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längst im dunklen Wald waren, konnten die Osterflüchtlinge die kugelrunde Paula noch immer brüllen hören. Das Kätzchen führte seinen Freund zu einem Hasenbau. Klopf, klopf machte das Palmkätzchen an der Haustüre. Ein sehr großer Feldhase streckte seinen Kopf aus dem Fenster. „Nanu, zwei Gäste zu früher Stunde. Kommt rein in meine gute Stube!“

      Dankbar setzten sich die Freunde in die gemütliche Hasenküche. Ein wunderschön auf Hochglanz poliertes, rotes Ei saß schon da und trank Tee. Hochnäsig blickte das rote Ei von einem zum anderen, ohne ihren Gruß zu erwidern. „Der Aprilhase hat wahrlich keine Zeit für zwei Osterausreißer!“, meinte das Ei boshaft.

      „Lämmchen, Kätzchen, darf ich euch vorstellen, meine Osterhasenassistentin: Pecki Rotei!“

      Pecki Rotei seufzte gelangweilt, als die Freunde von ihrer Flucht berichteten. Der Aprilhase nickte verständnisvoll: „Mein Bau ist zu klein, um euch zu beherbergen. Pecki Rotei und ich sind sehr damit beschäftigt, die Osternester für die Kinder zusammenzustellen. Doch wartet, im Märchenland könntet ihr ein neues zu Hause finden.“ Der Aprilhase führte das Lämmchen und das Kätzchen zu einem mit Efeu bewachsenen Steinbrunnen. „Hüpft rein, meine Freunde! Ich hoffe wir sehen uns bald wieder!“

      Mutig sprangen die beiden in den dunklen Brunnen. Sie rasten die dunkle Wand hinab und landeten mit einem sanften Plumps auf einem riesigen weichen Himmelbett. Das Begrüßungskomitee war schon da. Der böse Wolf und das Rotkäppchen hielten ein Schild in die Höhe, auf dem stand: „Herzlich Willkommen im Märchenland!“

      Schnuppernd näherte sich der böse Wolf dem Lämmchen: „Mmh, du riechst zum Anbeißen gut!“

      Das Rotkäppchen zog ihm daraufhin sein rechtes Ohr lang: „Böser Wolf, benimm dich gefälligst!“

      Das Rotkäppchen und der Wolf brachten die neuen Märchenlandbewohner in das alte Hexenhaus. „Hier könnt ihr wohnen. Die Hexe ist nach Sibirien ausgewandert!“, knurrte der böse Wolf.

      Die beiden Freunde machten es sich im Hexenhaus gemütlich. Endlich hatten sie ihr zu Hause gefunden. Die kugelrunde Bäuerin musste zur Ostersonntagkaffeejause Butterbrot essen. Der Kater Seppl hatte eine Woche lang Ofenplätzchenverbot.

      Das Lämmchen hat mich gebeten, dir noch Folgendes auszurichten: Sollten dir Osterflüchtlinge über den Weg laufen, dann schick’ sie bitte in das Märchenland! Dort werden sie ein Zuhause finden und glücklich sein bis ans Ende ihrer Tage.

      Irene-Maria Seimann lebt heute in Schneegattern. Schon als Kind verzauberten sie Märchen und Geschichten. Seit 11 Jahren arbeitet sie mit Kindern und Jugendlichen, besonders wichtig ist ihr die Tätigkeit als Trauerbegleiterin. Seit sie nicht mehr im hektischen Wien wohnt, sondern im waldreichen Oberösterreich, ist ihr Leben sehr naturverbunden geworden. Sie liebt es, im Garten „herumzuwühlen“ und Geschichten zu schreiben, die Mut machen, denn Kinder fühlen sich oft zu klein für diese Welt.

      *

      Das farblose Land

      Es war einmal vor langer Zeit in einem Königreich gar nicht so weit weg von hier. Dort lebte, welch ein Wunder, ein König mit seiner bezaubernden Tochter und regierte über ein wachsendes Städtchen.

      Soweit schien alles normal in diesem Land. Doch bereits beim Überschreiten der Grenze zu dem Königreich fiel jedem Wanderer die Farblosigkeit dieses Gebietes auf. Die Bäume wankten grau im Wind und der Fluss traf auf das tiefschwarze Meer, welches jedem Vorbeikommenden beim bloßen Anblick eine Gänsehaut bescherte. Gleich an der Küste lag das vorher benannte Städtchen, gekleidet in trübe Farben. Es gab keinen Reisenden, dem es hier gefiel, und so wurden die Reisenden weniger und weniger, bis es letztendlich keine mehr gab.

      Der Grund für diese Farblosigkeit lag viele, viele Jahre zurück. Damals gab es eine Frau, die mit magischen Fähigkeiten in das Königreich einreiste und Königin werden wollte. Sie verzauberte den König und er heiratete sie. Als die Frau ein Kind bekam, war die Anstrengung so groß, dass ihre Zauberkraft plötzlich nachließ. Der König erwachte aus dem Zauberbann, den sie über ihn gelegt hatte, und erkannte, wie böse seine Frau war. Er schickte sie weg und sie zog in einen Turm weit draußen auf dem Meer. Dort erholte sich die Frau wieder und wurde zu einer bösen Hexe. Sie wollte das Königreich für sich erobern und sich am König rächen. Das Volk war damals sehr fröhlich und feierte viel. Sie saßen oft beisammen und der König spendierte ein köstliches Mahl und sie sangen, tanzten und lachten viel.

      Die böse Hexe beschloss also, dem Volk diese Freude zu nehmen. Sie nahmen ihnen aber nicht die Gesundheit, das Geld oder ihr Eigentum. Stattdessen gab sie ihnen mehr als den Bewohnern des Königreichs gut tat. Sie zauberte ihnen einen großen technischen Fortschritt und über Nacht hatten die Bewohner Strom, Licht und Wärme. Das war zu dieser Zeit nicht üblich und diese neuen Dinge gefielen dem Volk.

      Die Hexe zauberte immer weiter und die Menschen hatten täglich etwas Neues zu entdecken. Jeder war die ganze Zeit beschäftigt und ein paar Jahre lang glaubten sie, dass es keine glücklicheren Menschen auf dieser Erde geben könne. Denn die Bewohner des Königreichs hatten ja mehr als die Nachbarländer. Sie konnten alles, hatten alles und durften alles. Es gab keine Grenzen, da der König gar nicht die Zeit hatte, irgendwelche Gesetze aufzustellen, denn kaum hatte er ein Gesetz verfasst, erschien schon wieder eine neue Faszination, die das neu erstellte Gesetz ungültig machte.

      Eines Tages jedoch hörte die Hexe auf, den Menschen etwas Neues zu schenken. Mittlerweile hatte jeder Bewohner mehrere Computer, Fernseher, Autos und sogar Raumschiffe. Jetzt trat das auf, was die böse Hexe immer gewollt hatte: Den Menschen wurde langweilig. Sie waren es gewohnt, dass sie alles bekamen und sich um nichts mehr richtig kümmern mussten. An Gegenständen hatten sie alles, was man sich nur träumen kann und deswegen hatte keiner mehr Zeit für irgendwelche Feste. Sie verloren somit ihre Fröhlichkeit und das Leben plätscherte vor sich hin.

      Nach und nach verlor das Königreich seine Farbe und auch das Königshaus war diesem Unglück verfallen. Dementsprechend gab es so niemanden in diesem Land mehr, der dem Unglück entgegensteuern konnte. Nur die Hexe in ihrem Turm weit draußen auf dem Meer hatte ihre Farbe behalten und sie lachte über das arme Königreich, das sich so einfach hatte verführen lassen.

      Eines Tages kam aber ein junger Prinz in das farblose Land. Er hatte von den ganzen Wundern gehört, die in diesem Königreich entwickelt wurden, und wollte um die Hand der Tochter dieses erfolgreichen Königs anhalten. Er erschrak aber, als er die Farblosigkeit des Landes sah, und ihm schauderte, als er in die Stadt kam.

      Er erhielt kein Lächeln, keinen Gruß und er suchte vergebens nach Auskunft. Schnell erkannte er, dass in diesem Land keiner mehr das wahre Leben zu schätzen wusste. Zwar kannte er diese neuen Dinge nicht, aber er wusste, dass sie dem Menschen nicht gut taten. So wollte er den König aufsuchen und ihm seine Hilfe gegen dieses Unglück anbieten. Doch er wurde nicht empfangen, da der König keine Zeit für Besuche hatte. Glücklicherweise wusste der Prinz von der alten Frau des Königs und dass sie draußen auf dem Meer in einem Turm wohnte.

      So machte er sich auf, um die böse Hexe zu stellen. Doch er hatte das Problem, dass er farbig war und so auf dem Meer sehr schnell auffiel. Er musste die Hexe also ans Land locken. Im Land des Prinzen war zu dieser Zeit gerade Ostern gewesen und so hatte er mehrere Ostereier in seinem Gepäck dabei, die als Geschenk an den König gedacht waren. Jetzt erwiesen sie sich als sehr nützlich. Er versteckte die bunten Eier überall in der Stadt und im Schloss.

      Ein Bewohner fand das erste Ei, als er sich in seinem Auto aus Versehen draufsetzte. Er war verwundert über die Farbintensität und den Ort des Eis und er musste zum ersten Mal seit Jahren wieder lachen. Er lachte so viel, dass die anderen Bewohner herbeikamen und ebenfalls über das Ei staunten. Plötzlich ertönte ein weiteres Gelächter aus einem anderen Ort des Städtchens. Wieder hatte jemand ein Ei gefunden und so breitete sich die Eiersuche in jeden Winkel des Landes aus.

      Die Hexe verstand die Welt nicht mehr, als sie das Lachen vom Land hörte. Sie verließ zum ersten Mal ihren Turm und kam zurück in die Stadt. Dort wartete schon der Prinz auf sie und stellte

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