ТОП просматриваемых книг сайта:
Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Einige Tage später musste der Baron in Geschäften nach auswärts und reiste ab.
Die Jahreszeit war herrlich. Linde sternenklare Nächte folgten den ruhigen Abenden, heitere Abende den strahlenden Tagen und diese wieder brachen mit einer schimmernden Morgenröte an. Mütterchen befand sich bald besser und Johanna, der Liebeleien ihres Gatten und Gilberte’s Untreue vergessend, fühlte sich beinahe von Herzen glücklich. Die ganze Flur prangte im Blumenschmuck und strömte süssen Duft aus. Das weite Meer erglänzte friedlich von Morgen bis zum Abend unter der lachenden Sonne.
Eines Nachmittags nahm Johanna Paul auf den Arm und ging ins Feld. Sie betrachtete bald ihren Sohn, bald das blumenbesäete Gras längs des Weges, und fühlte sich seltsam glücklich bewegt. Alle Augenblicke küsste sie das Kind und drückte es leidenschaftlich an sich. Der starke Blumenduft stieg ihr zu Kopfe; eine angenehme wohltuende Mattigkeit schwächte ihre Sinne. Sie dachte über die Zukunft ihres Kindes nach. Was würde aus ihm werden? Bald wünschte sie es als großen berühmten mächtigen Mann vor sich zu sehen. Bald wiederum hätte sie gewünscht, es möchte in bescheidenen Verhältnissen bei ihr bleiben, nur voll Zärtlichkeit und Liebe stets sie umfangen. Mit der eigennützigen Liebe eines Mutterherzens wünschte sie nur, dass es ihr Sohn bliebe, nur ihr Sohn und weiter nichts. Aber ihre Vernunft sagte ihr wieder, dass er irgend einen großen Platz in der Welt ausfüllen müsse.
Sie setzte sich an einem Grabenrand nieder und betrachtete ihn lange. Es schien ihr als hätte sie ihn noch nie richtig angesehen. Und plötzlich verwunderte sie sich bei dem Gedanken, dass dieses kleine Wesen einmal groß sein, dass es mit festem Schritte einhergehen, einen Bart haben und mit männlicher Stimme reden würde.
Von weitem rief sie jemand an; sie blickte auf. Marius kam angelaufen. Sie dachte, dass irgend ein Besuch ihrer wartete und erhob sich, missvergnügt über diese Störung. Der Bursche lief aus Leibeskräften, und als er nahe genug war schrie er: »Frau Baronin ist sehr schlecht geworden, Madame!«
Es war ihr, als wenn ein Tropfen kaltes Wasser den Rücken herabliefe; und mit gesenktem Haupte rannte sie eiligst nach Hause.
Schon von weitem sah sie eine Menge Leute unter der Platane stehen. Sie stürzte vor und bemerkte, als die Gruppe sich öffnete, ihre Mutter auf der Erde liegend, den Kopf von zwei Kissen unterstützt. Ihr Gesicht war ganz schwarz, ihre Augen geschlossen; und ihre sonst so wogende Brust rührte sich nicht. Die Amme nahm das Kind auf den Arm und brachte es fort.
»Was ist geschehen?« fragte Johanna heftig. Wie kam sie zu Falle? Man muss gleich zum Arzt schicken!« Sich umwendend bemerkte sie den Pfarrer, der durch irgend einen Zufall schon benachrichtigt war, und nun kam, seine Dienste anzubieten. Er schob auch sofort die Ärmel seiner Soutane zurück, aber alle seine Einreibungen mit Essig und Kölnisch-Wasser blieben wirkungslos. »Man sollte sie auskleiden und sofort zu Bett bringen,« meinte der Priester.
Der Pächter Joseph Couillard war zur Stelle, ebenso Papa Simon und Ludivine. Unterstützt vom Abbé Picot wollten sie die Baronin forttragen; aber als sie sie aufhoben, sank der Kopf hintenüber, und das Kleid zerriss ihnen unter den Händen. So schwer und unbeholfen war der mächtige Körper. Johanna schrie vor Schreck’ laut auf.
Man holte einen Sessel aus dem Salon, und konnte sie so endlich, nachdem man sie darauf gesetzt, forttragen. Schritt für Schritt ging es die Rampe herauf, dann über die Treppe ins Schlafzimmer, wo man sie aufs Bett legte.
Als die Köchin mit dem Auskleiden nicht fertig werden konnte, fand sich gerade zur rechten Zeit die Witwe Dentu ein. Sie war ebenso unerwartet gekommen wie der Priester. »Als ob sie den Tod gerochen hätten,« sagten die Dienstboten.
Joseph Couillard eilte schleunigst zum Arzte. Als der Pfarrer sich anschickte, das heilige Öl hervorzuholen, flüsterte die Krankenwärterin ihm zu: Bemühen Sie sich nicht, Herr Abbé, es ist schon vorbei: ich kenne mich aus.«
Johanna weinte bitterlich; sie wusste nicht, was sie machen sollte. Vergeblich sann sie auf ein Mittel, das man hätte anwenden können; der Priester erteilte auf alle Fälle die General-Absolution.
So harrte man zwei Stunden bei dem blauangelaufenen leblosen Körper. Johanna war jetzt in die Knie gesunken und schluchzte von Angst und Schmerz zerrissen.
Als die Tür sich öffnete und der Arzt erschien, glaubte sie wieder Heilung, Trost und Hoffnung mit ihm eintreten zu sehen. Sie stürzte auf ihn zu und berichtete ihm in abgerissenen Sätzen alles, was sie von der Sache wusste: »Sie ging spazieren, wie alle Tage … es ging ihr gut … sehr gut sogar … sie hat zum Frühstück eine Bouillon mit zwei Eiern genommen … sie ist plötzlich umgesunken … sie ist ganz schwarz geworden, wie Sie sehen … und hat sich nicht mehr gerührt … Wir haben alles versucht, um sie wieder zu sich zu bringen … alles.« Sie schwieg, überrascht durch eine heimliche Handbewegung der Wärterin, die dem Arzt bedeuten wollte, dass alles aus sei, völlig aus. Johanna sträubte sich, die Wahrheit zu begreifen; ängstlich wiederholte sie die Frage: »Ist es schlimm, Herr Doktor? Glauben Sie, dass es schlimm ist?«
»Ich glaube allerdings« … sagte er endlich »ich fürchte beinahe … dass … es zu Ende ist. Seien Sie stark, Madame, fassen Sie Mut.«
Johanna warf sich mit ausgebreiteten Armen auf ihre Mutter.
Als Julius zurückkam, blieb er fassungslos, sichtlich bestürzt stehen. Kein Ruf des Schmerzes oder der Verzweiflung drang von seinen Lippen; die Überraschung war zu groß, als dass sie sich äusserlich in seinen Mienen kundgegeben hätte. »Ich sah es kommen; ich wusste dass es zu Ende ging«, murmelte er vor sich hin. Dann zog er sein Taschentuch, wischte sich die Augen, kniete nieder, bekreuzigte sich und sprach ein stilles Gebet. Als er dann wieder aufstand, wollte er auch seine Frau mit emporrichten. Aber sie hielt den Leichnam mit beiden Armen unter steten Küssen umfangen; sie lag fast auf ihm. Man musste sie mit Gewalt fortbringen; sie schien den Verstand verloren zu haben.
Nach einer Stunde gestattete man ihr zurückzukehren. Jede Hoffnung war dahin. Das Schlafgemach war jetzt als Leichenzimmer eingerichtet. Julius und