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ich! Und ich ver­bie­te Dir, wei­ter von ih­nen zu re­den; ich ver­bie­te es Dir, hörst Du!«

      »Lie­ber Klei­ner!« sag­te sie, plötz­lich ganz ru­hig ge­wor­den, un­ter Ach­sel­zu­cken »ich wer­de tuen, was mir be­liebt; wenn Dir das nicht ge­fällt, so geh wei­ter, aber so­fort. Ich bin Dei­ne Frau nicht, ver­stehst Du. Also hübsch be­schei­den!«

      Er wür­dig­te sie kei­ner Ant­wort und sie blie­ben sich ge­gen­über sit­zen mit zor­nig be­ben­den Lip­pen und wo­gen­dem Atem.

      In­zwi­schen wa­ren am and­ren Ende des großen schwim­men­den Café’s die vier Wei­ber ge­lan­det; die zwei als Män­ner ge­klei­de­ten gin­gen vor­aus. Die klei­ne ma­ge­re, die wie ein halb­er­wach­se­nes Bür­sch­chen aus­sah, hat­te gel­be Fle­cken an den Schlä­fen; die an­de­re, die mit ih­rem Fet­te ih­ren wei­ßen Fla­nell-An­zug ganz aus­füll­te, des­sen wei­te Bein­klei­der sich von den Hüf­ten an wie Se­gel auf­bläh­ten, wat­schel­te mit ih­ren flei­schi­gen Bei­nen und den krum­men Kni­en wie eine ge­mä­s­te­te Gans. Die bei­den Freun­din­nen folg­ten ih­nen und die Schar der Kahn­fah­rer eil­te ih­nen die Hän­de zu schüt­teln.

      Sie hat­ten eine klei­ne Lau­be nahe am Was­ser be­setzt und be­nah­men sich dort rich­tig wie zwei ge­trenn­te Me­na­gen.

      Ihre Lei­den­schaft war be­kannt; alle Welt wuss­te dar­um. Man sprach da­von wie von ei­ner ganz na­tür­li­chen Sa­che, die ih­nen so­gar viel­fach Sym­pa­thi­en er­weck­te; und ganz im Ge­hei­men er­zähl­te man sich selt­sa­me Ge­schich­ten von hef­ti­gen Sze­nen, die aus ra­sen­der weib­li­cher Ei­fer­sucht ent­stan­den wa­ren, von heim­li­chen Be­su­chen be­kann­ter Frau­en, Schau­spie­le­rin­nen, in dem klei­nen Hau­se am Was­ser.

      Ein Nach­bar, dem der nächt­li­che Lärm zu toll ge­wor­den war, hat­te die Gens­dar­me­rie in Kennt­nis ge­setzt und der Bri­ga­dier, be­glei­tet von ei­nem Man­ne, hat­te eine Un­ter­su­chung an­ge­stellt. Es war eine de­li­ka­te Mis­si­on, der er sich un­ter­zog; im Üb­ri­gen konn­te man die­sen We­sen, die sich nicht der Pro­sti­tu­ti­on er­ga­ben nichts vor­wer­fen. Der Bri­ga­dier, sehr ver­le­gen und mit der Na­tur des ver­mut­li­chen De­likts nur halb ver­traut, hat­te aufs Ge­ra­te­wohl ein Ver­hör an­ge­stellt, und in ei­nem lang­at­mi­gen Be­richt über das­sel­be die Un­schuld der Be­tref­fen­den fest­ge­stellt.

      Man lach­te über die­sen Be­richt bis nach Saint-Ger­main. Lang­sam mit kö­nig­li­chem Schritt durch­mas­sen die Vier das Café Frosch­teich. Sie schie­nen stolz auf ih­ren Ruf, glück­lich über die auf sie ge­hef­te­ten Bli­cke und er­ha­ben über die­se wüs­te pö­bel­haf­te Men­ge.

      Ma­de­lei­ne und ihr Lieb­ha­ber sa­hen sie kom­men und wie­der blitz­te das Feu­er in dem Auge des Mäd­chens auf.

      Als die bei­den ers­ten in die Nähe des Ti­sches ka­men rief Ma­de­lei­ne: »Pau­li­ne!«

      Die Di­cke wand­te sich um, blieb ste­hen und sag­te ohne den Arm ih­res weib­li­chen Ma­tro­sen los­zu­las­sen:

      »Sie da! Ma­de­lei­ne … Komm doch ich möch­te Dir was sa­gen, Schatz;«

      Paul um­klam­mer­te die Hand sei­ner Freun­din; aber die­se sag­te ihm mit so be­deu­tungs­vol­ler Mie­ne: »Weißt Du, Klei­ner, Du kannst ge­hen,« dass er schwieg und al­lein sit­zen blieb.

      Die drei plau­der­ten hier­auf im Ste­hen ganz lei­se mit­ein­an­der. Ein ver­gnüg­tes Lä­cheln schweb­te auf ih­ren Lip­pen; sie spra­chen sehr has­tig, und zu­wei­len streif­te Pau­li­ne den ein­sa­men Paul mit ei­nem bos­haf­ten über­mü­ti­gen Blick.

      End­lich hat­te die­ser ge­nug da­von, er­hob sich und stand mit ei­nem Satz, an al­len Glie­dern zit­ternd, vor den drei Wei­bern.

      »Komm,« sag­te er Ma­de­lei­ne an der Schul­ter pa­ckend, »ich will es; ich habe Dir ver­bo­ten, mit die­sen Weibs­bil­dern da zu re­den.«

      Aber nun er­hob Pau­li­ne ihre Stim­me und be­gann ihr gan­zes Ar­se­nal an ge­mei­nen Re­dens­ar­ten ge­gen ihn zu ver­schleu­dern. Man lach­te al­lent­hal­ben, man rück­te nä­her und stell­te sich auf die Fuss­pit­zen, um bes­ser hö­ren und se­hen zu kön­nen. Er wur­de ganz sprach­los bei die­ser Sint­flut von Schmä­hun­gen ge­meins­ter Art; es war ihm als ob die Wor­te, die aus die­sem Mun­de auf ihn fie­len, ihn wie Un­rat be­schmutz­ten. Er wich dem be­gin­nen­den Skan­da­le aus und wand­te sich dem Ge­län­der zu, über das er sich beug­te und so den drei Wei­bern den Rücken kehr­te.

      Dort blieb er und starr­te ins Was­ser wäh­rend er sich zu­wei­len mit ei­ner has­ti­gen Be­we­gung sei­ner ner­vö­sen Hand eine Trä­ne aus dem Auge wisch­te.

      Er war näm­lich, ohne zu wis­sen warum, trotz sei­nes Zart­ge­fühls, trotz sei­nes Ver­stan­des, und trotz sei­nes bes­se­ren Wol­lens ver­liebt, wahn­sin­nig ver­liebt so­gar. Die­se Lie­be hat­te ihn mit­ge­ris­sen wie der Wir­bel im Stro­me. Von Na­tur aus weich und emp­find­sam, hat­te er von ganz idea­len Ver­hält­nis­sen ge­träumt, die auf wah­rer Zu­nei­gung be­ruh­ten; und nun hat­te die­ser Heuschreck von ei­nem Mäd­chen, roh und un­ge­bil­det wie alle Ihres­glei­chen, und zwar von ei­ner ab­schre­cken­den er­bit­tern­den Ro­heit, die­ses Mäd­chen, das nicht ein­mal hübsch, son­dern ma­ger und reiz­bar war, ihn ganz be­fan­gen. Er ge­hör­te ihr von Kopf bis zu den Füs­sen mit Leib und See­le. Er war ein Skla­ve je­ner eben­so ge­heim­niss­vol­len wie all­mäch­ti­gen Zau­ber­kraft des Wei­bes ge­wor­den, je­ner un­be­kann­ten Macht, je­ner zü­gel­lo­sen Herr­schaft, von der nie­mand weiß, wo­her sie kommt; je­nes Dä­mons des Flei­sches, der den wei­ses­ten Mann zu den Füs­sen ir­gend ei­ner Dir­ne wirft, ohne dass man sich den Grund ih­rer Zau­ber­macht und ih­rer An­zie­hungs­kraft er­klä­ren kann.

      Und da drü­ben, hin­ter sei­nem Rücken – das fühl­te er in­stink­tiv – wur­de ir­gend eine Ge­mein­heit aus­ge­brü­tet. Das La­chen von dort­her schnitt ihm ins Herz. Was soll­te er tuen? Ach, er wuss­te es nur zu gut; aber es fehl­te ihm der Mut dazu.

      Er be­trach­te­te un­ver­wandt einen Fi­scher, der re­gungs­los wie ein Pfahl am jen­sei­ti­gen Ufer stand.

      Plötz­lich zog der­sel­be mit ei­nem Ruck einen klei­nen sil­ber­glän­zen­den Fisch aus dem Was­ser, der hef­tig an der An­gel zap­pel­te. Je­ner ver­such­te nun den Wi­der­ha­ken los­zu­ma­chen, wo­bei er ihn dreh­te und wand­te, aber ver­geb­lich; da riss ihm die Ge­duld und mit ei­ner hef­ti­gen Be­we­gung zog er den blu­ti­gen Sch­lund und einen Teil der Ein­ge­wei­de des ar­men Tie­res her­aus. Paul schau­der­te, als ob ihm selbst das Herz zer­ris­sen wür­de. Für ihn, den Fisch, war die Lie­be der Wi­der­ha­ken, und mit ihm riss man ihm eben­falls sein gan­zes In­ne­re her­aus wie an ei­ner An­gel­schnur, die Ma­de­lei­ne in der Hand hielt.

      Eine Hand leg­te sich auf sei­ne Schul­ter, und schau­dernd wand­te er sich um; sei­ne Ge­lieb­te stand hin­ter ihm. Sie wech­sel­ten kein Wort und sie lehn­te sich gleich ihm über das Ge­län­der die Au­gen auf den Fluss ge­hef­tet.

      Er such­te nach Wor­ten; aber er fand kei­ne; nicht ein­mal sei­ne Ge­dan­ken konn­te er aus­ein­an­der­hal­ten. Al­les, was er deut­lich emp­fand, war die Freu­de, sie wie­der bei sich zu wis­sen; es über­kam ihn eine schimpf­li­che Schwä­che, ein Be­dürf­nis, al­les zu ver­zei­hen und al­les zu er­lau­ben, wenn sie nur bei ihm blieb.

      End­lich

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