelklassen à dreissig und dann musste ich noch Deutsch übernehmen und jeden Tag haben wir in der Schule ein Diktat gemacht, damit sie Deutsch lernen. Aus der ganzen Schweiz waren Knaben da, und jede Woche einen Aufsatz. Ich musste da jeden Tag 60 Hefter korrigieren, ich kam meistens gar nicht nach. […] Und noch Präfekt [für die Internatsschüler; J. S.] spielen, da wusste ich auch nicht so recht, was das ist. […] [D]ie mussten gemeinsam ins Bett, gemeinsam aufstehen, und ich in einer Kabine dazwischen, zwischen diesen grossen Schlafsälen. Ich bin jeweils nachts um zwölf todmüde ins Bett gefallen und habe gleich geschlafen.“77

      Auf sein erstes Jahr am Gymnasium folgte dann die große Enttäuschung: Crottogini sollte nicht wie ursprünglich vereinbart in die Mission nach Japan geschickt werden. Stattdessen griff man auf Missionare für Japan zurück, die sich bereits in Peking im Sprachstudium und somit schon rein geographisch näher am Missionsland befanden. Crottogini hingegen bat man, ein weiteres Jahr am Gymnasium zu unterrichten. Dort brauche man momentan dringend Lehrer, nach Japan könne er schließlich im Anschluss noch immer.78

      Mit seinem Eid hatte sich Crottogini gemäß Art. 2 der Konstitutionen SMB zum Dienst am Missionswerk der Gesellschaft und zum Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen Oberen verpflichtet. Crottogini sah darin das Versprechen, sich für einen missionarischen Einsatz zur Verfügung zu stellen, wenn auch nicht geographisch festgelegt. Dazu merkte er an: „Aber man wird normalerweise gefragt, wohin man will.“79 Als er 1949 gebeten wurde, im Schuldienst zu bleiben, lehnte er ab. Doch man ließ ihm keine Wahl. Man erinnerte ihn, er habe letztlich im Gehorsam dem Befehl des Oberen zu folgen.80

      Um längerfristig als Lehrer am Gymnasium mit Maturitätsberechtigung eingesetzt zu werden, fehlte Crottogini eine klassische Lehrerausbildung, d. h. ein akademischer Titel, der zum Unterrichten an staatlichen Schulen berechtigte. Von der ursprünglichen Japan-Planung blieb 1949 damit nicht viel übrig: Aus einem Missionseinsatz in Asien sollte ein Hochschulstudium in der Schweiz werden.81 Gegen seinen Wunsch wurde die „China-Destination in ‚Schuldienst in der Heimat‘ umgewandelt, mit der Auflage eines vorgängigen Spezialstudiums, versehen mit dem ‚Trostpflästerchen‘ ein späterer Missionseinsatz bleibe dadurch durchaus offen.“82

      Crottogini immatrikulierte sich deshalb zum Wintersemester 1950/51 an der Philosophischen Fakultät der Universität Fribourg. Rückblickend gibt es keine Hinweise darauf, aus welchen Gründen seine Wahl auf die Universität Fribourg fiel. Vielleicht war es die Wahl des Generaloberen gewesen oder eine gemeinsame Entscheidung. Dass die SMB allerdings auch eine Schule in Fribourg unterhielt, und Crottogini somit immerhin schon einen Anlaufpunkt in der Stadt hatte, könnte die Entscheidung begünstigt haben. Die Aussage Crottoginis, man sei normalerweise gefragt worden, wohin bzw. was man wollte, traf für ihn dann zumindest bei der Wahl der Studienfächer zu. Die einzige Auflage war gewesen, einen Abschluss zu erwerben, der ihn als Lehrer qualifizierte.

      In seinem ersten Semester an der Universität Fribourg besuchte Crottogini Veranstaltungen in verschiedenen Fachbereichen, bevor er sich im zweiten Semester auf seine Hauptfächer festlegte. Aus Interesse wählte er Pädagogische Psychologie/Berufspsychologie und Heilpädagogik zu seinen Hauptfächern.83 Als Nebenfächer belegte er Deutsche Literatur und Geschichte, um auch Schulfächer abzudecken. Entgegen seiner anfänglichen Lustlosigkeit am Studium war er aber nach wenigen Monaten von seinen Studienfächern – vor allem von der Berufspsychologie – fasziniert.84 Das Studium verlief problemlos und unspektakulär.85

      Mit der Wahl der Hauptfächer fand er auf Anregung einer seiner Professoren auch schon im zweiten Semester sein Dissertationsthema.86 Léon Walther87, Professor für Arbeits- und Berufspsychologie am Pädagogischen Institut der Universität Fribourg, gab Crottogini den „ersten Anstoß und wertvolle Anregungen“88, im Bereich der Berufsgenese von Priestern zu promovieren und half ihm bei der Ausarbeitung. Walther hatte zuvor selbst eine Arbeit über die Berufsmotivation reformierter Pfarrer verfasst und befasste sich seinerzeit mit den Motivationen angehender Ordensschwestern. In diesem Kontext kam Crottogini „die Idee, eine ähnliche Untersuchung für Priesteramtskandidaten durchzuführen. Mich interessierte allerdings dabei nicht nur ihre Berufsmotivation, ich wollte vielmehr auch den Einflussbedingungen der Genese ihres Berufswunsches nachspüren.“89

      Zum Wintersemester 1952/53 begann er mit den empirischen Erhebungen für sein Dissertationsprojekt. Hierfür musste er viel reisen, um anhand eines von ihm entwickelten Fragebogens in der Schweiz, in Deutschland und auch in Randgebieten Frankreichs Seminaristen zu ihrer Berufsmotivation zu befragen. „Das Hauptanliegen [der Dissertation; J. S.] ist die Erforschung der empirisch faßbaren Faktoren, die bei der Wahl des Priesterberufes von Bedeutung sind.“90 Aber auch nach seiner Rückkehr war sein Projekt noch immer sehr arbeitsintensiv. So arbeitete Crottogini „[n]achts […] damals […] bis morgens 02.00 Uhr durch[] und [feierte] um 06.00 Uhr schon wieder mit den Schwestern des Kantonsspitals die Frühmesse“91.

      Schließlich reichte er seine Dissertation mit dem Titel Die Wahl des Priesterberufes als psychologisch-pädagogisches Problem im Frühjahr 1954 bei dem katholischen Erstgutachter Prof. Eduard Montalta92 ein, weil es Walther als Protestant am „letzte[n] Verständnis für [die] tiefere Wirklichkeit des Priesterberufes“93 gefehlt habe. Bei Montalta hatte Crottogini zuvor Vorlesungen in der Heilpädagogik und der Kinder- und Jugendpsychologie gehört.94 Seine letzte Prüfung an der Universität legte Crottogini am 15. Mai 1954 ab. Über den Abschluss seines Studiums berichtete er seinem Generaloberen Blatter: „Es ist alles weit besser gegangen, als ich zu hoffen wagte. Sowohl für die schriftliche wie mündliche Arbeit erhielt ich ein Summa cum laude.“95 Nachdem die Anzahl der Pflichtexemplare erst von 50 auf 30 reduziert worden war96, hatte der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät Crottogini 1956 von der Ablieferung der Pflichtexemplare ausnahmsweise gänzlich befreit.97 Die Exemplare waren zwar bereits gedruckt, durften aber aufgrund eines Publikationsverbots vom Hl. Stuhl nicht verbreitet werden. Der Abschluss des Promotionsverfahrens verzögerte sich entsprechend, weshalb er seine offizielle Doktorurkunde erst im Sommer 1956 erhielt.

      Nach

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