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Va­ters zu sein. Es dau­er­te nicht lan­ge, so prä­sen­tier­te ein Jude einen Wech­sel von ihm über fünf­zehn­hun­dert Fran­cs. Es habe sich um eine Spiel­schuld ge­han­delt, die Paul nicht hät­te ein­lö­sen kön­nen, wenn er ihm nicht aus »rei­ner Ge­fäl­lig­keit« das Geld ge­lie­hen hät­te. Der Baron lös­te den Wech­sel mit tau­send Fran­cs ein und warf den Ju­den zur Türe hin­aus. Dann fuhr er mit Jo­han­na nach Ha­vre. Aber hier wur­de ih­nen im Kol­leg die Mit­tei­lung ge­macht, dass Paul seit ei­nem Mo­nat nicht dort sei. Der Di­rek­tor war durch Brie­fe auf de­nen Jo­han­nas Un­ter­schrift stand in den Glau­ben ge­bracht, sein Schü­ler lie­ge krank in Rou­en; selbst­re­dend war al­les ge­fälscht, eben­so das ärzt­li­che At­test. Man brach­te nun die Po­li­zei auf die Bei­ne, wel­che Paul am an­de­ren Mor­gen aus dem Bet­te ei­nes be­kann­ten Kon­troll­mäd­chens hol­te und zu sei­nen El­tern zu­rück­führ­te. Die­se nah­men ihn mit nach Peup­les, wo er ganz be­hag­lich leb­te und so­gar auf der See sei­ne Boot­fahr­ten mach­te. In­zwi­schen be­lie­fen sich sei­ne Schul­den, de­nen man jetzt nach­forsch­te, auf rund fünf­zehn­tau­send Fran­cs. Aber nichts ver­moch­te die Mut­ter­lie­be zu er­schüt­tern.

      Ei­nes Abends kehr­te Paul von ei­ner Boot­fahrt nicht mehr zu­rück. Wel­che Qua­len muss­te das Mut­ter­herz aus­ste­hen! Er war nach Ha­vre ge­fah­ren, wie man durch ei­ni­ge Fi­scher er­fuhr. Dort an­ge­stell­te Nach­for­schun­gen er­ga­ben, dass auch je­nes Kon­troll­mäd­chen, bei der man ihn zum ers­ten Mal er­wi­sch­te, ihre Sa­chen ver­kauft hat­te und nach Eng­land ab­ge­reist war. Jo­han­nas Haar war jetzt schnee­weiß ge­wor­den; oft frag­te sie sich, warum das Schick­sal ge­ra­de sie so er­bar­mungs­los ver­fol­ge. Abbé Tol­biac schrieb ihr einen Brief. »Got­tes Hand las­tet schwer auf Ih­nen … Er­ken­nen Sie dar­in einen Wink zur Um­kehr … Su­chen Sie Trost in Gott … Er wird hel­fen …« Das wa­ren die Grund­ge­dan­ken, die in dem Brie­fe zum Aus­druck ka­men. Am nächs­ten Abend beich­te­te Jo­han­na seit lan­ger Zeit zum ers­ten Male wie­der. Zwei Tage dar­auf kam ein Brief von Paul an; es wa­ren vier Wo­chen seit sei­nem Ver­schwin­den da­hin­ge­gan­gen. Paul er­klär­te, er sei dem Ver­hun­gern nahe; man möge ihm fünf­zehn­tau­send Fran­cs von sei­nem vä­ter­li­chen Erb­teil schi­cken. Er müs­se sie sei­ner Ge­lieb­ten zah­len, um von ihr los­zu­kom­men und heim­keh­ren zu kön­nen. Jo­han­na ju­bel­te und sand­te das Geld. Wer nicht zu­rück­kam, war Paul. Mo­na­te ver­gin­gen, ohne dass man eine Sil­be von ihm hör­te. Das Le­ben auf dem Schlos­se war ent­setz­lich trau­rig. Jo­han­na und Tan­te Li­son gin­gen jetzt täg­lich zur Kir­che; aber der Baron durf­te es nicht mer­ken. End­lich nach ei­ner Ewig­keit kam ein Brief aus Pa­ris. Er habe al­les an der Bör­se ver­lo­ren, schrieb Paul, und sei noch mit fünf­und­vier­zig­tau­send Fran­cs en­ga­giert. Ihm blei­be nur noch die Ku­gel üb­rig, wenn er nicht be­zah­le. Der Baron nahm aber­mals Geld auf und sand­te es nach Pa­ris. Paul dank­te be­geis­tert und stell­te sei­ne bal­di­ge Rück­kehr in Aus­sicht. Aber er kam nicht.

      Ein gan­zes Jahr ver­ging.

      Plötz­lich er­fuhr man, er sei in Lon­don und habe un­ter der Fir­ma »Paul De­la­ma­re & Cie.« ein Dampf­schiff-Un­ter­neh­men be­grün­det. »Der Weg zum Reich­tum liegt jetzt vor mir«, schrieb er. »In kur­z­er Zeit seht ihr mich als Mil­lio­när wie­der.«

      Drei Mo­na­te spä­ter war die Fir­ma »De­la­ma­re« ban­ke­rott; das De­fi­zit be­trug zwei­hun­dert­fünf­und­dreis­sig­tau­send Fran­cs. Der Baron nahm die letz­ten Hy­po­the­ken auf Peup­les und die bei­den Pacht­hö­fe auf. Ei­nes Abends fand man ihn tot vor dem Schreib­ti­sche sit­zen; ein Schlag­an­fall hat­te sei­nem Le­ben ein Ende ge­macht. Tan­te Li­son folg­te ihm nach kur­z­er Zeit ins Grab. Jo­han­na stand nun ganz al­lein.

      Ein Trost wur­de ihr al­ler­dings in die­ser Zeit. Ro­sa­lie er­schi­en plötz­lich auf dem Schlos­se; Ro­sa­lie, die sie seit bei­na­he vier­und­zwan­zig Jah­ren nicht mehr ge­se­hen hat­te und die nun nach dem Tode ih­res Man­nes kam, der eins­ti­gen Her­rin ihre Diens­te wie­der an­zu­bie­ten. Ihr Sohn, Ju­li­us Sohn, war jetzt schon groß ge­nug den Pacht­hof Bar­ville selbst zu ver­wal­ten. Jo­han­na war eben­so be­schämt wie ge­rührt. Aber sie fühl­te das Be­dürf­nis, ein treu­es Herz in ih­rer Nähe zu ha­ben; denn das Herz ih­res Kin­des, das fühl­te sie, ge­hör­te nicht mehr ihr, son­dern je­ner Elen­den, mit der er nach wie vor ihr Geld ver­schleu­der­te.

      Ro­sa­lie war eine prak­ti­sche Per­son. Sie ließ sich durch Jo­han­nas Be­mü­hun­gen, Paul’s Schänd­lich­kei­ten zu ver­schlei­ern, kei­nen Au­gen­blick täu­schen. »Ma­da­me,« sag­te sie ei­nes Ta­ges, »ha­ben wohl schon dar­an ge­dacht, Peup­les zu ver­kau­fen? Das Schloss kann die Las­ten nicht mehr tra­gen. Es ist bes­ser, We­ni­ges zu be­hal­ten, als al­les an Zin­sen den Gläu­bi­gern vor­zu­wer­fen.« Und ei­nes Ta­ges er­schi­en sie ohne Wei­te­res mit dem No­tar und Herrn Jeoffrin, ei­nem rei­chen Zu­cker-Fa­bri­kan­ten, um das Nä­he­re zu ver­an­las­sen. Der Kauf wur­de per­fekt und Jo­han­na woll­te sich mit dem, was ihr ge­blie­ben war, auf ein klei­nes Land­haus bei Go­der­ville zu­rück­zie­hen. Eben war wie­der ein Brief von Paul mit der Bit­te um zehn­tau­send Fran­cs ein­ge­lau­fen. »Ich habe nichts mehr für Dich,« schrieb ihm Jo­han­na zu­rück. »Du hast mich voll­stän­dig rui­niert. Ich muss Peup­les ver­kau­fen. Aber ver­giss nicht, dass ich stets ein Plätz­chen für Dich, be­reit hal­te, wenn Du Dich zu Dei­ner al­ten Mut­ter flüch­ten willst, der Du so vie­les Leid ver­ur­sacht hast.«

      Der Ab­schied von Peup­les, von all den lieb­ge­wor­de­nen Stät­ten ih­rer Ju­gend, den tau­send Erin­ne­run­gen, den Grä­bern ih­rer El­tern, war ent­setz­lich trau­rig; aber Ro­sa­lie sorg­te da­für, dass er sich schnell voll­zog.

      Seit zwei Mo­na­ten wohn­ten sie nun in Go­der­ville. Ein Zim­mer hat­te Jo­han­na re­ser­viert, in dem sie im Geis­te stets ihr »Paul­chen« woh­nen sah. Aber Paul kam nicht. Die Mut­ter fleh­te ihn an, zu ihr zu kom­men, aber statt des­sen traf ein Brief des Soh­nes ein, worin er sie bat, in die Hei­rat mit sei­ner Ge­lieb­ten zu wil­li­gen. Jo­han­na war wie vom Schla­ge ge­rührt. Sie raff­te sich auf und fuhr selbst nach Pa­ris; mit Ge­walt woll­te sie Paul aus den Ar­men die­ses We­sens reis­sen. Aber in Pa­ris war kei­ne Spur von ihm zu fin­den. Er hat­te mit sei­ner Ge­lieb­ten das Quar­tier ver­las­sen, aus dem sei­ne zahl­lo­sen Schul­den ihn ver­trie­ben. Ent­täuscht und ge­bro­chen kehr­te sie nach Hau­se zu­rück. Ihr Le­ben war ihr zur Last ge­wor­den.

      End­lich nach lan­ger Zeit kam ein Brief von Paul. »Theu­re Mut­ter. Ein schwe­res Un­glück hat mich be­trof­fen. Mei­ne Frau liegt im Tode nach der Ge­burt ei­nes klei­nen Mäd­chens. Ich habe kein Geld mehr, um ih­nen Le­bens­mit­tel zu kau­fen. Hab’ Er­bar­men mit uns und hilf noch ein­mal,« las Jo­han­na mit be­ben­der Stim­me. Dies­mal fuhr Ro­sa­lie nach Pa­ris. Nach drei Ta­gen kam sie wie­der.

      »Sie ist tot,« rief sie fast tri­um­phie­rend, »hier ist das Kind. Mor­gen Abend trifft Herr Paul hier ein.«

      »Paul, mein Kind!« rief die Mut­ter, al­len Schmerz al­les Leid ver­ges­send. Und mit ra­sen­der Zärt­lich­keit küss­te sie das En­kel­chen, das Kind ih­res Paul.

      »Hal­ten Sie ein, Ma­da­me,« rief Ro­sa­lie, »es fängt schon an zu schrei­en.«

      »Se­hen Sie,« füg­te sie dann hin­zu, »das Le­ben ist nie so schön, aber auch nie so schlimm, als man glau­ben möch­te.«

Yvette

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