Скачать книгу

wir von verschiedenen Enden angefangen haben. Dir ward erst das Gute, dann das Schlimme zu Theil; mir erging es umgekehrt; wenn ich nämlich zugebe,« fügte er bedenklich hinzu, »daß ich mich in meinem jetzigen Glücke wohl befinde.«

      »Und ich,« erwiederte Krösus, »wenn ich zugebe, unter meinem sogenannten Unglücke zu leiden.«

      »Wie könnte das anders sein nach dem Verluste so großen Besitzes?«

      »Liegt denn das Glück im Besitze?« fragte Krösus. »Ist denn das Glück überhaupt ein Besitz? Das Glück ist doch nur eine Vorstellung, ein Gefühl, welches die neidischen Götter dem Dürftigen öfter gewähren wie dem Mächtigen, dessen klarer Blick von prunkenden Schätzen geblendet wird, der immer in Niederlagen bluten muß, weil er sich der Kraft bewußt, viel zu erlangen, stets unterliegt im Kampfe um den Besitz aller Güter, die er zu besitzen wünscht und nie zu erlangen vermag.«

      Amasis seufzte und sprach: »Ich wünschte; daß ich Dir Unrecht geben könnte; wenn ich aber an meine Vergangenheit zurückdenke, so muß ich gestehen, daß zugleich mit der Stunde, welche mir das sogenannte Glück brachte, die großen Sorgen meines Lebens begannen.« – »Und ich versichere Dich,« unterbrach ihn Krösus, »daß ich Dir für Deine verspätete Hülfe dankbar bin, weil mir die Stunde des Unheils das erste reine, wahrhaftige Glück gewährte. Als die ersten Perser die Mauern von Sardes bestiegen, verwünschte ich mich selbst und die Götter, schien mir das Leben hassenswerth, das Dasein ein Fluch. Kämpfend wich ich mit den Meinen zurück, Verzweiflung im Herzen. Da erhob ein persischer Soldat sein Schwert über meinen Scheitel, mein stummer Sohn fiel dem Mörder in den Arm und seit langen Jahren hörte ich wieder das erste Wort von seiner durch das Entsetzen gelösten Zunge. Mein stummes Kind Gyges hatte in der Stunde des Schreckens seine Sprache wieder erlangt, und ich, der den Göttern geflucht hatte, beugte mich nun ihrer Macht. Dem Sklaven, dem ich befohlen, mich zu tödten, sobald ich in die Gefangenschaft der Perser kommen würde, nahm ich sein Schwert ab. Ich war ein verwandelter Mann und lernte nach und nach den immer und immer aufgährenden Ingrimm gegen mein Geschick und meine edlen Feinde besiegen. Du weißt, daß ich endlich des Cyrus Freund wurde, daß mein Sohn neben mir mit dem vollen Gebrauche seiner Sprache als freier Mann aufwachse durfte. Was ich Schönes in meinem langen Leben gesehen, gehört und gedacht, sammelte ich, um es auf ihn zu übertragen, er war von nun an mein Reich, meine Krone, mein Schatz. Wenn ich des Cyrus sorgenschwere Tage und schlaflose Nächte ansah, so graute mir in der Erinnerung an meine eigene frühere Größe und Macht und immer klarer ward es mir, wo das eigentliche Glück zu suchen sei. Ein jeder trägt es als verborgenen Keim in seinem Herzen. Der zufriedene, geduldige Sinn, der sich hoch an Schönem und Großem, freundlich auch an dem Kleinen erfreut, das Leid ohne Klagen hinnimmt und es durch Erinnerungen versüßt, das Maßhalten in allen Dingen, das feste Vertrauen auf die Huld der Götter und die Gewißheit, daß auch das Schlimmste an uns vorübergehen muß, weil ja jedes Ding dem Wechsel unterworfen ist, dies Alles zeitigt den verborgenen Glückskeim in unserer Brust und gewährt uns die Kraft zu lächeln, wenn der vom Schicksale unerzogene Mann verzagen und verzweifeln möchte.«

      Amasis hörte aufmerksam zu, mit dem goldenen Windhundskopfe auf seinem Stabe Figuren in den Sand kritzelnd; dann sagte er.

      »Die griechischen Söldner umgaben mich stets. Ich lernte von ihnen ihre Sprache, sie führten mir den edelsten Menschen zu, dem ich jemals begegnet bin, den Pythagoras. Ich bemühte mich, griechische Kunst und griechische Sitten bei uns einzuführen, denn ich hatte erkannt, daß es thöricht sei, an hergebrachtem Schlechterem eigensinnig zu hängen, wo Besseres am Boden lag, und nur darauf wartete, in ägyptischen Acker gesäet zu werden.

      »Beim Retter Zeus, Du armer Glücklicher!« unterbrach ihn Krösus mit Theilnahme, »ich verstehe Deine Klagen! Denn wenn ich auch in meinem langen Leben schon manchen einzelnen Menschen gekannt habe, der ernst und finster durch’s Leben ging, so glaubte ich doch nicht, daß es ein ganzes großes Geschlecht geben könne, dem düstere Herzen zu Theil wurden, wie den Schlangen der Giftzahn. So viele Priester ich

Скачать книгу