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kannte nur Kirchenglocken. „Was sind Osterglocken?“

      „Es sind Blumen, die um die Osterzeit herum blühen.“ Er rief Mika ans Fenster: „Sieh dort unten die gelben und weißen Blumenbüsche. Solche wachsen ebenso in Parks und auf Wiesen. Ihr Geläut führt dich zum Ostervogel.“ Es war, als könnte Till Gedanken lesen. „Der Ostervogel vertraut nur Kindern das schwarze Ei an. Keinem Erwachsenen. Und nur Kinder sind in der Lage, das Läuten der Osterglocken zu hören.“

      Somit hatte sich Mikas Wunsch, ein Elternteil könne ihn zum Ostervogel begleiten, zerschlagen. Nach einem „Mach dich auf den Weg“ war kein Ton mehr aus Till herauszubringen.

      Am Himmel lugte ein halber Mond auf die Erde herab, als Mika aufbrach. Sich ohne Wissen seiner Eltern davonschlich. Er schlug den Weg zu den Wiesen und Felder ein. Vorbei am Waldrand, wo der Nachtvogel sein Revier durchstreifte. Mit gespitzten Ohren horchte Mika in die Nacht. Außer einem brummenden Flugzeug und Geraschel im Unterholz vernahm er nichts. Von einem Bim, Bim, Bam, Bam, Bim, Bim kein Ton. Mika lief weiter. Immer weiter. Längst hatte er die Orientierung verloren, wusste nicht mehr, wo er sich befand. Nichts als Stille und Dunkelheit um ihn herum. Ihm war unheimlich und sein Mut schwand dahin.

      Dann, er traute seinen Ohren kaum, als von fern ein zartes Geklingel ertönte, das stärker und stärker wurde. Aufgeregt lief Mika dem Läuten entgegen. Immer geradeaus. Dieses Geläut schwoll zu glockenheller Musik an, die so lieblich in seinen Ohren tönte. Und plötzlich war es taghell geworden. Mika war überwältigt. Soweit er blicken konnte, nichts als blühende Osterglocken, die ihre Blütenköpfe hin und her schwangen. Im Takt des Bim, Bim, Bam, Bam, Bim, Bim.

      Dann erblickte er den Ostervogel, der Ähnlichkeit mit einem Pfau zu hatte. Gebannt sah Mika dem Ostervogel entgegen, wie er in majestätischer Manier und buntem Gefieder durch die Blumenreihen schritt, die sich vor ihm verneigten. „Willkommen Mika im Reich des Ostervogels. Du möchtest deiner Schwester einen Wunsch erfüllen?“

      „J-j-j-ja“, stammelte Mika. „Ich … ich möchte für meine Schwester ein schwarzes Ei abholen.“

      Der Ostervogel lächelte ihm wissend zu. „Komm mit.“

      Gemeinsam durchschritten sie die Blumenfelder, bis sie vor einer tiefen Mulde haltmachten. Die Mulde war vollständig ausgekleidet mit den Federn des Ostervogels und darin lagen drei schwarze Eier so groß wie Pfaueneier. Der Ostervogel entnahm dem Nest vorsichtig ein Ei und überreichte es Mika. „Für deine Schwester.“

      Mikas Hände zitterten, als er das schwarze Oval mit seinen Fingern umschloss, diesen unendlich kostbaren Schatz. Seine kleinen Hände bargen die Farben der Welt, die er Maja zu Ostern schenken würde.

      Katharina Britzen, geboren 1954, lebt derzeit in Irrel, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne und zwei Enkelkinder. Veröffentlicht hat sie schon einige Beiträge in Heimatkalendern, Jahrbüchern und in verschiedenen Anthologien.

      *

      Lämmchen & Palmkätzchen suchen ein Zuhause

      Frau Paula war eine kugelrunde Bäuerin. Ihr fröhliches, pausbäckiges Gesicht wurde noch strahlender, als sie das goldbraune Osterlamm aus dem Backofen nahm. „Oh, das ist mir aber gelungen! So ein Prachtstück!“, murmelte die gute Frau.

      Ihr ebenfalls kugelrunder, schwarzer Kater Seppl hob sein Näschen, schnupperte und dachte: „Mhhh, riecht das lecker!“

      Vorsichtig holte die Bäuerin das Lämmchen aus der Backform. Liebevoll legte sie es auf ihren schönsten Osterteller und band ihm ein kleines Glöckchen um. „Das wird eine herrliche Ostersonntagkaffeejause!“, dachte Paula, als sie das Lamm in die kühle, dunkle Speisekammer stellte. Hastig eilte die kugelrunde Bäuerin in ihre Küche zurück. Es gab noch viel zu erledigen: Den Osterbraten vorbereiten, den Osterputz und soooooo viel mehr.

      In der kühlen, dunklen Speisekammer spitze das Lämmchen die Ohren. Gut, die Bäuerin war weg. Es freute sich. Es blinzelte und streckte seine goldbraunen Beinchen. Das Glöckchen bimmelte, als es vom Osterteller hüpfte. Einwenig Staubzucker rieselte herab. Wackelig stand das Lämmchen da. Eines war sternenklar: Die kugelrunde Bäuerin wollte es bis aufs letzte Bröserl essen.

      „Ich werde fliehen!“, dachte das Lämmchen. Langsam öffnete es die Speisekammertür. Schielte nach links und nach rechts.

      „Die Luft ist rein!“, murmelte es.

      Mutig zischte das Lämmchen los. Im Affenzahn raste es die Wiese hinab, direkt in einen kleinen, roten Stall hinein. Die Hühner guckten verdutzt. Helene Oberhenne gackerte: „Na so was, ein Osterlamm!“

      „Helft mir, die kugelrunde Bäuerin möchte mich bis aufs letzte Bröselchen fressen!“

      „Ach, brüll hier nicht herum! Denkst du, dem Hühnervolk ergeht es besser? Die Eier werden uns weggenommen und wir selbst landen irgendwann in der Suppe. Frau Paula und ihr kugelrunder Kater Seppl lieben Hühnersuppe, Rührei und Hühnerkeule. Neulich tauchte sie unsere mühselig gelegten Eier in die merkwürdigsten Farben!“, zischte Helene Oberhenne aufgebracht.

      „Darf ich bei euch wohnen?“

      „Gagagaga! Nein daraus wird nichts! Die kugelrunde Paula kommt jeden Morgen in den Stall. Sie wird dich entdecken. Mach, das du weiterkommst!“

      Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Der Mond schimmerte durch die alten Apfelbäume. Das Lämmchen fror. Wo sollte es schlafen? Die Dunkelheit mit ihren schwarzen Schatten machte ihm Angst. Es wünschte sich in den wohlig, heißen Backofen zurück. Das Lämmchen seufzte traurig. „Solltest du nicht am Ostertisch der kugelrunden Paula liegen?“

      Das Lämmchen fuhr herum. Hinter ihm stand ein kleines, graues, samtiges Etwas. „Gar nicht!“, erwiderte das Lämmchen.

      „Lüg nicht! Mir geht es auch nicht besser! Ich bin vom Osterstrauch gesprungen. Wer möchte schon als mit bunten Eiern geschmücktes Palmkätzchen enden?“ Das kleine samtige, runde Palmkätzchen streckte dem Lämmchen seine Hand entgegen: „Komm, lass uns Freunde sein. Wir sind beide Osterflüchtlinge!“

      Das Lämmchen lächelte: „Hast du eine Ahnung, wo wir ein neues zu Hause finden?“

      Plötzlich hörten sie ein Fauchen: „Hab ich euch Ausreißer!“, knurrte der kugelrunde Seppl.

      „Folge mir!“, brüllte das Palmkätzchen.

      Das Lämmchen raste hinter dem Kätzchen her. Nach drei kleinen Sprüngen war der dicke Seppl müde. Er sehnte sich nach seinem kuscheligen Ofenplätzchen: „Ich erwische euch schon noch!“, rief er den beiden nach.

      Das Palmkätzchen und das Lämmchen rannten den Feldweg hinab. Rasch huschten sie in die alte Scheune hinein. Drinnen roch es nach Heu, Stroh und Kuh.

      „Muh“, ertönte es lautstark. „Ihr habt es ganz schön eilig!“ Eine wunderschöne Kuh mit riesigen blauen Augen, langen Wimpern und kräftigen Hörnern musterte freundlich die Ostergesellen.

      „Dürfen wir bei dir wohnen? Wir haben kein zu Hause und die Bäuerin will mich bis aufs letzte Bröserl essen“, stammelte das Lämmchen.

      „Muh, die Bäuerin melkt mich jeden Morgen, sie wird euch finden. Heute Nacht könnt ihr bleiben. Danach kann ich euch nicht mehr helfen“, erklärte die Kuh.

      Müde kuschelten sich das Lämmchen und das Palmkätzchen in das duftende Heu. Die Kuh sang ihnen ein Gutenachtlied und sie schliefen endlich ein.

      Früh am Morgen bedankten sich die Ostergesellen bei der gastfreundlichen Kuh.

      „Komm, wir gehen in den dunklen Wald. Vielleicht finden wir dort ein nettes Zuhause“, meinte das Palmkätzchen. Als sie sich am Haus der Bäuerin vorbeischlichen, hörten sie die kugelrunde Paula schimpfen. Sie blickten durch das Fenster. Die Bäuerin rannte im Nachthemd gekleidet dem kugelrunden Kater hinterher. Sie schwang dabei das Nudelholz, dass ihre roten Lockenwickler

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