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wie­der beim Re­stau­rant Gril­lon an­ka­men, war es eben sechs Uhr; sie gin­gen nun, nach­dem sie das Boot ver­las­sen, auf der In­sel, durch grü­nen­de Wie­sen längs der Pap­pel­rei­he des Ufers nach Be­z­ons zu.

      Die großen zum Mä­hen rei­fen Gras­flä­chen wa­ren mit Blu­men über­sä­et, auf wel­che die sin­ken­de Son­ne ihre röt­li­chen Strah­len warf; süs­ser Wohl­ge­ruch ent­stieg in der mil­den Wär­me des zur Rüs­te ge­hen­den Ta­ges den Bo­den und misch­te sich mit den feuch­ten Düns­ten des Was­sers. Es war, als la­ge­re eine un­sicht­ba­re Wol­ke von weich­li­chem woh­li­gen Glück und stil­lem Be­ha­gen über der Erde.

      Die­ser ru­hi­ge Glanz der Abend­son­ne, die­ser ge­heim­nis­vol­le Schau­er erster­ben­den Le­bens mit sei­ner le­ben­di­gen me­lan­cho­li­schen Fan­ta­sie, der Pflan­zen und We­sen er­grif­fen und sich über al­les aus­ge­brei­tet zu ha­ben schi­en, muss­te un­will­kür­lich auch dem Men­schen­her­zen in die­ser Stun­de den Stem­pel sei­nes stil­len Glückes auf­drücken.

      Paul emp­fand das auch leb­haft, wäh­rend sie das al­les nicht be­rühr­te. Sie gin­gen ne­ben­ein­an­der und plötz­lich be­gann sie, des Schwei­gens müde, zu sin­gen. Sie sang mit dün­ner, falscher Stim­me ir­gend einen Gas­sen­hau­er, der ihr ge­ra­de durch den Kopf ging, und der einen grel­len Miss­klang in die­se tie­fe rei­ne Har­mo­nie des Abends brach­te.

      Er sah sie an, und fühl­te jetzt, dass eine un­über­wind­li­che Kluft zwi­schen ih­nen be­stand. Sie aber schlug un­be­küm­mert die Grä­ser mit ih­rem Son­nen­schirm ab, und be­trach­te­te, den Kopf ein we­nig nei­gend, ihre Schu­he; da­bei sang sie ru­hig wei­ter, hielt die Schluss­no­ten un­ver­hält­nis­mäs­sig lan­ge an und ver­such­te sich so­gar schliess­lich in Läu­fen und Tril­lern.

      Ihr klei­ner zier­li­cher Kopf, den er so zärt­lich lieb­te, war also leer, leer von ir­gend­wel­chen idea­le­ren Emp­fin­dun­gen. Nichts hat­te dar­in Platz, als höchs­tens die­se Gas­sen­hau­er-Mu­sik; und die Ge­dan­ken, die sich sonst noch dar­in bil­den moch­ten, sa­hen der­sel­ben ähn­lich. Sie hat­te kein Ver­ständ­nis für ihn; sie stan­den sich frem­der ge­gen­über, als wenn sie je­mals zu­sam­men ge­lebt hät­ten. Ihre Küs­se reich­ten also nicht wei­ter wie ihre Lip­pen!

      Da hob sie lä­chelnd die Au­gen zu ihm em­por und so­fort war er wie­der aufs In­ners­te be­wegt. Er öff­ne­te die Arme und schloss sie mit neu­er­wa­chen­der Lie­be zärt­lich an sein Herz.

      Sie schob ihn schliess­lich zu­rück, als sie sah, dass er ihr Kleid zer­drück­te und sag­te da­bei be­gü­ti­gend: »Geh, Schatz! Du weißt ja, dass ich Dich lie­be.«

      Aber er hielt sie um­schlun­gen, und ganz von Sin­nen be­gann er mit ihr da­von­zu­lau­fen, wo­bei er sie im­mer wie­der auf Wan­ge, Schlä­fen, Hals und Lip­pen küss­te. Keu­chend mach­ten sie schliess­lich vor ei­nem Ge­bü­sche Halt, wel­ches die letz­ten Strah­len der Abend­son­ne ver­gol­de­te und, noch ganz aus­ser Atem, kos­te­ten sie dar­in den Be­cher der Lie­be bis zur Nei­ge, ohne dass sie ih­rer­seits sich die­ses plötz­li­che Über­wal­len sei­ner Ge­füh­le er­klä­ren konn­te.

      Hand in Hand ka­men sie zu­rück, als sie plötz­lich durch das Laub der Bäu­me hin­durch auf dem Flus­se das Boot der vier Les­bie­rin­nen be­merk­ten. Auch sie wur­den von der di­cken Pau­li­ne be­merkt, die sich um­wand­te und Ma­de­lei­ne Kuss­hän­de her­über­schick­te, wor­auf sie noch rief: »Heu­te Abend also.«

      »Ja­wohl, heu­te Abend« ant­wor­te­te die­se.

      Paul fühl­te plötz­lich sein Herz zu Eis er­star­ren.

      Sie gin­gen zum Es­sen zu­rück. Un­ter ei­ner der Lau­ben am Was­ser lies­sen sie sich nie­der und ver­zehr­ten still­schwei­gend ihr Mahl. Als es zu dun­keln be­gann, brach­te man ein Licht, das zum Schutz ge­gen den Luft­zug in ei­nem grü­nen Gla­se brann­te und ihre Ge­sich­ter mit ei­nem fah­len Schim­mer über­goss. Alle Au­gen­bli­cke hör­te man das schal­len­de Ge­läch­ter der Kahn­fah­rer aus dem Saal des ers­ten Stockes her­über­schal­len.

      Beim Des­sert er­griff Paul zärt­lich Ma­de­lei­nes Hand und sag­te: »Ich füh­le mich sehr müde; wenn es Dir recht ist, wol­len wir bei Zei­ten schla­fen ge­hen.

      Aber sie hat­te sei­ne List ver­stan­den und warf ihm einen je­ner schar­fen durch­drin­gen­den Bli­cke zu, die so oft plötz­lich im Auge der Frau auf­zut­au­chen pfle­gen.

      »Du kannst Dich schla­fen le­gen,« sag­te sie nach kur­z­em Be­sin­nen, »wann es Dir be­liebt; ich habe noch ver­spro­chen nach dem Frosch­teich zum Tanz zu kom­men.«

      Ein kläg­li­ches Lä­cheln um­spiel­te sei­ne Lip­pen, ein Lä­cheln mit dem man die tiefs­ten Lei­den zu ver­schlei­ern sucht, als er jetzt im trü­ben aber zärt­li­chen Tone sag­te: »Wenn Du lieb wä­rest, könn­ten wir bei­de hier blei­ben.« Ohne den Mund zu öff­nen, mach­te sie mit dem Kop­fe eine ab­wei­sen­de Be­we­gung. Er wur­de drin­gen­der.

      »Ich bit­te Dich drum, Lieb­chen!«

      »Du weißt,« sag­te sie brüsk, »was ich ge­sagt habe. Wenn Du nicht Ruhe gibst, so ist der Weg frei. Es hält Dich nie­mand. Was mich be­trifft, so habe ich es ver­spro­chen und ich wer­de ge­hen.«

      Er stütz­te bei­de El­len­bo­gen auf den Tisch, senk­te das Haupt auf die Hän­de und starr­te sie eine Wei­le trau­rig an.

      Die Kahn­fah­rer ka­men in­des­sen un­ter mun­trem La­chen her­un­ter, und be­stie­gen ihre Fahr­zeu­ge, um den Ball im »Frosch­teich« nicht zu ver­säu­men.

      »Ent­schei­de Dich, ob Du mit­kommst«, sag­te Ma­de­lei­ne zu ih­rem Beglei­ter, »sonst bit­te ich einen der Her­ren, mich mit­zu­neh­men.«

      »Lass uns ge­hen« mur­mel­te Paul sich er­he­bend. Und sie gin­gen.

      Die Nacht war ster­nen­hell, die Luft wür­zig und von mil­dem, süs­sen Hauch be­wegt, der lind die Stirn um­schmei­chel­te.

      Die Boo­te setz­ten sich, eine bun­te La­ter­ne am Stern füh­rend, in Be­we­gung«. Man konn­te die ein­zel­nen Fahr­zeu­ge nicht un­ter­schei­den, son­dern sah nur die zahl­lo­sen bun­ten Lich­ter auf dem Was­ser auf- und ab­tan­zend, lang­sam da­hinglei­ten, so­dass man hät­te glau­ben kön­nen, ein Ge­wim­mel von Irr­lich­tern vor sich zu ha­ben, wenn nicht das rohe Ge­läch­ter der Kahn­fah­rer die An­we­sen­heit von Men­schen ver­kün­det hät­te.

      Pauls Boot glitt lang­sam da­hin. Zu­wei­len, wenn ein frem­des Boot dem ih­ri­gen zu nahe kam, be­merk­ten sie plötz­lich im Schim­mer der La­ter­ne den wei­ßen Rücken sei­nes Füh­rers.

      Als sie die Bie­gung des Flus­ses er­reicht hat­ten, sa­hen sie von wei­tem den »Frosch­teich« vor sich lie­gen. Das Eta­blis­se­ment war mit Guir­lan­den von bun­ten Lam­pen und Licht­glo­cken fest­lich ge­schmückt. Auf der Sei­ne schwam­men ei­ni­ge große Fäh­ren, wel­che Kup­peln, Py­ra­mi­den und an­de­re wun­der­ba­re Auf­baue in al­ler­lei Far­ben tru­gen. Flam­men­de Ge­win­de zo­gen sich bis zum Ufer her­ab; und ei­ni­ge rote oder blaue Fa­ckeln, von ei­ner mäch­ti­gen un­sicht­ba­ren Pech­pfan­ne ge­nährt, sa­hen von wei­tem wie frei­schwe­ben­de Ster­ne aus.

      Die­se im­po­san­te Be­leuch­tung ver­brei­te­te ein hel­les Licht rings um das gan­ze Café, be­strahl­te die ho­hen Ufer­bäu­me von un­ten bis oben, so­dass nur ihre Wur­zeln in ei­nem blei­chen Grau ver­schwan­den,

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