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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Einer von ihnen setzte sich an das Klavier und schien es mit Händen und Füssen zu bearbeiten; vier Paare tanzten eine Quadrille, und junge Leute, modern und elegant angezogen, die bis auf ein gewisses Etwas für was Besseres hätten gelten können, sahen ihnen zu.
Man findet eben dort in vollen Haufen den ganzen Abschaum der Gesellschaft, die ganze vornehme Verbrecherwelt, die ganze Fäulnis des Pariser Lebens. Ein Gemisch von Krämern, Schiffern, verkommenen Schriftstellern, verlumpten Edelleuten, verkrachten Börsianern, leichtsinnigen Tagedieben und alten übersättigten Lebemännern; die ganze Bande von verdächtigen Personen, halb geachtet, halb schon untergegangen, halb noch geehrt, halb schon der Schande verfallen, Spitzbuben, Tagediebe, Zuhälter, Industrieritter mit respektablem Äussern, Gauner mit der Miene eines Bramarbas, die zu sagen scheint: »Den ersten, der mir quer kommt, mache ich kalt.«
An diesem Orte herrschte die Roheit, die Verkommenheit und die freie Liebe. Aber den Männern und Weibern ist wohl dabei. Eine sinnliche Luft weht durch diesen Raum, man schlägt sich um ein Butterbrot, um ein Nichts, um jenen wurmstichigen Rest von Ehre noch zu wahren, den man förderhin mit Pistole oder Degen nicht mehr vertreten kann.
Hin und wieder erscheinen dort Sonntags einige neugierige Bewohner der Nachbarschaft; junge Leute, sehr jung noch, treffen sich dort jährlich, um das Leben kennen zu lernen. Harmlose Spaziergänger verirren sich nur vorübergehend in dieses Lokal.
Nicht ohne Grund führt das Etablissement den Namen »Froschteich.« Neben dem überdachten Flosse und ganz nahe bei dem »Blumentopf« befindet sich die Badeanlage. Diejenigen Mitglieder der dort verkehrenden »Damen«-Welt, denen die Fülle ihrer Formen es gestattet, pflegen hier so ziemlich in Evas Kostüm sich zu zeigen und ihre Kundschaft anzulocken, während die übrigen, weniger bevorzugten, obschon sie im Bademantel voller erscheinen und an ihren Formen bald hier etwas ergänzt bald dort etwas beseitigt haben, mit Entrüstung diesem Treiben ihrer Kolleginnen zusehen.
Auf einer kleinen Estrade drängen sich die Taucher um den Kopfsprung zu machen; sie sind teils mager wie die Schakale, teils rund wie die Kürbisse, knorrig wie die Zweige der Olivenbäume, vorwärts gekrümmt oder rückwärts gebeugt je nach der Entwicklung ihres Leibes und alle durch die Bank hässlich; bei ihrem Sprunge spritzt das Wasser oft bis zu den Zechern im Café herauf.
Trotz der schattigen Bäume die das schwimmende Haus überragten und trotz der Nähe des Wassers herrscht eine erstickende Hitze in dem Raume. Der Dunst von verschüttetem Alkohol mischt sich mit der Ausdünstung der vielen Menschen und dem zweifelhaften Duft der starken Parfüms, den die Dienerinnen der Liebe in diesem heissen Raume ausströmen. Aber alle diese verschiedenen Gerüche überragt ein leichtes Aroma von Poudre-de-Riz, bald stärker, bald schwächer, aber überall bemerkbar, als hätte irgend eine verborgene Hand fortwährend oben in der Luft eine Puderquaste geschüttelt.
Das hübscheste Schauspiel bot der Fluss, auf dem die hin- und herfahrenden Boote unwillkürlich das Auge anzogen. Die Ruderinnen brüsteten sich auf ihren Sitzen gegenüber ihren starkknochigen Begleitern, während sie mit Verachtung die Dirnen betrachteten, welche nach einem Essen lüstern, auf der Insel herumstrichen.
Zuweilen, wenn ein flinkes Boot mit aller Schnelligkeit vorüberfuhr, stiessen die Freunde am Lande ein Beifallgeschrei aus, in das die ganze Menge mit lautem Geheul einstimmte.
Immer neue Boote zeigten sich an der Biegung bei Chatou. Sie wurden im Näherkommen grösser und grösser; und sobald man die Gesichter erkennen konnte, ertönte neues Geschrei.
Ein überdachtes und von vier Mädchen besetztes Boot kam langsam den Fluss herunter. Die, welche die Ruder führte, war klein, mager und welk; sie trug ein Matrosenkostüm und auf ihrem dünnen Haar einen gelben Strohhut. Ihr gegenüber lag eine starke Blondine, gleichfalls in Herrenkleidern mit weißer Flanellweste, auf dem Rücken im Fond des Bootes, und stützte, eine Zigarette rauchend ihre ausgestreckten Beine auf die Bank zu beiden Seiten der Ruderin. Durch die Erschütterung ging ihr bei jedem Ruderschlag ein Zittern über Brust und Leib. Ganz hinten sassen unter dem Schutzdache zwei hübsche große schlanke Mädchen; eine Brünette und eine Blondine; sie hielten sich umfangen und betrachteten unaufhörlich ihre beiden Gefährtinnen.
»Aha! die Lesbierinnen« erscholl eine Stimme in dem Restaurant, und plötzlich entstand ein lebhaftes Geschrei auf dem ganzen Froschteich; alles stiess und drängte sich, Gläser fielen zur Erde, man stieg auf die Tische, und alles rief wie rasend: »Lesbos, Lesbos, Lesbos!« Der Ruf rollte weiter und weiter bis in unbestimmte Ferne und bildete zuletzt nur noch ein unklares Geheul, dann schien er sich plötzlich von Neuem zu erheben, zum Äther emporzusteigen, die Umgegend zu bedecken, das dichte Laubwerk der Bäume zu erfüllen und sich endlich in die Wolken zur Sonne emporzuschwingen.
Die Ruderin hatte bei diesem Geschrei ruhig Halt gemacht. Die große Blonde im Fond des Bootes richtete sich zur Hälfte auf und wandte nachlässig den Kopf, während die beiden hübschen Mädchen im Hintergrunde die Menge mit lautem Lachen begrüssten.
Da verdoppelte sich das Gebrüll, sodass der Boden der Arche zitterte. Die Männer lüfteten die Hüte, Frauen zogen ihre Taschentücher und alle Stimmen, hell und dumpf, riefen vereint »Lesbos.« Man hätte glauben sollen, dieser Pöbel, dieser Verbrecherhaufe, grüsste seine Anführer, wie ein Geschwader die Geschütze löst, wenn ein Admiral die Front der Schiffe abfährt.
Die zahlreiche Boots-Flottille grüsste ebenfalls mit lautem Beifall das Fahrzeug dieser Viere, welches mit seiner schläfrigen Bewegung sich langsam etwas weiter vom Froschteich entfernte.
Im Gegensatz zu den übrigen hatte Herr Paul einen Schlüssel aus der Tasche gezogen, auf dem er aus Leibeskräften zu pfeifen begann. Seine Freundin, erregt und bleicher wie gewöhnlich, fasste seinen Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen, wobei ein eigentümliches Feuer in ihren Augen glühte. Er aber schien ausser sich, wie von Eifersucht, von einem tiefen Zorne instinktiver Entrüstung gestachelt.
»Das ist schmachvoll!« stammelte er mit wutbebenden