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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie
Год выпуска 0
isbn 9788075836854
Автор произведения Georg Ebers
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Du würdest irren, wenn Du alle Aegypter für finstere Menschen halten wolltest,« antwortete Amasis. »Wohl fordert unsere Religion ein ernstes Gedenken an den Tod, Du wirst aber kaum ein anderes Volk finden, das zu spöttelnden Scherzen so geneigt ist, das, ergibt es sich einmal einer Festfreude, so selbstvergessen und ausschweifend jubelt wie das meine; aber euer Anblick ist den Priestern verhaßt, und sie lassen mich meine Verbindung mit euch, den Fremden, durch mürrisches Wesen entgelten. Jene Knaben, deren Du erwähntest, die Söhne der Vornehmsten unter ihnen145, sind die größte Plage meines Lebens. Sie thun mir Sklavendienste und gehorchen meinen leisesten Winken. Diejenigen, welche ihre Kinder zu solchen Geschäften hergeben, sollte man für gehorsame, ehrfurchtsvolle Diener ihres göttlich verehrten Königs halten; aber glaube mir, Krösus, gerade in dieser Hingebung, welche kein Herrscher ohne zu beleidigen zurückweisen kann, liegt eine feine und listige Berechnung. Jeder dieser Jünglinge ist mein Hüter, mein Wächter. Ich vermag keine Hand ohne ihr Vorwissen zu rühren, und rühre ich sie, so wird es noch in derselben Stunde den Priestern hinterbracht.«
»Aber wie kannst Du ein solches Dasein ertragen? Verbanne die Spione aus Deiner Nähe und erwähle Deine Diener z. B. aus der Krieger Kaste, welche Dir nicht minder nützlich werden kann wie die Priester!«
»Könnte ich nur, dürfte ich nur!« rief Amasis mit voller Stimme. Dann fuhr er leiser, wie erschrocken über sich selbst fort: »Ich glaube, daß unser Gespräch belauscht wird. Morgen werde ich das Feigengebüsch dort drüben ausrotten lassen. Dem jungen priesterlichen Gartenfreunde, der dort die kaum zur Reife gelangten Feigen bricht, ist es um andere Früchte zu thun als die, welche er so langsam in sein Körbchen legt. Die Hand pflückt das Obst, das Ohr die Worte von dem Munde seines Königs.«
»Aber beim Vater Zeus und Apollo . . .«
»Ich verstehe Deine Entrüstung und theile sie; aber jedes Recht legt Pflichten auf, und als König dieses das Hergebrachte göttlich verehrenden Landes muß ich mich dem Jahrtausende alten Hofceremoniel, in den Hauptsachen wenigstens, fügen. Wollte ich meine Ketten zerreißen, so könnte es geschehen, daß man meine Leiche unbestattet ließe, denn Du mußt wissen, daß die Priester über jeden Verstorbenen ein Todtengericht halten und denjenigen, welchen sie schuldig befinden, der Grabesruhe berauben146. Die Rücksicht auf meinen Sohn würde meiner Mumie wohl die Bestattung sichern, was aber meiner Leiche von denen, die die Todtenopfer in meinem Grabe zu besorgen haben . . .«
»Was kümmert Dich das Grab!« unterbrach Krösus mit Unwillen seinen Gastfreund. »Man lebt für das Leben, nicht für den Tod!«
»Sage lieber,« erwiederte Amasis, sich von dem Ruhesitze erhebend, »wir griechisch Denkende halten ein schönes Leben für das Höchste; ich aber, Krösus, wurde von einem ägyptischen Vater gezeugt, einer ägyptischen Mutter genährt, mit ägyptischer Speise groß gezogen und habe ich auch manches Hellenische angenommen, so bleibe ich dennoch in meinem innersten Wesen ein Aegypter. Was Dir in der Kindheit gesungen und in der Jugend als heilig gepriesen ward, das tönt in Deinem Herzen nach, bis man Dich mit den Mumienbinden umwickelt. Ich bin ein Greis und habe nur noch eine kurze Spanne Zeit zu durchlaufen, bis ich bei jenem Grenzsteine anlange, hinter dem das Jenseits beginnt. Soll ich mir, um der kurzen Lebenstage willen, die langen Jahrtausende des Todes verderben? Nein, mein Freund; darin bin ich eben Aegypter geblieben, daß ich, wie jeder meiner Landsleute, fest und sicher glaube, an der Erhaltung meines Leibes, des Seelenträgers, sei die Wohlfahrt meines zweiten Lebens147 gebunden, wenn ich noch nicht für würdig befunden werde, aufzugehen in die Seele der Welt und, selbst ein Bestandteil derselben, teilzuhaben als Osiris an der Leitung des Geschaffenen. Aber genug von diesen höchsten Dingen, die mir ein großer Eidschwur Dir dem Nichteingeweihten in ihrer ganzen Tiefe und Erhabenheit zu eröffnen verbietet. Beantworte lieber meine Frage. Wie gefallen Dir unsere Tempel und Pyramiden?«
Krösus antwortete sinnend: »Die Steinmassen der Pyramiden kommen mir vor, als wären sie von der unermeßlichen Wüste, die bunten Säulengänge der Tempel, als wären sie von einem üppigen Lenze geschaffen worden; aber wenn auch die Sphinxe, welche zu den Thoren führen, den Weg in das Heiligthum weisen, so scheinen die schrägen festungsartigen Mauern der Pylonen wie zur Abwehr hingestellt zu sein. So locken auch die bunten Hieroglyphenbilder die Augen an, aber geheimnißvoll wie sie sind, wehren sie den forschenden Geist ab. Die Bilder eurer vielgestaltigen Götter stehen überall, sie drängen sich den Blicken unabweislich auf, und dennoch ahnt ein Jeder, daß sie etwas anderes bedeuten als was sie darstellen, daß sie nur faßliche Sinnbilder sind von wenigen Menschen zugänglichen, wie ich hörte, kaum begreifbar tiefen Gedanken. Ueberall wird meine Neugier angeregt, mein Interesse erweckt, aber nirgend fühlt sich mein warmes Gefühl für das Schöne freundlich eingeladen und befriedigt. Mein Geist möchte wohl streben, in die Geheimnisse eurer Weisen einzudringen, Herz und Sinn müssen aber fremd bleiben den Grundanschauungen, auf welchen euer Denken, Thun und Dasein beruhen, und welche zu lehren scheinen, daß das Leben für eine kurze Wallfahrt zum Tode, der Tod jedoch für das eigentliche wahre Leben zu halten sei!«
»Und dennoch wird auch bei uns das Leben, das man durch rauschende Feste verschönt, in seinem vollen Werthe erkannt, werden die Schrecken des Grabes gefürchtet, versucht man dem Tode auszuweichen, wo er sich auch zeigen mag. Unsere Aerzte wären nicht so hoch berühmt und angesehen, wenn man ihnen nicht die Kunst zutraute, unser Erdendasein verlängern zu können. Aber dabei fällt mir der Augenarzt Nebenchari ein, welchen ich dem Könige nach Susa schickte. Bewährt er sich; ist man mit ihm zufrieden?«
»Solcher Vertreter ehrt die Wissenschaft Deines Landes,« antwortete Krösus. »Nebenchari war es auch, der Kambyses auf die Anmuth Deiner Tochter aufmerksam machte. Manchem Blinden hat er geholfen; die Mutter des Königs ist aber leider noch immer des Lichtes beraubt. Wir bedauern es übrigens, daß ein so kunstfertiger Mann nur die Augen zu heilen versteht. Er war, als die Prinzessin Atossa das Fieber hatte, nicht zu bewegen, ihr einen Rath zu ertheilen.«
»Das ist sehr natürlich, denn unsere Aerzte dürfen immer nur einen gewissen Theil des Körpers behandeln. Wir besitzen Ohren-, Zahn- und Augenärzte, Aerzte für Knochenbrüche und andere für innere Krankheiten. Kein Zahnarzt darf nach den alten Priestergesetzen einen Tauben, kein Knochenarzt einen Unterleibskranken behandeln, wenn er sich auch vortrefflich auf innere Leiden verstehen sollte148. Man will mit diesem Gesetze größere Gründlichkeit erzielen; wie denn die Priester, zu denen auch die Aerzte gehören, überhaupt mit dem rühmlichsten Ernste der Wissenschaft obliegen. Dort drüben liegt das Haus des Oberpriesters Neithotep, dessen Sternen- und Meßkunde selbst Pythagoras hochpries. Es grenzt an die Halle, welche in den Tempel der Göttin Neith, der Herrin von Sais, führt. Ich wollte, ich dürfte Dir den heiligen Hain mit seinen prächtigen Bäumen, die köstlichen Säulen des Heiligthums, deren Kapitäle die Gestalt der Lotusblume149 nachahmen, und die kolossale Kapelle von Granit zeigen, welche ich zu Elephantine aus einem Steine arbeiten ließ, um sie der Göttin zu verehren150. Die Priester haben mich leider gebeten, selbst euch nur bis zu den Umfassungsmauern und Pylonen der Tempel zu führen. Komm’, wir wollen jetzt meine Gattin und Töchter aufsuchen, denn sie haben Dich lieb gewonnen, und ich wünsche, daß Du freundliche Gesinnungen für das arme Mädchen gewinnst, ehe Du mit ihr in das ferne Land und zu den fremden Menschen ziehst, deren Fürstin sie werden soll. Nicht wahr, Du wirst Dich ihrer annehmen?« – »Verlasse Dich darauf,« betheuerte Krösus, den Händedruck des Amasis erwiedernd. »Ich will Deiner Nitetis väterlich zur Seite stehen, und sie wird meiner bedürfen, denn die Frauengemächer der persischen Paläste haben einen gar schlüpfrigen Boden. Uebrigens wird ihr mit vieler Rücksicht begegnet werden. Kambyses darf mit seiner Wahl zufrieden sein und wird es hoch aufnehmen, daß Du ihm Dein schönstes Kind anvertraust; denn wenn