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war es wieder der weiße Hase mit den schwarzen Flecken, der Rat wusste: „Eier werden von Hennen gelegt“, sagte er. „Wir könnten die Hennen fragen, was das zu bedeuten hat, denn sie wissen bestimmt besser über Eier Bescheid als wir.“

      Und wieder war das die beste Idee und alle waren damit einverstanden. Also ließ man so schnell wie möglich Hennen herbeirufen, ganz viele auf einmal, denn die Hasen hatten ja bemerkt, wie schwierig das Problem allein zu lösen war.

      Die Hennen stellten sich tatsächlich als klug heraus, wenn auch anders, als man erwartet hatte. Als sie eingetroffen waren, erklärten die Hasen ihnen, worum es ging, und die Hennen besahen sich die Schmiererei auf dem Schild. Und sie wussten sogar sofort eine Antwort: „Aber das ist doch kein Ei“, gackerte eine der Hennen empört. „Das ist ein Buchstabe. Das ist ein O!“

      Ein lautes, erstauntes „Ooh!“ raunte die Menge. Daran hatte nun wirklich niemand gedacht!

      „Also steht da nicht mehr STERNFABRIK, sondern OSTERNFABRIK“, las die Henne vor.

      „Aber was ist denn ein Ostern?“, fragte der Chefhase unsicher und scharrte mit seinen Pfoten unruhig auf dem Boden. „Wir stellen doch Sterne her.“

      „Ostern ist ein Fest, das die Menschen feiern. Jedes Jahr im Frühling“, antwortete ihm eine andere Henne.

      Wieder waren die Hasen ganz erstaunt, wie gebildet die Hennen waren. Denn von Ostern hatten sie noch nie etwas gehört.

      Aber auch der Chefhase war nicht dumm und zog seine Schlüsse daraus. „Das heißt“, seufzte er mit hängenden Ohren, „die Menschen wollen unsere Sterne deshalb nicht mehr, weil sie schon lange mit neuen und anderen Festen beschäftigt sind.“

      Traurig sah er zu seiner Fabrik hinüber. Da meldete sich plötzlich der häsische Geschäftssinn in seinem Geist und er hatte einen großartigen Einfall: „Wenn die Menschen aber keine Sterne mehr brauchen, können wir ja etwas anderes herstellen, was sie für ihre neuen Feste brauchen“, schlug er vor.

      Die Hasen murmelten zustimmend, das war wirklich eine gute Idee. „Aber was sollen wir denn sonst fabrizieren? Was wünschen sich die Menschen für ihre Osterfeiern?“

      Und schon wieder waren die Hasen ratlos.

      Die gewitzten Hennen aber waren, obwohl man es ihnen nicht ansah, auch sehr geschäftstüchtige Tiere. Und so witterten sie sofort ihre Gelegenheit und gackerten: „Eier! Sie brauchen Eier für ihr Fest, viele, viele Eier!“

      Weil die Hennen zuvor schon so gut Bescheid gewusst hatten, zweifelte niemand mehr daran, dass sie auch damit richtig lagen.

      Auch der Chefhase bemerkte nicht die List der Hühner und sprach: „Habt vielen Dank. Nun, von jetzt an sind wir also eine OSTERNFABRIK. Und wenn sich die Menschen Eier zu Ostern wünschen, so stellen wir eben Ostereier für sie her.“

      Weil aber selbst die tüchtigsten Hasen nicht imstande waren, Eier zu legen, schlossen sie einen Handel mit den Hühnern ab, die sie von nun an gegen eine großzügige Bezahlung immer zum Osterfest mit frischen Eiern beliefern sollten.

      Weil der Frühling aber schon über dem Land lag und sein warmer Wind Ostern ankündigte, gerieten die Hasen in Zeitnot. Hurtig bemalten sie die ersten gelieferten Eier, damit sie festlicher aussahen. Erst am letzten Tag vor Ostern wurden sie damit fertig – viel zu spät, um die Eier den Menschen noch persönlich zuzustellen. In ihrer großen Eile verteilten die Hasen die bunten Eier in der Nacht einfach überall, wo sie hinkamen. Sie hofften darauf, dass die Eier trotzdem entdeckt würden.

      Am nächsten Tag staunten die Menschen nicht schlecht, als sie zu den Osterfeiern überall versteckt bunte Eier fanden. Die Kinder lachten und jauchzten und begaben sich eifrig auf die Suche. Was eigentlich überhaupt keine Absicht gewesen war, bereitete den Kindern überall so große Freude, dass die Hasen beschlossen, an ihrer Liefermethode nichts mehr zu ändern.

      Und so entstand der Brauch, dass jedes Jahr zu Ostern bunte Eier versteckt werden, damit glückliche Kinder sie finden dürfen.

      Roman Seifert, geboren am 5. Februar 1989 in Waldshut, lebt derzeit in Bad Säckingen und studiert seit 2009 Deutsche Philologie und Geschichte an der Universität Basel.

      *

      Das schwarze Ei

      Die fröhliche Maja war seit ihrer Geburt blind. Darunter litt die Neunjährige kaum. Einzig beim Herumtoben im Freien brauchte sie Begleitung. Mal war es ihr älterer Bruder Mika oder ihre Mama, die sie zum nahen Spielplatz begleiteten. Sogar das Fahrradfahren beherrschte Maja. Unbändig stolz war sie gewesen, als Papa ihr das beigebracht hatte. Und wie sie das Rutschen und Klettern liebte!

      Im Sommer, Herbst und Winter war Majas Welt in Ordnung. Traurig wurde Maja, wenn der Frühling nahte und mit ihm das Osterfest. Begeisterte sich doch dann alle Welt für die sprießende Natur. Erfreuten sich an blauen Traubenhyazinthen, Beeten mit roten Tulpen genauso wie an den gelben Narzissenfelder. Solche bunten Bilder blieben Maja fremd. Ebenso wenig konnte sie sich etwas Kariertes, Gestreiftes oder Einfarbiges vorstellen. Die Kleiderauswahl übernahm von klein auf ihrer Mutter. Majas Nase und ihre Ohren waren ihre Augen. Dennoch blieben Farben ihr ein unbekanntes Universum.

      Von Jahr zu Jahr verwünschte sie den Frühling und das Osterfest mehr und mehr. Der Feststimmung an Ostern hätte sie sich am liebsten durch Flucht entzogen. So sehr sich ihre Eltern und Mika auch bemühten, ihr die Farben zu erklären, es blieb in ihrem Kopf dunkel. Wähnte sich Maja allein, hörten sie Maja oft genug sagen: „Mein größter Wunsch wäre es, ein einziges Mal ein Gelb, ein Grün, ein Blau, ein Rot, ein Pink zu sehen.“

      Das stimmte in ihrer Familie alle traurig. Und nun stand Ostern wieder vor der Tür. Mika hatte eine Eule als Jungvogel aufgepäppelt, die sich in seinem Zimmer einquartiert hatte und nichts vom Wald wissen wollte. Diese Eule hörte auf den Namen Till und wich kaum von Mikas Seite.

      An einem Nachmittag stand Majas Zimmertür ein spaltbreit offen. So wurde Mika Zeuge, wie sie sich bei ihrem Stoffhasen beklagte, niemals die bunte Welt kennenzulernen. Mika sah Tills Getrippel auf seinem Schreibtisch zu. Er schob ein Buch beiseite, stützte sein Gesicht in beide Hände und wirkte ratlos.

      Ein Seufzer entwich seiner Brust. „Ach, Till. Was könnte ich tun, um Maja ein einziges Mal die Farben zu zeigen?“

      „Suche den Ostervogel und bitte ihn um ein schwarzes Ei.“

      Mika glaubte, Ohrensausen zu haben. Oder Halluzinationen. Das konnte unmöglich Till gewesen sein, der da gesprochen hatte. Träumte er? Noch bevor er Till fragen konnte, löste dieser das Rätsel: „Wenn der Wunsch, anderen zu helfen, aus tiefem Herzen kommt, können wir eure Sprache verstehen und sprechen.“

      Mika meinte: „Mann, Till. Ich fass’ es nicht. Mein Till kann sprechen!“ Mika wollte auf der Stelle zu Maja, um ihr davon zu berichten. Die Nachricht käme einer Sensation gleich.

      Doch Till warnte: „Du darfst zu niemandem ein Wort darüber verlieren. Zu niemandem.“ Dann erklärte Till, was es mit dem Ostervogel und dem schwarzen Ei auf sich hatte: „Schwarze Eier sind sehr selten und äußerst schwer zu finden. In ihnen befinden sich sämtliche Farben der Welt. Hält ein Blinder ein solches Ei in Händen, wird er durchströmt von den darin befindlichen Farben.“ Hier machte Till eine Pause, ehe er fortfuhr: „Also wird er die Farben sehen können. Und dieser Zauber entfaltet sich nur in der geheimnisvollen Osternacht.“

      Mit offenem Mund hatte Mika Tills Ausführungen gelauscht. Hoffnung machte sich in ihm breit. „Und werden Blinde dadurch wieder sehend?“

      „Nein, sie bleiben weiterhin blind. Es wird ihnen ein einziges Mal der Wunsch erfüllt, Farben zu sehen, ein Wunsch, den viele Blinde haben. Und dieses Erlebnis werden sie ein Leben lang nicht mehr vergessen genauso wenig wie die Farben.“

      Mika überlegte. Morgen war schon Ostersonntag. Würde er es noch schaffen, das schwarze Ei zu suchen? Für einen Moment lang hegte er Zweifel, die er

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