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Die Gilde der Seelenlosen. Eckhard Bausch
Читать онлайн.Название Die Gilde der Seelenlosen
Год выпуска 0
isbn 9783947721238
Автор произведения Eckhard Bausch
Жанр Языкознание
Серия Die Dunstein-Chroniken
Издательство Bookwire
„Die „Brüllenden Lüfte“ haben Euch ein Geschenk geschickt“, eröffnete Kataraxas dem Hafenmeister von Dukhul. „Sie sind schon immer die besten Verbündeten der Hafenmeister gewesen. Aber dieses Mal übertrifft ihr Geschenk alles bisher Dagewesene. Sendet Schiffe aus, die die Meerenge im Norden und im Süden abriegeln! Das Schiff eines Freibeuters von Borgoi ist in der Straße von Ludoi unterwegs. Bringt es auf! Ihr könnt jeden an Bord töten, auf keinen Fall aber die Frau aus Obesien und das riesige Raupenwesen. Mit ihrer Hilfe werdet Ihr den Kontinent erobern.“
*
Atarco drehte sich um die eigene Achse, ohne das Rohr mit den Glaslinsen vom Auge abzusetzen.
„Es war eine Fehlentscheidung!“, schrie er schließlich Jalbik Gisildawain an und hielt ihm vorwurfsvoll das Rohr vor die Nase. „Wir werden alle sterben, weil Sie die Lage falsch eingeschätzt haben!“
„Beruhige dich!“, forderte Tornantha den jungen Priester auf. „Wer weiß schon, was geschehen wäre, wenn wir den Hafenmeister tatsächlich um eine Durchfahrtsgenehmigung ersucht hätten. Wir haben doch alle die Hoffnung gehabt, unbemerkt durch die Meerenge zu gelangen.“
Sie sah in die Richtung, wo sich die größte Hafenstadt Sindras befinden musste. Dukhul befand sich noch nicht in Sichtweite, dafür aber umso deutlicher die Küstenlinie des Festlandes auf der Steuerbordseite der Galeere. Auch ohne das Rohr mit den Glaslinsen konnte man mit bloßem Auge in der Ferne zwölf Segel erkennen. Das Bedrohliche dieser Entdeckung lag darin, dass sich jeweils sechs der Schiffe von vorne und von hinten der Galeere Jalbik Gisildawains annäherten und die Durchfahrt durch die Meerenge nach beiden Seiten versperrten.
„Steuern Sie sofort die Küste an!“, befahl Tornantha dem Freibeuter.
„Was hast du vor?“, wollte Atarco wissen.
„Sobald wir angelegt haben, werden Stilpin und Jalbik mit der Kutsche fliehen und versuchen, die Ovaria auf dem Festland zu verstecken“, erklärte Tornantha. „Wir beide werden uns zu dem Hafenmeister von Dukhul begeben und mit ihm verhandeln.“
„Worüber willst du mit ihm verhandeln?“, fragte Atarco ungehalten. „Wir haben gegen die Gesetze Sindras verstoßen. Außerdem haben wir nichts in der Hand, was wir ihm anbieten könnten. Vergiss nicht, dass uns die Sindrier immer noch als traditionelle Feinde ihres Landes ansehen.“
„Wir gehören der Riege der Freiheit an“, erinnerte Tornantha. „Nicht einmal der Hochkönig selbst könnte es sich leisten, fremde Würdenträger nicht mit der gebührenden Höflichkeit zu empfangen. Nach den ungeschriebenen Regeln des Kontinents ist die Unantastbarkeit gleich- oder höherrangiger Persönlichkeiten aus anderen Ländern stets zu achten. Andernfalls würde die Grundordnung des Kontinents zusammenbrechen, auf der das Zusammenleben der Völker beruht.“
Atarco musste sich eingestehen, dass diese Frau ihn immer wieder überraschte. Er wäre weniger beeindruckt gewesen, wenn er den Denkfehler in ihren Darlegungen bemerkt hätte: Regeln galten nur für Menschen, die auch bereit waren, sie einzuhalten. Der Priester des Wissens und die Witwe Crescals wussten aber noch nicht einmal, wer inzwischen das Amt des Hafenmeisters von Dukhul bekleidete. Während der Diskussion hatte das Schiff des Freibeuters bereits seinen Kurs geändert. Es hielt nun direkt auf einen tiefen Einschnitt in der sindrischen Küstenlinie zu, eine Flussmündung. Jalbik Gisildawain kannte diese Stelle und wusste, dass sie die Eigenschaften eines natürlichen Hafens aufwies. Dort konnte die Galeere gefahrlos anlegen.
Mittlerweile schrumpfte die Entfernung zu den sindrischen Schiffen in beängstigender Geschwindigkeit. Bald würde sich die Galeere in Reichweite ihrer Geschütze befinden. Der Freibeuter hoffte inständig, dass die Sindrier nicht ohne Vorwarnung mit dem Angriff beginnen würden. Nicht ehe die Kutsche mit der Ovaria das Schiff verlassen konnte.
Noch während des Einlaufens in die Flussmündung schafften die obesischen Soldaten über eine nachträglich eingebaute Holzrampe das Gefährt und die Pferde zum Oberdeck. Ein Ruck ging durch das Schiff. Knarrend und ächzend kam es zum Stillstand. Halteseile wurden über Bord geworfen. Die Männer aus Gladunos schleppten eine breite Landungsbrücke herbei, die sie vom Oberdeck aus zum Festland hinabließen. Die kleine Flotte des Hafenmeisters befand sich nun bereits in Schussweite, aber sie eröffnete das Feuer immer noch nicht.
Die Kutschpferde trappelten unruhig. Nur mit Mühe gelang es dem Kutscher, sie zurückzuhalten. Stilpin sprang neben ihn auf den Kutschbock. Jalbik Gisildawain riss den Schlag auf und hüpfte hinein zu der schlummernden Ovaria. Ein Augenlid des riesigen Wesens hob sich unmerklich, sank aber sogleich wieder zurück. Jalbik warf die Tür zu. Unmittelbar danach machte die Kutsche einen Satz und polterte über den Landungssteg. Eine Staubfahne stieg auf, als sie sich über das vertrocknete Rietgras zwischen Inseln aus hohem Schilf holpernd von der Galeere entfernte. Die Geschütze auf den sindrischen Schiffen schwiegen immer noch.
Tornantha und Atarco standen neben dem Heckruder und sahen zu, wie eine schlanke Karavelle mit der Flagge des Hochkönigs längsseits an der Galeere des Freibeuters festmachte. Die Flussmündung wurde inzwischen von den Begleitschiffen der Karavelle abgeriegelt. Mit Hilfe einer Enterbrücke stellte die Besatzung des Sindriers eine Verbindung zwischen der Karavelle und der Galeere her. Wenig später erschien dort ein breitschultriger Mann, dessen roter Überwurf mit den goldenen Stickereien ihn als den Befehlshaber der kleinen Flotte auswies.
„Wer führt das Kommando an Bord Ihres Schiffes?“, rief er Atarco zu.
„Ich!“, behauptete Tornantha.
Für einen Moment schien der sindrische Kapitän verdutzt. Dann fragte er: „Sind Sie Tornantha aus Modonos?“
Nun fühlte sich die Witwe Crescals doch merklich verunsichert. Woher hatte er sein Wissen? Sie fing sich jedoch schnell wieder und berichtigte: „Ich bin Tornantha aus Tirestunom. Aber das macht letztlich keinen Unterschied. Was wollen Sie von uns?“
„Der Hafenmeister von Dukhul wünscht, Sie zu sprechen. Aber unter vier Augen!“, erklärte der Kapitän. Tornantha warf Atarco einen triumphierenden Blick zu. Es war das letzte Mal, dass sich ihre Blicke kreuzten.
„Bitte kommen Sie zu mir an Bord und befehlen Sie Ihren Leuten, hier zu warten und die Galeere nicht zu verlassen!“, rief der sindrische Kapitän der Frau aus Obesien zu.
„Niemand verlässt das Schiff!“, bestätigte Tornantha mit lauter Stimme, ehe sie den Verbindungssteg zwischen den beiden Schiffen betrat.
Atarco sah ihr ratlos nach. Er entschied sich jedoch dagegen, in dieser angespannten Situation ein Wagnis einzugehen. Der Freibeuter aus Borgoi hatte nicht nur durch die unerlaubte Benutzung der Straße von Ludoi die Gesetze Sindras verletzt, sondern sicherlich war auch seine Flucht mit der Kutsche bemerkt worden.
Während die Karavelle von der Galeere ablegte und Fahrt aufnahm, verschwand Tornantha mit dem Kapitän aus Dukhul unter Deck. Atarco konnte sich weiterhin zu keinem Entschluss durchringen. Drohend lagen immer noch fünf der zwölf sindrischen Schiffe in der Ausfahrt des Naturhafens. Die Karavelle wurde beständig kleiner, bis sie schließlich auch durch das Rohr mit den Glaslinsen nur noch als winziger Punkt am Horizont zu erkennen war.
Dann begann der Beschuss. Von allen fünf Schiffen