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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie
Год выпуска 0
isbn 9788075836854
Автор произведения Georg Ebers
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ach, Vater, ein Tauber konnte heut im Nebenzimmer jedes Wort vernehmen, denn der König brüllte wie ein Stier.«
»Die große Neith hat ihn mit Unvorsichtigkeit geschlagen, Dir aber befehle ich, mit größerer Ehrfurcht von dem Pharao zu reden! Gehe jetzt und benachrichtige mich sofort, wenn Amasis den Anschlag auf Phanes zu hintertreiben versuchen sollte. Du findest mich auf jeden Fall zu Hause. Befiehl den Dienern, sie möchten alle Besucher abweisen und sagen, ich betete im Allerheiligen. Der Unnennbare behüte Deine Schritte!«
Während Psamtik alle Vorbereitungen zur Gefangennahme des Phanes traf, stieg Krösus mit seinen Begleitern in eine königliche Nilbarke, um nach Naukratis zu fahren und den nächsten Abend bei Rhodopis zuzubringen.
Sein Sohn Gyges und die drei jungen Perser blieben zu Sais, woselbst es ihnen vortrefflich gefiel.
Amasis überhäufte sie mit Gefälligkeiten, gestattete ihnen, nach ägyptischem Gebrauche, den Verkehr mit seiner Gattin und den sogenannten Zwillings-Schwestern, lehrte Gyges das Dame-Spiel182 und war unerschöpflich in Witz und Frohsinn, wenn er zusah, wie die kräftigen und gewandten jungen Helden das Ball- und Reifenwerfen seiner Tochter, ein beliebtes Vergnügen ägyptischer Mädchen183, theilten.
»Wahrlich,« rief Bartja, nachdem Nitetis den zarten mit bunten Bändern geschmückten Ring zum hundertsten Male ohne zu fehlen mit ihrem feinen Stäbchen von Elfenbein aufgefangen hatte, »dieses Spiel müssen wir auch in der Heimath einführen. Wir Perser sind anders als ihr Aegypter. Alles Neue und Fremde ist uns ebenso willkommen, als es euch verhaßt zu sein scheint. Ich werde unserer Mutter Kassandane davon erzählen, und diese wird mit Freude gestatten, daß die Frauen meines Bruders sich daran ergötzen.«
»O, thue das, thue das!« rief die blonde Tachot, hoch erröthend. »Nitetis wird dann mitspielen und sich in die Heimath und zu ihren Lieben zurückträumen; Du aber, Bartja,« fügte sie leise hinzu, »mußt auch, so oft Du die Reifen fliegen siehst, an diese Stunde gedenken.«
Der junge Perser antwortete lächelnd. »Ich werde sie niemals vergessen!« Dann rief er laut und munter, indem er sich an seine zukünftige Schwägerin wandte. »Sei guten Muths, Nitetis, denn es wird Dir besser bei uns gefallen, als Du glaubst. Wir Asiaten wissen die Schönheit zu ehren; dies beweisen wir schon dadurch, daß wir viele Frauen nehmen!«
Nitetis seufzte, und Ladice, die Gattin des Königs, rief: »Damit eben zeigt ihr, daß ihr das Wesen des Weibes schlecht zu würdigen versteht! Du ahnst nicht, Bartja, was ein Weib empfindet, wenn es den Mann, der ihr mehr ist als das Leben, dem sie Alles, was ihr heilig und theuer ist, voll und ohne Rückhalt hingeben möchte, auf sich herabblicken sieht wie auf ein schönes Spielwerk, ein edles Roß, einen kunstreichen Mischkrug! Tausendfach schmerzlicher ist es noch, wenn man die Liebe, welche man für sich allein zu besitzen hoffen darf, mit hundert Anderen theilen muß!«
»Da hast Du die Eifersüchtige!« rief Amasis. »Spricht sie nicht, als habe sie schon Gelegenheit gehabt, sich über meine Treue zu beklagen?«
»O nein, mein Theurer,« gab Ladice zurück, »darin seid ihr Aegypter allen anderen Männern vorzuziehen, daß ihr, treu und beständig, euch an dem genügen laßt, was euch einmal lieb geworden ist; ja ich wage es dreist zu behaupten, daß keine Frau so glücklich sei, als das Weib eines Aegypters184! Selbst die Griechen, die das Leben doch wohl reicher zu schmücken wissen, als die Aegypter, verstehen nicht das Weib zu würdigen, wie es gewürdigt werden muß! In ihren dumpfen Stuben von Müttern und Schaffnerinnen zur Arbeit am Webestuhl und Spinnerocken angehalten, vertrauern die meisten hellenischen Jungfrauen ihre Kindheit, um, wenn sie herangewachsen sind, in das stille Haus eines ihnen unbekannten Gatten geführt zu werden, dessen Thätigkeit für den Staat und das Leben ihm nur selten gestattet, das Frauengemach zu betreten. Nur wenn die nächsten Freunde und Verwandten bei dem Gatten verweilen, darf sich das Weib, aber selbst dann nur schüchtern und zaghaft, zu den Männern gesellen, um von dem Weltgetriebe zu hören und zu lernen. Ach, auch in uns wohnt der Drang nach Wissen, und gerade unserem Geschlechte dürfte man gewisse Kenntnisse nicht vorenthalten, damit wir, als Mütter, Lehrerinnen unserer Kinder werden könnten. Was soll eine hellenische Mutter, welche selbst nichts weiß und erfahren hat, ihren Töchtern geben, als Unwissenheit? So genügt denn auch dem Griechen nur gar selten seine angetraute, ihm geistig untergeordnete Gattin, und er geht in die Häuser jener Hetären, welche, im steten Verkehre mit dem anderen Geschlechte, alles Wissen der Männer erlauschen und es mit den Blumen weiblicher Anmuth und dem Salze ihres feineren, zarteren Witzes zu würzen verstehen185. In Ägypten ist es anders. Hier gestattet man den erblühten Mädchen den ungezwungenen geselligen Verkehr mit den Besten der Männer. Jüngling und Jungfrau lernen sich bei zahlreichen Festen kennen und lieben. Die Frau wird statt der Sklavin die Freundin des Mannes. Eines ergänzt das Andere. In Schicksalsfragen entscheidet der Stärkere; die geringeren Sorgen des Lebens werden dem im Kleinen größeren Weibe überlassen. Die Töchter erwachsen unter guter Leitung, denn die Mutter ist nicht ohne Wissen und Erfahrungen. Dem Weibe wird es leicht gemacht, tugendhaft und häuslich zu bleiben, denn es erhöht mit Tugend und Häuslichkeit das Glück dessen, welcher ihr allein gehört, dessen liebstes Eigenthum sie sich zu sein rühmt. Wir Frauen thun einmal nur, was uns gefällt! Die Aegypter verstehen die Kunst, uns dahin zu bringen, daß uns eben nur das gefallen kann, was gut ist. Hier am Nil hätten Phocylides von Milet und Hipponax von Ephesus niemals ihre Schmählieder auf uns zu singen gewagt, – hier hätte niemals die Sage von der Pandora186 erfunden werden können.«
»Wie schön Du sprichst!« rief Bartja. »Das Griechische zu erlernen ist mir schwer geworden; jetzt aber freue ich mich, daß ich mich’s nicht verdrießen ließ und bei dem Unterrichte des Krösus aufgemerkt habe.«
»Wer sind aber jene schlechten Männer, welche sich Schlimmes von den Frauen zu sagen unterfangen?« fragte Darius.
»Ein paar griechische Dichter,« antwortete Amasis, »die kühnsten aller Menschen; denn lieber möchte ich eine Löwin, als eine Frau zu reizen wagen. Diese Griechen scheuen sich eben vor nichts in der Welt. Hört nur ein Pröbchen von der Poesie des Hipponax:
›An zweien Tagen nur kann Dich ein Weib erlaben,
Am Tag der Hochzeit und – am Tag’ wo sie begraben.‹«
»Höre auf, höre auf, Du Loser!« rief Ladice, sich die Ohren zuhaltend. »Seht, ihr Perser, so ist dieser Amasis. Wo er necken und scherzen kann, da thut er’s, – wenn er auch ganz gleicher Ansicht mit dem Verspotteten wäre. Es gibt gar keinen bessern Ehemann, wie ihn . . .«
»Und gar keine schlechtere Frau, als Dich,« lachte Amasis; »denn Du bringst mich wahrhaftig in den Verdacht, ein gar zu gehorsamer Gatte zu sein! – Lebt wohl, Kinder; die jungen Helden sollen sich unser Sais ansehen; erst aber will ich ihnen mittheilen, was der böse Simonides von der besten Frau singt:
›Doch eine stammt von der Biene. Glücklich ist,
Wer die empfängt; denn sie allein ist tadellos,
Durch sie erblüht und mehret sich sein Lebensgut,
Alt wird sie liebend mit dem liebenden Gemahl,
Und ihr entsprießt ein schönes, rühmliches Geschlecht.
Vor allen Weibern strahlet sie in Herrlichkeit,
Denn einer Göttin holder Reiz umfleußt sie rings.
Es freut sie nie zu sitzen unter Weibervolk,
Wo jede nur von Liebeslust zu reden hat.
So sind die besten Weiber und verständigsten,