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ein Toller drehte und krümmte der Zauberer seine geschmeidigen Glieder, bis ihm die Augen aus dem Kopfe heraustraten und sich blutiger Schaum an seinem Munde zeigte.

      Plötzlich warf er sich wie todt zur Erde nieder. Nichts bewegte sich an seinem Leibe, außer den Lippen, welche ein pfeifendes Zischen hören ließen. Auf dieses Zeichen hin krochen die Schlangen ihm entgegen und legten sich, gleich lebendigen Ringen, um seinen Hals, seine Beine und seinen Leib. Endlich erhob er sich und sang ein Lied von der wunderbaren Macht der Gottheit, die ihn, zu ihrem eigenen Ruhme, zum Zauberer gemacht habe.

      Hierauf öffnete er einen der Kasten und legte die Mehrzahl der Schlangen in ihn hinein; nur einige, wahrscheinlich seine Lieblinge, behielt er als Hals- und Armbänder an sich.

      Als zweiten Theil seiner Schaustellung gab er einige gut ausgeführte Taschenspielerkünste zum Besten. Er verschluckte brennenden Flachs, balancirte tanzend Schwerter, deren Spitzen in seinen Augenhöhlen standen, zog lange Stricke und Bänder aus den Nasen ägyptischer Kinder, zeigte das bekannte Kugel- und Becherspiel und steigerte das andächtige Staunen der Zuschauer zur höchsten Höhe, indem er aus fünf Straußeneiern ebensoviele lebendige junge Kaninchen hervorzauberte.

      Die Perser gehörten durchaus nicht zu dem undankbarsten Theile seiner Zuschauer; im Gegentheil übte das niegesehene Schauspiel einen erschütternden Eindruck auf ihre Seelen.

      Ihnen war, als befänden sie sich im Reiche der Wunder; von allen Seltsamkeiten Aegyptens meinten sie jetzt die unerhörtesten gesehen zu haben.

      Die meisten Strafgesetze der Aegypter hatten ebensowohl den Zweck, das Verbrechen zu züchtigen, als den anderen, es dem Sünder unmöglich zu machen, sein erstes Vergehen zu wiederholen.

      Jetzt gerieth der Zug in’s Stocken, denn eine zahlreiche Menschenmasse hatte sich vor einem der schönsten Häuser in der zum Neith-Tempel führenden Straße, dessen wenige Fenster (die meisten pflegten sich dem Hofe und Garten entgegen zu öffnen) mit Laden verschlossen waren, zusammengerottet.

      In der Hausthür stand ein schreiender Greis im schlichten weißen Gewande eines priesterlichen Dieners, der einer Anzahl von andern Mitgliedern seines Standes verwehren wollte, eine große Kiste aus dem Hause zu entfernen.

      »Wer gestattet euch, meinen Herrn zu bestehlen?« schrie er mit wüthenden Geberden. »Ich bin der Hüter dieses Hauses, und mein Herr hat mir, als er vom Könige nach Persien, das die Götter vernichten mögen, geschickt wurde, befohlen, absonderlich auf diese Kiste, in welcher seine Schriften liegen, Acht zu haben!«

      »Beruhige Dich, alter Hib!« rief der Tempeldiener, welchen wir beim Empfange der asiatischen Gesandtschaft kennen gelernt haben, »der Oberpriester der großen Neith, der Herr Deines Herrn, hat uns hierher gesandt. Es müssen seltsame Schriften in dieser Kiste stehen, sonst würde uns Neithotep nicht mit dem Auftrage, sie ihm zu holen, beehrt haben.«

      »Aber ich leide nicht, daß das Eigenthum meines Herrn, des großen Arztes Nebenchari, gestohlen werde!« schrie der Alte. »Ich will mir schon Recht schaffen, und wenn es nöthig ist, bis zum Könige gehen!«

      »Halt da!« rief jetzt der Tempeldiener. »So ist’s recht. Macht, daß ihr mit der Kiste fortkommt, ihr Männer! Tragt sie sogleich zum Oberpriester; Du aber, Alter, würdest klüger handeln, wenn Du Deine Zunge hüten und bedenken wolltest, daß auch Du ein Diener meines Herrn des Oberpriesters bist. Mach’, daß Du in’s Haus zurückkommst, sonst schleppen wir Dich morgen selber fort, wie heut’ die Kiste!« Bei diesen Worten schlug er die schwere Hausthüre so heftig zu, daß der Alte in das Vorhaus zurückgeworfen und den Blicken der Menge entzogen wurde.

      Die Perser hatten dem seltsamen Auftritte zugeschaut und ließen sich denselben von ihrem Dolmetscher erklären.

      Zopyrus lachte, als er vernahm, daß der Besitzer jener von dem allgewaltigen Oberpriester eingezogenen Kiste der Augenarzt sei, welcher sich wegen der blöden Augen der Mutter des Königs in Persien aufhielt und der sich durch sein ernstes, mürrisches Wesen am Hofe des Kambyses nur wenig beliebt gemacht hatte.

      Bartja wollte Amasis fragen, was dieser eigenthümliche Raub zu bedeuten habe; Gyges aber bat ihn, sich nicht um Dinge zu kümmern, welche ihn nichts angingen.

      Als sie dicht vor dem Schlosse angelangt waren (die in Aegypten schnell hereinbrechende Dunkelheit begann sich schon über die Erde zu breiten), fühlte sich Gyges plötzlich von einem fremden Mann, welcher sein Gewand festhielt, zurückgehalten. Er sah sich um und bemerkte, daß ihm der Unbekannte, indem er den Finger auf die Lippen preßte, das Zeichen des Schweigens gab.

      »Wann kann ich Dich allein und unbemerkt sprechen?« flüsterte er dem Sohne des Krösus zu.

      »Was willst Du von mir?«

      »Du sprichst persisch? So bist Du kein Aegypter, wie Dein Gewand vermuthen läßt?«

      »Ich bin ein Perser; aber antworte schnell, ehe unser Gespräch entdeckt wird. Wann kann ich Dich unbemerkt sprechen?«

      »Morgen früh.«

      »Das ist zu spät.«

      »Nun denn in einer Viertelstunde, wenn es völlig dunkel ist, an diesem Thore des Schlosses.«

      »Ich erwarte Dich.«

      Mit diesen Worten verschwand der Mann. Gyges trennte sich, im Palaste angekommen, von Bartja und Zopyrus, steckte sein Schwert in den Gürtel, bat Darius, ein Gleiches zu thun und ihm zu folgen, und stand bald im Dunkel der Nacht am großen Portikus des Schlosses dem Fremden gegenüber.

      »Aumarazda sei gepriesen, daß Du da bist!« rief dieser dem jungen Lyder auf Persisch entgegen; »wer aber ist Dein Begleiter?«

      Der Fremde verneigte sich tief und sagte: »Wohl, ich fürchtete schon, ein Aegypter sei mit Dir gekommen.«

      »Nein, wir sind allein, und wollen Dich hören. Aber mach’ es kurz. Wer bist Du und was willst Du?«

      »Schnell, schnell; wir haben nicht lange Zeit!« unterbrach Gyges den Erzähler.

      »Du hast Recht! Ich muß mich kürzer fassen! Ich verwirkte mein Leben, indem ich

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