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Abenteurer ›Stützen des Reiches‹ nennen; Dich, den König, sehe ich eine elende List bereiten, um die Freundschaft eines Stammes zu gewinnen, über welchen wir, ehe die Fremden zum Nile kamen, große Siege erfechten konnten170. Aegypten war eine reichgeschmückte mächtige Königin, jetzt ist es eine geschminkte, mit goldenen Flittern behängte Dirne!«

      »Und dennoch sage ich Dir,« rief der Erbprinz »daß Aegypten ein Baum ist, an dessen Lebensmark ein tödtender Holzwurm nagt. Das Ringen und Streben nach Gold, nach Pracht und Glanz hat alle Herzen verdorben. Die Ueppigkeit der Fremden gab den schlichten Sitten unserer Bürger den Todesstoß. Für Gold ist Alles zu haben. Häufig hört man von Hellenen verführte Aegypter der alten Götter spotten; Zwist und Hader trennt die Kasten der Priester und Krieger. Täglich werden blutige Schlägereien zwischen hellenischen Söldnern, ägyptischen Kriegern, Fremden und Einheimischen gemeldet, Hirt und Heerde bekriegen einander; der eine Stein der Staatsmühle zerreibt den andern, bis das ganze Werk in Staub und Schutt versinken wird. Ja, Vater, wenn nicht heute, so werde ich niemals reden, und ich muß endlich aussprechen, was mein Herz bedrückt! Während Deiner Kämpfe mit unserer ehrwürdigen Priesterschaft, der besten Stütze des Thrones, hast Du ruhig mitangesehen, wie sich die junge Macht der Perser gleich einem Völker verschlingenden Ungethüm, welches bei jedem neuen Fraße furchtbarer und gewaltiger wird, von Ost nach Westen wälzte. Statt den Lydern und Babyloniern zu Hülfe zu kommen, wie Du ursprünglich wolltest, halfest Du den Griechen Tempel für ihre Lügengötter bauen. Als aber endlich jeder Widerstand unmöglich erschien, als Persien die halbe Welt unterjocht hatte und übermächtig und unbezwinglich von allen Königen fordern durfte, was es mochte, da schienen die Unsterblichen, Dir noch einmal die Hand zur Rettung Aegyptens reichen zu wollen. Kambyses begehrte Deine Tochter; Du aber, zu schwach, um Dein rechtes Kind der allgemeinen Wohlfahrt zu opfern, sendest dem Großkönige ein untergeschobenes Mädchen und schonest, weichmüthig wie Du bist, eines Fremdlings, der das Wohl und Wehe Deines Reiches in Händen hält und es verderben wird, wenn es nicht schon früher, von innerer Zwietracht zernagt, zusammensinkt!«

      Bis hierher hatte Amasis, bleich und bebend vor Zorn, sein Theuerstes schmähen lassen. Jetzt konnte er nicht länger schweigen, und mit einer Stimme, welche wie Posaunenklänge durch die weite Halle schmetterte, rief er aus: »Weißt Du wohl, wessen Dasein ich opfern müßte, wenn mir nicht das Leben meiner Kinder und die Erhaltung des von mir begründeten Herrscherhauses lieber wäre, als die Wohlfahrt dieses Landes? Kennst Du, großsprecherischer, rachdürstiger Sohn des Unheils, den zukünftigen Verderber dieses herrlichen, uralten Reichs? Du bist es, Du, Psamtik, der von den Göttern gezeichnete, von den Menschen gefürchtete Mann, dessen Herz keine Liebe, dessen Brust keine Freundschaft, dessen Antlitz kein Lächeln, dessen Seele kein Mitleid kennt! – Ein Fluch der Götter belastete Dich mit dem Dir eigenen unseligen Wesen und der Unsterblichen Feindschaft endet mit schlimmen Erfolgen, was Du beginnst. – Höre jetzt, denn einmal muß es gesagt sein, was Dir meine väterliche Schwäche so lange verschwiegen. Ich hatte meinen Vorgänger gestürzt und ihn gezwungen, mir seine Schwester Tentcheta zum Weibe zu geben. Sie gewann mich lieb und versprach ein Jahr nach der Hochzeit mich mit einem Kinde zu beschenken. In der Nacht; welche Deiner Geburt vorherging, schlief ich, vor dem Lager meiner Gattin sitzend, ein. Da träumte mir, Deine Mutter läge am Ufer des Nils. Sie klagte mir, sie empfinde Schmerzen in der Brust. Ich beugte mich zu ihr hernieder und sah, daß eine Cypresse ihrem Herzen entwuchs. Der Baum wurde immer größer, immer breiter und schwärzer; seine Wurzeln aber wanden sich um Deine Mutter und erwürgten sie. Ein kalter Schauder faßte mich. Ich wollte fliehen. Plötzlich erhob sich von Osten her ein furchtbarer Orkan, der die Cypresse umstürzte und sie niederwarf, so daß ihre breiten Zweige in den Nil schlugen. Da hörte der Strom zu fließen auf, sein Wasser verhärtete sich und statt des Flusses lag eine riesengroße Mumie vor mir. Die Städte an den Ufern schrumpften zusammen und wurden zu mächtigen Todten-Urnen, welche, wie in einem Grabe, den ungeheuren Leichnam des Nils umstanden. Da erwachte ich und ließ die Traumdeuter kommen. Keiner vermochte das wunderbare Gesicht zu erklären, bis mir endlich die Priester des libyschen Ammon folgende Deutung gaben: ›Tentcheta ist durch die Geburt eines Sohnes getödtet worden. Diesen, einen finstern unseligen Menschen, stellt die ihre Mutter mordende Cypresse dar. Unter seiner Regierung wird ein Volk von Osten den Nil, das sind die Aegypter, zu Leichen, und ihre Städte zu Trümmerhaufen, das sind die Todten-Urnen, machen.«

      Amasis unterbrach seine Rede, denn heftig schluchzend, überwältigt von der Fülle des Furchtbaren, das er vernommen, brach Psamtik zusammen und rief mehr stöhnend als sprechend:

      »Höre auf, grausamer Vater, und verschweige wenigstens, daß ich der einzige Sohn in Aegypten bin, den der Haß seines Vaters schuldlos verfolgt!«

      Amasis schaute auf den bleichen Mann hernieder, der, das Angesicht in die Falten seines Gewandes verbergend, vor ihm niedergesunken war. Sein schnell entflammter Zorn verwandelte sich in Mitleid. Er fühlte, daß er zu hart gewesen sei, daß er mit seiner Erzählung einen giftigen Pfeil in Psamtik’s Seele geschleudert habe und gedachte an die vor vierzig Jahren verstorbene Mutter des Unglücklichen. – Seit langer Zeit zum Erstenmale sah er als Vater, als zum Troste Berufener auf diesen finsteren, jede Liebesbezeugung abweisenden, ihm in allen Anschauungen so fremden Mann. Sein weiches Herz fand sich jetzt zum Erstenmale in die Lage versetzt, eine Thräne in dem sonst so kalten Auge des Sohnes trocknen zu können. In freudiger Hast ergriff er diese Gelegenheit. Er beugte sich zu dem stöhnenden Manne hernieder, küßte seine Stirn, richtete ihn auf und sprach mit sanfter Stimme:

      »Verzeihe mein Ungestüm, lieber Sohn. Die schlimmen Worte, welche Dich kränkten, kamen nicht aus dem Herzen des Amasis, sondern aus dem Rachen des Jähzorns. Du hast mich viele Jahre lang durch Kälte, Härte, Widerspenstigkeit und fremdes Wesen gereizt. Heute beleidigtest Du mich in meinen heiligsten Gefühlen, darum ward ich zu überschäumender Heftigkeit fortgerissen. Jetzt soll Alles wieder gut sein zwischen mir und Dir. Wenn wir auch zu verschiedener Art sind, als daß sich unsere Herzen je recht innig verschmelzen könnten, so wollen wir doch in Zukunft einig handeln und nachgiebig gegen einander sein.«

      Psamtik küßte, sich stumm verneigend, das Kleid

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