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und Lei­ter die­ses Kan­k­ans, der sehr wür­dig in schwar­zem Frack, mit sei­nem ver­wit­ter­ten Ge­sicht und dem gan­zen Ha­bi­tus ei­nes Ver­gnü­gungs-Kom­missars der al­ten Zeit, ein­her­ging, hat­te es nicht schwer, sich hier An­se­hen zu ver­schaf­fen.

      Paul at­me­te er­leich­tert auf, als er die di­cke Pau­li­ne und ihre Ge­fähr­tin nicht hier fand.

      Der Tanz be­stand dar­in, dass sich die Paa­re ge­gen­über be­weg­ten, die tolls­ten Sprün­ge mach­ten und mit ih­ren Fuss­s­pit­zen wo­mög­lich un­ter der Nase ih­res Ge­gen­übers her­um­fuh­ren. Die »Da­men,« de­ren Glie­der aus den Ge­len­ken ge­löst zu sein schie­nen, hat­ten ihre Klei­der hoch­ge­ho­ben und zeig­ten ihre Un­ter­rö­cke. Ihre Bei­ne wir­bel­ten sie mit über­ra­schen­der Leich­tig­keit um den Kopf; sie wieg­ten ih­ren Leib, wa­ckel­ten mit den Hüf­ten, und schüt­tel­ten die Brust, wo­bei sie sich so leb­haft um sich selbst dreh­ten, dass sie schliess­lich in Schweiß ge­ba­det wa­ren.

      Die »Her­ren« hock­ten sich wie die Krö­ten mit zwei­fel­haf­ten Ge­bär­den nie­der, ver­dreh­ten un­ter scheuss­li­chen Gri­mas­sen ih­ren Kör­per, schlu­gen ein Rad über der Hand oder such­ten die Ko­mik in über­trie­ben stei­fer Hal­tung und ei­ner lä­cher­li­chen Gran­dez­za.

      Eine di­cke Kell­ne­rin und zwei Kell­ner sorg­ten für die Wün­sche der Gäs­te.

      Merk­wür­dig in der Tat hob sich von der fried­li­chen Stil­le der Nacht un­ter dem ru­hi­gen Ster­nen­him­mel die­ses Schiffs­kaf­fee ab, das, nur mit ei­nem Da­che ver­se­hen, durch kei­ne Schran­ke von der Aus­sen­welt ge­trennt, die­sem zü­gel­lo­sen Tan­ze als Stät­te diente.

      Plötz­lich schi­en sich der alte Mont-Va­le­ri­en da un­ten zu er­hel­len, als ob in sei­nem Rücken eine Feu­ers­brunst ent­stan­den wäre. Die­se Hel­lig­keit wur­de im­mer grös­ser und schär­fer, drang hö­her zum Him­mel hin­auf und be­schrieb mit ih­rem fah­len weiß­li­chen Schim­mer einen großen Licht­kreis. Dann zeig­te sich et­was Ro­tes, wur­de grös­ser und bren­nend wie ge­schmol­ze­nes Me­tall, bis es die Ge­stalt ei­ner Ku­gel an­nahm, die von der Erde em­por­stieg. Es war der Mond, der sich als­bald vom Ho­ri­zont ab­lös­te, um lang­sam sei­ne Him­mels­bahn zu wan­deln. Je wei­ter er auf­stieg, umso mehr schwand sein pur­pur­ner Schim­mer, und sein Licht wur­de gel­ber; es war ein lich­tes auf­fal­len­des Gelb. Auf der zu­rück­ge­leg­ten Bahn wa­ren die Ster­ne ver­lo­schen.

      Paul sah ihm lan­ge zu und hat­te, in sei­ner Be­trach­tung ver­lo­ren, sei­ne Ge­fähr­tin ganz ver­ges­sen. Als er sich um­sah, war sie ver­schwun­den.

      Ver­geb­lich such­te er nach ihr, in­dem er sein un­stä­tes Auge ängst­lich über alle Ti­sche schwei­fen ließ, und auch wohl die­sen oder je­nen nach ihr frag­te. Nie­mand hat­te sie in­des­sen ge­se­hen.

      So irr­te er voll quä­len­der Un­ru­he um­her, als ihm ei­ner der Kell­ner sag­te:

      »Sie su­chen Ma­da­me Ma­de­lei­ne, nicht wahr? So­eben ist sie mit Ma­da­me Pau­li­ne fort­ge­gan­gen.« Und in dem­sel­ben Au­gen­blick sah er auch am an­de­ren Ende des Café den Ma­tro­sen und die bei­den hüb­schen Mäd­chen, wel­che sich alle drei um­fasst hiel­ten und ihn flüs­ternd be­trach­te­ten.

      Er ver­stand und stürz­te wie ein Ra­sen­der auf die In­sel hin­aus.

      Zu­erst lief er auf Cha­tou zu; aber vor der Wie­se mäs­sig­te er sei­ne Schrit­te. Dann be­gann er wie traum­ver­lo­ren durch das dich­te Ge­büsch zu strei­fen, in­dem er hin und wie­der ste­hen blieb, um zu hor­chen.

      Über­all lies­sen rings­um die Un­ken ih­ren kur­z­en kla­gen­den Ruf er­schal­len.

      Von Bou­gi­val her er­tön­te der ein­för­mi­ge Ge­sang ir­gend ei­nes frem­den Vo­gels nur schwach bei der Ent­fer­nung ver­nehm­bar. Auf dem wei­ten Ra­sen ver­brei­te­te der Mond sein mil­des Licht, so­dass er wie mit Wat­te be­deckt schi­en. Die­ses Licht drang durch das Blät­ter­werk, ver­sil­ber­te das Laub der Pap­peln, und ver­gol­de­te die flüs­tern­den Wip­fel der großen Bäu­me. Die be­rau­schen­de Poe­sie die­ses Som­mer­abends pack­te Paul trotz sei­nes Sträu­bens, sie mil­der­te sei­ne tö­rich­te Furcht und trieb ihr Spiel mit sei­nem Her­zen, in­dem sie in sei­nem sanf­ten und sin­nen­den Ge­mü­te das idea­le Ver­lan­gen nach Lie­be und lei­den­schaft­li­cher Er­wi­de­rung im Bu­sen ei­ner an­ge­be­te­ten und treu­en Ge­lieb­ten bis zur Ra­se­rei stei­ger­te.

      Sei­ne wild und stür­misch her­vor­bre­chen­den Trä­nen zwan­gen ihn, ste­hen zu blei­ben.

      Als der An­fall vor­über war, ging er wei­ter. Plötz­lich durch­drang es ihn wie ein Mes­ser­stich: Man küss­te sich da hin­ten im Ge­büsch. Er lief hin, und sah ein Lie­bespär­chen, wel­ches durch sei­ne An­nä­he­rung aus ei­ner lan­gen in­ni­gen Umar­mung auf­ge­scheucht, sich schleu­nigst ent­fern­te.

      Er wag­te nicht, nach Ma­de­lei­ne zu ru­fen, denn er wuss­te nur zu gut, dass sie ihm nicht ant­wor­ten wür­de; und zu­gleich hat­te er eine schreck­li­che Angst da­vor, sie plötz­lich zu ent­de­cken.

      Die Töne der Qua­dril­le mit den schril­len Pi­ston-So­los, das falsche Ge­quie­ke der Kla­ri­net­te, die krei­schen­de Stim­me der Vio­li­ne zer­ris­sen sein Herz und stei­ger­ten sein Elend. Die wil­de lär­men­de Mu­sik klang bald stär­ker bald schwä­cher durch die Räu­me, je nach­dem ein Wind­sto­ss sie her­über­trug oder nicht.

      Plötz­lich frag­te er sich, ob »sie« viel­leicht zu­rück­ge­kehrt wäre? Ja, sie war je­den­falls zu­rück­ge­kom­men! Wa­rum soll­te sie auch nicht? Er hat­te ohne Grund den Kopf ver­lo­ren, hat­te sich ganz sinn­los von sei­nem Schre­cken fort­reis­sen las­sen, und ohne Über­le­gung ei­nem halt­lo­sen Ver­dach­te Raum ge­ge­ben.

      Und von je­ner selt­sa­men Ruhe er­grif­fen, die zu­wei­len der gröss­ten Verzweif­lung folgt, kehr­te er zum Bal­le zu­rück.

      Mit ei­nem Blick durch­flog er den Saal; sie war nicht dort. Er mach­te einen Gang um die Ti­sche und sah sich plötz­lich aufs Neue den drei Wei­bern ge­gen­über. Er moch­te je­den­falls eine sehr ver­zwei­fel­te ko­mi­sche Mie­ne ha­ben, denn alle drei bra­chen gleich­zei­tig in lau­tes La­chen aus.

      Er stürz­te da­von und be­gann wie­der­um atem­los die Ge­bü­sche der In­sel zu durch­for­schen. Dann horch­te er aufs Neue – er lausch­te lan­ge, denn sei­ne Ohren saus­ten; und schliess­lich glaub­te er et­was wei­ter ein leich­tes durch­drin­gen­des La­chen zu hö­ren, wel­ches er nur zu gut kann­te. Ganz lei­se schob er sich vor­wärts, vor­sich­tig die Zwei­ge aus­ein­an­der­bie­gend; sein Herz schlug so hef­tig, dass er kaum noch at­men konn­te.

      Zwei Stim­men mur­mel­ten Wor­te, die er noch nicht ver­ste­hen konn­te. Dann schwie­gen sie.

      Da er­griff ihn ein mäch­ti­ger Drang zu flie­hen, nichts zu se­hen und nichts zu er­fah­ren, sich für im­mer von die­ser tö­rich­ten ver­zeh­ren­den Lei­den­schaft los­zu­reis­sen. Er woll­te nach Cha­tou ge­hen, den Zug nach Pa­ris be­stei­gen und nie­mals zu ihr zu­rück­keh­ren, sie nie­mals wie­der­se­hen. Aber nun er­griff ihn wie­der die Ein­bil­dungs­kraft und er stell­te sich im Geis­te vor, wie sie am Mor­gen in ih­rem wei­chen war­men Bet­te er­wa­chend sich zärt­lich an ihn schmie­gen und ihn um­ar­men

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