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zu kämpfen haben. Ich muß bleiben und fort- und vorkämpfen für Hellenen-Freiheit und Hellenen-Wohlfahrt. Das ist der Zweck meines Lebens. Diesem Zwecke bin ich um so treuer, je seltener sich eine Frau vermißt, ähnlichen Zielen ihr Leben zu weihen. Mögen sie mein Streben unweiblich nennen, immerhin! In dieser durchweinten Nacht habe ich gefühlt, daß noch unendlich viel von jener Frauenschwäche in mir wohnt, welche zu gleicher Zeit das Glück und Unglück meines Geschlechts ausmacht. Diese Schwäche, vereint mit der ganzen Fülle zarter Weiblichkeit in meiner Enkelin zu erhalten, ist meine erste Aufgabe gewesen; die zweite war, mich selbst von aller Weichheit zu befreien. Doch ist es unmöglich, gegen die eigene Natur einen Sieg ohne Niederlage zu erkämpfen. Will mich ein Schmerz unterjochen, will ich verzweifeln, dann ist mein einziges Mittel, jenes Pythagoras, des herrlichsten aller Lebenden, meines Freundes111 und seiner Worte zu gedenken: ›Bewahre das Ebenmaß in allen Dingen, hüte Dich vor jubelnder Lust wie vor klagendem Jammer, und strebe danach, Deine Seele harmonisch und wohlklingend zu erhalten wie die Saiten einer schöngestimmten Harfe!‹ Dieser pythagoreische Seelenfrieden, diese tiefe, ungetrübte Ruhe des Gemüths habe ich täglich in meiner Sappho vor Augen; ich aber ringe darnach, trotz mancher Griffe des Schicksals, welche die Saiten meiner Herzenslaute gewaltsam verstimmen. Jetzt bin ich ruhig! Du glaubst nicht, welche Macht der bloße Gedanke an jenen großen Denker, jenen stillen gemessenen Mann, auf mich ausübt. Die Erinnerung an ihn zieht wie ein weicher und doch frisch belebender Ton durch mein Dasein. Auch Du hast ihn gekannt und mußt verstehen, was ich meine. Jetzt bitte ich Dich, Dein Anliegen vorzubringen. Mein Herz ist ruhig wie die Wogen des Nils, welcher dort so still und ungetrübt an uns vorüberfließt. Sei es Schlimmes, sei es Gutes, ich bin bereit Dich zu hören.«

      »Diese meine doppelte Herkunft kommt daher, daß mein Vater eine Halikarnassierin aus edlem dorischem Geschlechte zum Weibe hatte und mit ihr, um das Erbe ihrer Eltern in Empfang zu nehmen, gerade zu Halikarnassus verweilte, als ich geboren wurde. Obgleich man mich schon in meinem dritten Lebensmonde nach Athen zurücknahm, so bin ich doch eigentlich ein Karer, denn der Geburtsort bestimmt die Heimath des Menschen.

      »Meine Frau starb im vorigen Sommer; die Kinder, ein Knabe von elf und ein Mädchen von zehn Jahren, blieben bei ihrer Muhme in Halikarnaß. Auch diese verfiel dem unerbittlichen Hades. Nun habe ich die Kleinen vor wenigen Tagen hierher bestellt; sie können aber nicht vor Ablauf dreier Wochen zu Naukratis eintreffen und möchten die Reise schon angetreten haben, ehe sie ein Gegenbefehl erreichen kann.

      »In vierzehn Tagen muß ich Aegypten verlassen, und vermag daher die Kinder nicht selbst zu empfangen.

      Willst Du zeigen, daß Du in der That meine Freundin bist, so empfange und pflege sie, bis ein Schiff nach Thracien segelt, und verbirg sie sorgfältig vor den Blicken der Spione des Thronerben Psamtik. Du weißt, daß mich dieser tödtlich haßt, und sich leicht durch die Kinder an dem Vater rächen könnte. – Ich habe Dich um diese große Gunst gebeten, weil ich erstens Deine Güte kenne; zweitens aber, weil Dein Haus durch jenen Freibrief des Königs, welcher es zum Asyle macht, die Kinder vor allen Nachforschungen der Sicherheitsbehörde schützt, die ja in diesem formenreichen Lande gebietet, jeden Fremden, selbst Kinder, bei den Bezirksbeamten anzumelden.

      »Du siehst, wie hoch ich Dich schätze, denn ich übergebe Dir das Einzige, was mir das Leben noch lebenswerth macht. Selbst die Heimath ist mir nicht theuer, so lange sie sich dem Zwingherrn schmählich unterwirft. Willst Du dem geängstigten Herzen eines Vaters seine Ruhe wiedergeben, willst Du . . .?«

      »Ich will, ich will, Phanes!« rief die Greisin in unverstellter Herzensfreude. »Du bittest mich um Nichts, Du machst mir ein Geschenk. O, wie ich mich auf die Kleinen freue! Und wie wird Sappho jubeln, wenn die lieben Geschöpfe ankommen und ihre Einsamkeit beleben werden! Aber das sage ich Dir, Phanes, mit dem ersten thracischen Schiffe lass’ ich meine kleinen Gäste auf keinen Fall abreisen! Ein kurzes halbes Jahr länger kannst Du Dich wohl von ihnen trennen, denn ich stehe dafür, daß sie trefflichen Unterricht empfangen und zu allem Schönen und Guten angehalten werden sollen.«

      »Darüber wäre ich unbesorgt,« erwiederte Phanes, dankbar lächelnd; »doch muß es dabei bleiben, daß Du die beiden Störenfriede mit dem ersten Schiffe reisen läßt. Meine Furcht vor der Rache des Psamtik ist leider nur zu wohl begründet. Nimm denn schon im Voraus den herzlichsten Dank für Deine Liebe und Güte gegen die Kinder. Uebrigens glaube ich selbst, daß die Zerstreuung durch die munteren Geschöpfe Deiner Sappho in ihrer Einsamkeit wohlthun wird.«

      »Und ferner,« unterbrach ihn Rhodopis

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