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für den Abend aus und lies­sen sich einst­wei­len von ir­gend ei­nem Dum­men ihre Ze­che be­zah­len; zwi­schen den Ti­schen und Stüh­len trieb sich eine Schar lär­men­der Kahn­fah­rer mit ih­ren Beglei­te­rin­nen in kur­z­em Fla­nell­rock her­um.

      Ei­ner von ih­nen setz­te sich an das Kla­vier und schi­en es mit Hän­den und Füs­sen zu be­ar­bei­ten; vier Paa­re tanz­ten eine Qua­dril­le, und jun­ge Leu­te, mo­dern und ele­gant an­ge­zo­gen, die bis auf ein ge­wis­ses Et­was für was Bes­se­res hät­ten gel­ten kön­nen, sa­hen ih­nen zu.

      Man fin­det eben dort in vol­len Hau­fen den gan­zen Ab­schaum der Ge­sell­schaft, die gan­ze vor­neh­me Ver­bre­cher­welt, die gan­ze Fäul­nis des Pa­ri­ser Le­bens. Ein Ge­misch von Krä­mern, Schif­fern, ver­kom­me­nen Schrift­stel­lern, ver­lump­ten Edel­leu­ten, ver­krach­ten Bör­sia­nern, leicht­sin­ni­gen Ta­ge­die­ben und al­ten über­sät­tig­ten Le­be­män­nern; die gan­ze Ban­de von ver­däch­ti­gen Per­so­nen, halb ge­ach­tet, halb schon un­ter­ge­gan­gen, halb noch ge­ehrt, halb schon der Schan­de ver­fal­len, Spitz­bu­ben, Ta­ge­die­be, Zu­häl­ter, In­dus­trie­rit­ter mit re­spek­ta­blem Äus­sern, Gau­ner mit der Mie­ne ei­nes Bra­mar­bas, die zu sa­gen scheint: »Den ers­ten, der mir quer kommt, ma­che ich kalt.«

      An die­sem Orte herrsch­te die Ro­heit, die Ver­kom­men­heit und die freie Lie­be. Aber den Män­nern und Wei­bern ist wohl da­bei. Eine sinn­li­che Luft weht durch die­sen Raum, man schlägt sich um ein But­ter­brot, um ein Nichts, um je­nen wurm­sti­chi­gen Rest von Ehre noch zu wah­ren, den man för­der­hin mit Pis­to­le oder De­gen nicht mehr ver­tre­ten kann.

      Hin und wie­der er­schei­nen dort Sonn­tags ei­ni­ge neu­gie­ri­ge Be­woh­ner der Nach­bar­schaft; jun­ge Leu­te, sehr jung noch, tref­fen sich dort jähr­lich, um das Le­ben ken­nen zu ler­nen. Harm­lo­se Spa­zier­gän­ger ver­ir­ren sich nur vor­über­ge­hend in die­ses Lo­kal.

      Nicht ohne Grund führt das Eta­blis­se­ment den Na­men »Frosch­teich.« Ne­ben dem über­dach­ten Flos­se und ganz nahe bei dem »Blu­men­topf« be­fin­det sich die Ba­de­an­la­ge. Die­je­ni­gen Mit­glie­der der dort ver­keh­ren­den »Da­men«-Welt, de­nen die Fül­le ih­rer For­men es ge­stat­tet, pfle­gen hier so ziem­lich in Evas Ko­stüm sich zu zei­gen und ihre Kund­schaft an­zu­lo­cken, wäh­rend die üb­ri­gen, we­ni­ger be­vor­zug­ten, ob­schon sie im Ba­de­man­tel vol­ler er­schei­nen und an ih­ren For­men bald hier et­was er­gänzt bald dort et­was be­sei­tigt ha­ben, mit Ent­rüs­tung die­sem Trei­ben ih­rer Kol­le­gin­nen zu­se­hen.

      Auf ei­ner klei­nen Estra­de drän­gen sich die Tau­cher um den Kopf­sprung zu ma­chen; sie sind teils ma­ger wie die Scha­ka­le, teils rund wie die Kür­bis­se, knor­rig wie die Zwei­ge der Oli­ven­bäu­me, vor­wärts ge­krümmt oder rück­wärts ge­beugt je nach der Ent­wick­lung ih­res Lei­bes und alle durch die Bank häss­lich; bei ih­rem Sprun­ge spritzt das Was­ser oft bis zu den Ze­chern im Café her­auf.

      Trotz der schat­ti­gen Bäu­me die das schwim­men­de Haus über­rag­ten und trotz der Nähe des Was­sers herrscht eine er­sti­cken­de Hit­ze in dem Rau­me. Der Dunst von ver­schüt­te­tem Al­ko­hol mischt sich mit der Aus­düns­tung der vie­len Men­schen und dem zwei­fel­haf­ten Duft der star­ken Par­füms, den die Die­ne­rin­nen der Lie­be in die­sem heis­sen Rau­me aus­strö­men. Aber alle die­se ver­schie­de­nen Gerü­che über­ragt ein leich­tes Aro­ma von Poud­re-de-Riz, bald stär­ker, bald schwä­cher, aber über­all be­merk­bar, als hät­te ir­gend eine ver­bor­ge­ne Hand fort­wäh­rend oben in der Luft eine Pu­der­quas­te ge­schüt­telt.

      Das hüb­sche­s­te Schau­spiel bot der Fluss, auf dem die hin- und her­fah­ren­den Boo­te un­will­kür­lich das Auge an­zo­gen. Die Ru­de­rin­nen brüs­te­ten sich auf ih­ren Sit­zen ge­gen­über ih­ren stark­kno­chi­gen Beglei­tern, wäh­rend sie mit Ver­ach­tung die Dir­nen be­trach­te­ten, wel­che nach ei­nem Es­sen lüs­tern, auf der In­sel her­um­stri­chen.

      Zu­wei­len, wenn ein flin­kes Boot mit al­ler Schnel­lig­keit vor­über­fuhr, sties­sen die Freun­de am Lan­de ein Bei­fall­ge­schrei aus, in das die gan­ze Men­ge mit lau­tem Ge­heul ein­stimm­te.

      Im­mer neue Boo­te zeig­ten sich an der Bie­gung bei Cha­tou. Sie wur­den im Nä­her­kom­men grös­ser und grös­ser; und so­bald man die Ge­sich­ter er­ken­nen konn­te, er­tön­te neu­es Ge­schrei.

      Ein über­dach­tes und von vier Mäd­chen be­setz­tes Boot kam lang­sam den Fluss her­un­ter. Die, wel­che die Ru­der führ­te, war klein, ma­ger und welk; sie trug ein Ma­tro­sen­ko­stüm und auf ih­rem dün­nen Haar einen gel­ben Stroh­hut. Ihr ge­gen­über lag eine star­ke Blon­di­ne, gleich­falls in Her­ren­klei­dern mit wei­ßer Fla­nell­wes­te, auf dem Rücken im Fond des Boo­tes, und stütz­te, eine Zi­ga­ret­te rau­chend ihre aus­ge­streck­ten Bei­ne auf die Bank zu bei­den Sei­ten der Ru­de­rin. Durch die Er­schüt­te­rung ging ihr bei je­dem Ru­der­schlag ein Zit­tern über Brust und Leib. Ganz hin­ten sas­sen un­ter dem Schutz­da­che zwei hüb­sche große schlan­ke Mäd­chen; eine Brü­net­te und eine Blon­di­ne; sie hiel­ten sich um­fan­gen und be­trach­te­ten un­auf­hör­lich ihre bei­den Ge­fähr­tin­nen.

      »Aha! die Les­bie­rin­nen« er­scholl eine Stim­me in dem Re­stau­rant, und plötz­lich ent­stand ein leb­haf­tes Ge­schrei auf dem gan­zen Frosch­teich; al­les stiess und dräng­te sich, Glä­ser fie­len zur Erde, man stieg auf die Ti­sche, und al­les rief wie ra­send: »Les­bos, Les­bos, Les­bos!« Der Ruf roll­te wei­ter und wei­ter bis in un­be­stimm­te Fer­ne und bil­de­te zu­letzt nur noch ein un­kla­res Ge­heul, dann schi­en er sich plötz­lich von Neu­em zu er­he­ben, zum Äther em­por­zu­stei­gen, die Um­ge­gend zu be­de­cken, das dich­te Laub­werk der Bäu­me zu er­fül­len und sich end­lich in die Wol­ken zur Son­ne em­por­zu­sch­win­gen.

      Die Ru­de­rin hat­te bei die­sem Ge­schrei ru­hig Halt ge­macht. Die große Blon­de im Fond des Boo­tes rich­te­te sich zur Hälf­te auf und wand­te nach­läs­sig den Kopf, wäh­rend die bei­den hüb­schen Mäd­chen im Hin­ter­grun­de die Men­ge mit lau­tem La­chen be­grüss­ten.

      Da ver­dop­pel­te sich das Ge­brüll, so­dass der Bo­den der Ar­che zit­ter­te. Die Män­ner lüf­te­ten die Hüte, Frau­en zo­gen ihre Ta­schen­tü­cher und alle Stim­men, hell und dumpf, rie­fen ver­eint »Les­bos.« Man hät­te glau­ben sol­len, die­ser Pö­bel, die­ser Ver­bre­cher­hau­fe, grüss­te sei­ne An­füh­rer, wie ein Ge­schwa­der die Ge­schüt­ze löst, wenn ein Ad­mi­ral die Front der Schif­fe ab­fährt.

      Die zahl­rei­che Boots-Flot­til­le grüss­te eben­falls mit lau­tem Bei­fall das Fahr­zeug die­ser Vie­re, wel­ches mit sei­ner schläf­ri­gen Be­we­gung sich lang­sam et­was wei­ter vom Frosch­teich ent­fern­te.

      Im Ge­gen­satz zu den üb­ri­gen hat­te Herr Paul einen Schlüs­sel aus der Ta­sche ge­zo­gen, auf dem er aus Lei­bes­kräf­ten zu pfei­fen be­gann. Sei­ne Freun­din, er­regt und blei­cher wie ge­wöhn­lich, fass­te sei­nen Arm, um ihn zum Schwei­gen zu brin­gen, wo­bei ein ei­gen­tüm­li­ches Feu­er in ih­ren Au­gen glüh­te. Er aber schi­en aus­ser sich, wie von Ei­fer­sucht, von ei­nem tie­fen Zor­ne in­stink­ti­ver Ent­rüs­tung ge­sta­chelt.

      »Das ist schmach­voll!« stam­mel­te er mit wut­be­ben­den

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