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Die Gilde der Seelenlosen. Eckhard Bausch
Читать онлайн.Название Die Gilde der Seelenlosen
Год выпуска 0
isbn 9783947721238
Автор произведения Eckhard Bausch
Жанр Языкознание
Серия Die Dunstein-Chroniken
Издательство Bookwire
Der Bewacher der Gruft erhob sich.
„Wieso seid Ihr sicher, dass der Eisbaum von Orondinur bedroht wird?“, erkundigte sich die Eisgräfin.
„Das Geflecht der alten Wesenheiten verfügt über Möglichkeiten der Verständigung, von denen die Sterblichen nichts ahnen“, entgegnete Truchulzk. „Ihr müsst so schnell wie möglich nach Sindra fliehen.“
„Ich werde meinen Baum nicht im Stich lassen“, entschied die Eisgräfin und wandte sich an den Pylax: „Hole die Schutzgarde von Orondinur! Wir treffen uns am Standort des Baumes.“
„Gegen die Gilde der Seelenlosen seid Ihr machtlos“, beschwor der Bewacher der Gruft die zierliche Gatyerin. „Auch der „vernichtende Blick“ wird Euch nichts nützen.“
„Meine Entscheidung ist gefallen“, beharrte Duotora.
„Dann lasst mich wenigstens hierbleiben, um den künftigen Hochkönig zu beschützen“, bat Truchulzk.
Die Eisgräfin warf ihm einen zornigen Blick zu.
Anscheinend wollte der Fremde nicht begreifen, dass sie entschlossen war, ihren Sohn mit allen Mitteln aus den Machtspielen, um den Thron von Sindra herauszuhalten. Andererseits empfand sie eine gewisse Beruhigung bei der Vorstellung, dass der hünenhafte Mann mit seiner schrecklichen Waffe und seinen geheimnisvollen Fähigkeiten während ihrer Abwesenheit ihren Sohn behüten würde.
*
Lunalto trug lediglich einen Lendenschurz. Seine gebräunte Haut hatte er mit Öl eingerieben, sodass sein muskulöser Körper glänzte. Auf diese Weise hatte er im Wald bei Yacudac jahrelang überlebt. Aber das war heute nicht der Grund für seine Aufmachung. Gespannt sah er zur Tür, die gerade von zwei Leibgardisten geöffnet wurde. Sie schoben eine völlig unbekleidete Frau vor sich her und gaben ihr einen leichten Schubs. Während die Frau in den Raum taumelte, verschlossen die Gardisten von außen die Tür.
„Willkommen in Dukhul!“, begrüßte der Hafenmeister die Frau, wobei ein anzügliches Lächeln auf seinen Lippen erschien.
„Diese Behandlung verstößt gegen jegliche Regeln“, schimpfte die Frau. „Dafür werden Sie sich verantworten müssen!“
„Sie irren gleich mehrfach“, widersprach Lunalto. „Niemand hat die Macht, mich zur Rechenschaft zu ziehen. Aber Sie werden sich verantworten müssen, denn Sie haben in schwerwiegender Weise gegen die Gesetze Sindras verstoßen. Jeder Fremde, der durch die Straße von Ludoi segeln will, braucht die Erlaubnis des Hafenmeisters von Dukhul. Und dass Sie hier nackt vor mir stehen, entspricht den uralten Gebräuchen unserer Dynastie. Personen, die als Feinde Sindras gelten, müssen unbekleidet vor dem Hochkönig erscheinen, damit bewaffnete Anschläge ausgeschlossen werden können. Und überdies …“ Erneut schlich sich ein süffisantes Lächeln auf seine Lippen. „… spüren Frauen auf diese Weise am besten ihre Hilflosigkeit. Das macht sie gehorsamer.“
Tornantha schäumte vor Wut und hätte sich am liebsten sofort auf den Hafenmeister gestürzt und mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen. Seine straffen Muskeln verdeutlichten ihr jedoch, dass dies ein vergebliches Unterfangen gewesen wäre, bei dem sie den Kürzeren gezogen hätte. Daher keifte sie nur: „Sie sind nicht der Hochkönig!“
„Noch nicht“, gestand Lunalto ruhig mit unbewegtem Gesicht zu. „Aber bald. Und zwar dank Ihrer Hilfe.“
Tornanthas Menschenkenntnis sagte ihr, dass das Selbstbewusstsein des Hafenmeisters nicht von ungefähr kam. Er schien überzeugt von seiner Ankündigung. Und dafür musste es einen Grund geben.
Langsam begann sie, ihn mit anderen Augen zu betrachten. Es war kein Wunder, dass ihm scharenweise die Frauen zu Füßen lagen. Seine kräftige Gestalt harmonierte in idealer Weise mit den schönen, wenngleich auch etwas zu harten Gesichtszügen. Unbewusst kämpfte die Witwe Crescals gegen eine langsam einsetzende Schwäche an. Umgekehrt konnte sich auch Lunalto dem Reiz ihrer Erscheinung nicht völlig entziehen. Kataraxas hatte ihn ausführlich über die Gefangene aufgeklärt. Nun verstand der Hafenmeister auch, weshalb selbst junge Männer der Ausstrahlung dieser reifen Frau verfielen.
„Warum glauben Sie, dass ich Ihnen helfe, obgleich Sie mir das hier antun?“, fragte Tornantha und deutete mit einer entsprechenden Geste an, dass sie ihre Nacktheit meinte. Die Angriffslust war jedoch bereits weitgehend aus ihrer Stimme verschwunden.
„Sie sind eine außergewöhnlich schöne Frau“, schmeichelte Lunalto. „Es wäre eine Schande, diese Schönheit zu verhüllen.“ Nach einer kurzen Pause ergänzte er: „Ich will jedoch ehrlich zu Ihnen sein. Ein wichtiges Druckmittel ist das Schiff, mit dem Sie gereist sind, und das ich jederzeit mitsamt der Besatzung vernichten könnte. Außerdem haben wir die seltsame Ladung, die Sie transportiert haben. Ich nehme an, Sie wollen nicht, dass Ihren Leuten oder der Ladung etwas zustößt.“
„Und was wollen Sie?“, erkundigte sich Tornantha, der nun immer klarer wurde, dass sie sich völlig in der Hand des Hafenmeisters befand.
„Kommen Sie!“, forderte er sie auf und trat zu einem großen Fenster, von dem aus man einen Teil der riesigen Festungsanlage, die beiden Häfen und die westlichen Bezirke der Hafenstadt überblicken konnte. Wegen des klaren Wetters hatte man sogar freie Sicht über die Meerenge bis zu der großen Insel Ludoi. Es war ein herrliches Bild, voller landschaftlicher Schönheiten und beeindruckender Gebäude.
„Möchten Sie dazu beitragen, dass dies alles erhalten bleibt oder dass es zerstört wird?“, forschte Lunalto. Tornantha sah ihn fragend an, worauf er erklärte: „Ich weiß aus einer sicheren Quelle, dass eine Gruppe monströser Dämonen entfesselt wurde, um wesentliche Teile des Kontinents zu vernichten. Sie werden weder vor Obesien noch vor Sindra haltmachen. Wir brauchen eine mächtige Allianz, wenn wir das alles überstehen wollen. Nord-Obesien muss sich wieder mit dem Süden und mit uns verbünden. Sie sind die Einzige, die das bewerkstelligen kann.“
„Dann werde ich aber nach Modonos zurückkehren müssen“, hielt ihm die unbekleidete Witwe vor.
„Das sollen Sie auch“, bestätigte Lunalto. „Ich werde Ihnen sogar einen mächtigen Beschützer mitgeben, der Sie sicher in Ihr Land geleiten wird. Er heißt Kataraxas und weiß über die Monstren Bescheid, die als die „Gilde der Seelenlosen“ bezeichnet werden. Kataraxas wird Ihnen dabei helfen, die Allianz zu schmieden, die uns allen das Überleben sichern soll.“
Tornantha brauchte nicht lange nachzudenken. Der Ovaria durfte nichts geschehen. Und sie selbst konnte in Modonos mehr bewirken als in Sindra.
„Ich bin einverstanden“, stimmte sie zu.
„Gut!“, freute sich der Hafenmeister. „Dann werden wir jetzt unseren Pakt entsprechend dem alten Brauch der Hochkönige besiegeln.“ Er trat zu Tornantha, ergriff sie am Oberarm und führte sie zu einer Sitzgruppe in der Raumecke. Auf dem Tisch lag ein schwarzes Tuch. Lunalto faltete es zu einem handbreiten Streifen zusammen und schlang es der Obesierin über die Augen. Scheinbar willenlos ließ sie ihn gewähren. Ihm Widerstand zu leisten, wäre zwecklos gewesen. Vor allem war sie aber äußerst gespannt, was nun folgen würde.
Lunalto zwang sie, sich auf die Sitzfläche eines Sessels zu knien. Dann beugte er ihren Oberkörper nach vorn. Allmählich begriff Tornantha, was ihr bevorstand. Weil sie jedoch nur die halbe Wahrheit ahnte, leistete sie weiterhin keinen Widerstand. Das schwarze Tuch half ihr dabei, das Bild des muskulösen Körpers und des ausdrucksstarken Gesichts vor ihrem inneren Auge zu bewahren. Die alten Hochkönige hatten es verstanden, auch die feinsten Saiten der Vorstellungskraft zum Klingen zu bringen. Als Lunalto die Schenkel Tornanthas leicht auseinanderschob und sie zwischen den Beinen befühlte, stellte er fest, dass sie leicht zitterte und feucht geworden war.
Dann trat er lautlos drei Schritte zurück. Wie aus dem Nichts tauchte neben ihm eine große, hagere Gestalt auf. Inzwischen wusste der Hafenmeister, wie sie in den Raum gelangen konnte. Die offene Geheimtür in der Wandvertäfelung war nicht zu übersehen.